Vom Funkloch ausgebremst?

Carsharing wächst auch auf dem Land

08.09.2015
Carsharing in der Fläche lohnt eigentlich nicht. Zu wenig Nutzer, zu hohe Kosten. Trotzdem nimmt die Zahl der Angebote auch auf dem Land zu.

Der nächste Bahnhof ist fünf Kilometer entfernt, der Bus fährt maximal stündlich. Breitnau liegt abseits der Hauptverkehrsstraßen in einem idyllischen Tal im Hochschwarzwald. Ein perfektes Nutzungsszenario für zusätzliche Mobilitätsangebote wie Carsharing - dachte man sich beim örtlichen Tourismusverband.

Doch das Mobilfunknetz, mit dessen Hilfe die Buchungen auf das Auto gespielt werden sollten, ist in Breitnau nicht zuverlässig: "Es gab Schwankungen, nur bei gutem Wetter ging es", sagt Ulrike Brodscholl, die das Carsharing-Projekt bei Hochschwarzwald Tourismus aufgebaut hat. Aktuell steht auf der Webseite: "Auto derzeit nicht buchbar." Die Ladesäule in Breitnau ist verwaist.

Funklöcher sind nur ein Hindernis, das Carsharing auf dem Land schwierig gestaltet. Werden E-Autos eingesetzt wie im Schwarzwald, muss Ladeinfrastruktur im Gegensatz zu größeren Städten erst noch aufgebaut werden. Außerdem ist ein Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr wichtig. Das größte Hindernis ist die Auslastung: "Erst bei 20 bis 30 potenziellen Nutzern pro Auto lohnt es sich wirtschaftlich", erklärt ein Sprecher des Carsharing-Verbands. Grundsätzlich lohne in der Fläche nur die stationsgebundene Variante.

Trotzdem wächst das Angebot auch in kleinen Gemeinden: In 521 deutschen Städten gibt es laut Bundesverband Carsharing-Angebote, um Autos zu teilen. Immerhin 384 haben weniger als 50.000 Einwohner.

Größere Anbieter mit sogenannten Freefloating-Angeboten, bei denen die Autos nicht an einem bestimmten Ort abgestellt werden müssen, ziehen sich inzwischen allerdings sogar aus Randgebieten von Großstädten zurück. Man stelle die Autos dort zur Verfügung, wo sie gebraucht würden, begründet ein Sprecher des zum Daimler-Konzern gehörenden Carsharing-Anbieters Car2Go die Ausdünnung. In Innenstadtbereichen würden die Autos acht bis zehn Mal pro Tag gemietet, in Randbereichen zwei bis drei Mal. Daimler hat sich aus diesem Grund auch aus seiner ersten Car2Go-Stadt Ulm zurückgezogen.

Die Deutsche Bahn setzt bei ihrem Carsharing-Angebot Flinkster in der Fläche einem Bahnsprecher zufolge auf regionale Kooperationspartner, wenn sich der eigene Einsatz nicht rentiert. Der Geschäftsführer des Carsharing-Verbands, Willi Loose, stellt fest, dass auch andere aktiv werden. Carsharing-Angebote wie Stadtmobil in Stuttgart weiteten ihr Angebot in die Peripherie aus, teilweise mit Hilfe von ehrenamtlichen Vereinen, Autohäuser böten Carsharing zusätzlich zu ihrem Angebot an. Energiegenossenschaften engagierten sich, wenn es darum gehe, Carsharing-Angebote mit E-Autos aufzubauen.

Diese Projekte werden im Zuge der Energiewende gefördert. Das Angebot im Hochschwarzwald ist aus einem solchen Ideenwettbewerb hervorgegangen und wurde vom Land Baden-Württemberg bezuschusst. BMW stellte über seine Tochter AlphaCity 25 Elektro-BMW zur Verfügung. Ein örtlicher Energiedienstleister versorgt die Ladesäulen mit Strom. Doch trotz dieser Starthilfen läuft nicht alles rund. Die Funklöcher sind nur ein Problem, das gelöst werden muss. Kunden mach auch schon mal Fehler bei der Bedienung, sodass die Autos nicht geladen werden. Der nächste Nutzer läuft dann Gefahr, ein Fahrzeug mit leerer Batterie vorzufinden. Das will man nun ändern, indem eine Abmeldung am Auto erst dann möglich ist, wenn es auch tatsächlich lädt.

Luxus-Probleme, von denen der Verein Auto-Teiler in Vaterstetten im Speckgürtel von München nur träumen kann. Vor 23 Jahren hat Klaus Breindl den Verein mit Mitstreitern ins Leben gerufen. Inzwischen teilen sich gut 300 Nutzer 21 Autos. Funklöcher sind für ihn kein Problem. Die teure Bordelektronik, die für entsprechende Buchungen an E-Autos notwendig ist, kann sich der Verein ohnehin nicht leisten. Er arbeitet analog: Mit stationären Schlüsseltresoren an den Stellplätzen.

Breindl sieht drei Hindernisse für Carsharing auf dem Land: Die Notwendigkeit, auf dem Land ein eigenes Auto zur Verfügung zu haben, die Aufgeschlossenheit der Menschen für Carsharing und nicht zuletzt die Erreichbarkeit der Stellplätze. Maximal einen Kilometer vom Wohnort, so seine Erfahrung, darf das Auto stehen. Breindl ist zwar überzeugt, dass die Nachfrage und damit auch die Angebote auf dem Land weiter wachsen. "Auf lange Sicht wird sich Carsharing außerhalb der Ballungsräume aber nur auf ehrenamtlicher Basis lohnen." (dpa/tc)