CAPITIX: Ernüchterung statt Frühlingsgefühle

02.08.2002
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach einem Jahr ist das Startup-Trendbarometer Capitix der Capital Stage IT/New Media im zweiten Quartal 2002 wieder unter die Startmarke von 1000 Punkten gerutscht. Der erhoffte Aufschwung des IT-Gründerklimas scheint damit wieder einmal außer Sichtweite gerückt. Allerdings nur auf den ersten Blick: Zwar haben die kapitalsuchenden Startups ihre Umsatzprognosen heruntergeschraubt, gleichzeitig wollen sie aber nun mit weniger Geld und Personal schneller schwarze Zahlen schreiben.
Quelle: Capital Stage IT/New Media
Quelle: Capital Stage IT/New Media

Die Erholung war nur von kurzer Dauer. Nachdem der Index im ersten Quartal des Jahres auf über 1300 Punkte geklettert war, schien die Krise der Startups vom vergangenen Herbst (812 Punkte) beendet. Aber zu früh gefreut: Bereits ein Quartal später rutschte das Trendbarometer erneut unter die 1000-Punkte-Marke. Was war passiert? Ähnlich wie bereits etablierte Firmen legten die kapitalsuchenden Startups offenbar eine gesunde Skepsis an den Tag und passten ihre Prognosen der aktuellen wirtschaftlichen Situation an. Dies hatte zur Folge, dass die Umsatzerwartungen in den Businessplänen deutlich gesenkt wurden: Im Vergleich zum vorangegangenen Quartal rechnen die Bewerber im Schnitt für dieses Jahr nur noch mit Einnahmen von 1,38 Millionen statt 2,2 Millionen Euro, entsprechend pessimistischer wird auch die Ergebnisentwicklung gesehen. Allerdings wollen die IT-Newcomer noch früher als bisher profitabel zu werden: Gaben sich die Bewerber im ersten Quartal 2002 im Schnitt noch 42

Monate Zeit bis zum Erreichen des Break-Even, so müssen nun 37 Monate ab der Gründung genügen. Die Profitabilitätsfrist ab dem Zeitpunkt der Antragstellung stieg jedoch im Mittel von 17 auf 20 Monate.

In Anbetracht der gesunkenen Umsatzerwartungen setzen die Newcomer auch bei der Mitarbeiterplanung den Rotstift an: Die Teams gehen mit kleinerer Belegschaft an den Start, stocken die Mitarbeiterzahl dafür aber im zweiten und dritten Jahr nach Gründung stärker als bisher auf. Unter dem Strich fallen die Startup-Teams aber selbst im dritten Jahr mit durchschnittlich 39 Mitarbeitern 28 Prozent kleiner aus. Die gesunkenen Erwartungen schlagen sich auch in einer bescheideneren Kapitalplanung nieder. Wie bereits im ersten Quartal wollen die Gründer im Schnitt bis zum Break-even mit nur 1,2 Millionen Euro an Fremdkapital auskommen.

Allerdings liegt die neue Bescheidenheit nicht nur an dem verstärkten Blick auf die Kosten, merkt Capitix-Initiator Oliver Bube an. So hätten die anvisierten Projekte kaum mehr die Dimension wie noch vor einem Jahr, nachdem etwa die Frist für die Entwicklung aufwendiger UMTS-Anwendungen bereits abgelaufen sei.

Weniger Umsatz gleich weniger Mitarbeiter lautet das Fazit der kapitalsuchenden IT-Startups aus der gegenwärtigen Konjunkturflaute.   Quelle: Capital Stage
Weniger Umsatz gleich weniger Mitarbeiter lautet das Fazit der kapitalsuchenden IT-Startups aus der gegenwärtigen Konjunkturflaute.   Quelle: Capital Stage

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach wie vor soll das meiste eingeworbene Kapital in den Vertrieb fließen. Immerhin 45 Prozent der kapitalsuchenden Startups wollen in den Aufbau eines Handelsnetzes investieren, allerdings versuchen sie auch hier zu sparen. So beabsichtigen viele Antragsteller, ihre Produkte indirekt über Partner an den Kunden zu bringen. Ob Reseller oder Systemhäuser überhaupt die erforderliche Kapazität oder Motivation haben, werde dabei aber kaum hinterfragt, bemängelt der Capitix-Initiator. Lediglich reifere Startups präsentieren aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit nun konkrete Umsetzungsmöglichkeiten, stellt Bube fest.

Unter dem Strich vermisst der Hamburger immer noch häufig eine nachvollziehbare Bottom-Up-Planung, eine realistische Einschätzung der Vorlaufzeiten vom ersten Kundenkontakt hin zum Zahlungseingang sowie ein Konzept, indirekte Vertriebspartner erfolgreich zu motivieren und provisionieren. Positiv liest sich dagegen die Tatsache, dass erstmals seit dem CAPITIX-Bestehen mehr Kapital für den Bereich Entwicklung/Programmierung als für Werbemaßnahmen ausgeben wollen.

Die meisten Beteiligungsanfragen (44 Prozent) erhielt Capital Stage von Softwarefirmen gefolgt von Anbietern von New-Media/Mobile-Lösungen (28 Prozent) sowie Betreibern von Internet-Portalen und -Plattformen (18 Prozent). Die Erfolgschancen der Bereiche werden von der VC-Gesellschaft Capital Stage IT/New Media allerdings unterschiedlich bewertet: Nach Einschätzung der sind New Media/Mobile-Lösungen aufgrund ihrer hohen Umsatzerwartungen zu den Stars aufgestiegen.

CAPITIX

Das branchenspezifische Trendbarometer "CAPITIX" (Capital Stage Information Technology Index) wurde erstmals im dritten Quartal 2001 aufgelegt. Die Initiative von Capital Stage IT/New Media, einer Tochter der Hamburger Finanzdienstleistungsgruppe Capital Stage AG, soll nach den Worten von Geschäftsführer Oliver Bube mit dazu beitragen, den angesichts vieler Internet-Pleiten und allgemein schwacher Marktlage derzeit etwas angekratzten Ruf der IT-Industrie wieder aufzupolieren.

Grundlage der Indexberechnung sind Beteiligungsanfragen von Unternehmen aus dem IT- und New-Media-Sektor. Dabei werden - selbstverständlich streng anonym - relevante Daten der Newcomer wie Mitarbeiter- und Umsatzplanung, Zeitkorridor bis zum Break-even sowie eigene Investitionen verdichtet und gegen bereits existierende und vergleichbare Beteiligungen im Capital-Stage-Portfolio gespiegelt. Wissenschaftlicher Beirat bei der Entwicklung des CAPITIX war Assistenzprofessor Stefan Buse vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg. Für den Index im zweiten Quartal 2002 wertete Capital Stage IT/New Media 68 Bewerbungen aus, allerdings enthielten nur 44 Businesspläne alle erforderlichen Angaben.

Auch den Anbietern von ASP-Lösungen räumt der Hamburger Risikokapitalgeber ein hohes Potenzial ein, da die vertretenen Firmen im Segmentvergleich den kürzesten Zeitraum zum Break-even versprechen. Wermutstropfen sind jedoch die vergleichsweise niedrigen Umsatzerwartungen. Als "Cashburner" stuft Capital Stage dagegen die Bewerber der Bereiche Internet, Kommunikations-/Kollaborationssoftware, ERP-Software sowie Analysesoftware/Middleware ein: Diese brauchen allesamt vergleichsweise lange bis zum Break-even, bieten jedoch nur unterdurchschnittliche Umsatzerwartungen.