Franzosen erobern Europas Dienstleistungsmarkt

Cap Gemini Sogeti hat SCS und Hoskyns fest in der Hand

27.07.1990

MÜNCHEN (bk) - Die Software- und Serviceanbieter in Europa bündeln ihre Kräfte.

Für Furore sorgte jetzt die Cap Gemini Sogeti SA (CGS), die innerhalb weniger Tage den

Hamburger DV-Dienstleister SCS kaufte und eine Mehrheitsbeteiligung an der britischen Hoskyns-Gruppe erwarb. Schon vor einigen Monaten hatte Cap Gemini angekündigt, künftig eine aggressive Wachstumspolitik in Europa zu betreiben.

Expandieren, so verlautete damals aus Paris, wolle man vor allem durch entprechende Firmenakquisitionen und Beteiligungen an DV-Dienstleistungsunternehmen. Jetzt haben die Franzosen diese Absicht innerhalb weniger Tage in die Tat umgesetzt.

Zuerst schlug die Stunde für die SCS Scientific Control Systems GmbH, Hamburg. Für rund 79 Millionen Mark will Cap Gemini die deutsche Tochter des britischen Softwarehauses SD-Scicon übernehmen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde bereits unterzeichnet, zustimmen muß allerdings noch das Bundeskartellamt. Die Billigung der Berliner Wettbewerbshüter wird in drei bis vier Wochen erwartet.

Der Deal, der doch einigermaßen überraschend kam, war schon längere Zeit in Vorbereitung. Erklärt Michael Schlindwein, Mitglied der SCS-Geschäftsleitung: "Ausgelöst wurde der Eigentümerwechsel durch die spezielle Situation unserer bisherigen britischen Muttergesellschaft. Die SD-Scicon benötigte Geld, um auf eventuelle Aktionen ihres größten Shareholders British Aerospace vorbereitet zu sein." Diese Gesellschaft hält derzeit einen Anteil von 26 Prozent an SD-Scicon, hatte aber schon im vergangenen Jahr signalisiert, nach dem 1. April 1990 über diese Beteiligung "nachzudenken". Schlindwein: "Unser bisheriger Eigentümer muß seitdem damit rechnen, daß British Aerospace entweder ein Angebot für die gesamte Gesellschaft macht, was nach britischem Börsenrecht möglich ist, oder ihren SD-Scicon-Anteil an einen Dritten veräußert mit der Konsequenz, daß dieser neue Investor sich für die gesamte Gesellschaft interessiert." Da dies die SD-Scicon an den Rand eines gefährlichen Hostile Take-over bringen würde, habe das britische Softwarehaus beschlossen, die deutschen Aktivitäten zu verkaufen, um "Geld in der Kriegskasse zu haben".

Den neuen Eigentümer Cap Gemini bewertet Schlindwein als vorteilhaft. Zum einen seien bei der französischen Gesellschaft keine unsicheren Beteiligungsverhältnisse gegeben, zum anderen werde man Mitglied einer internationalen Gesellschaft, die eine hohe und effektive Unternehmenskultur aufzuweisen habe. "Durch Cap Gemini", hofft Schlindwein, "ist jetzt auch die Türe zu den Auslandsmärkten offen, auf denen wir uns bislang kaum oder gar nicht bewegten, so zum Beispiel die in Frankreich, Italien und Skandinavien."

Aber auch die Hamburger kommen nicht mit leeren Händen. Cap Gemini, so Schlindwein, könne vor allem von den SCS-Industrieprodukten profitieren. So beschere der Deal den Franzosen zum Beispiel ein Produktionsplanungs- und -steuerungssystem sowie ein Qualitätssicherungs-System. Diese Produkte fehlten bislang im Produktprogramm von Cap Gemini. Bernd Lantermann, Geschäftsführer der Cap Gemini Sesa Deutschland GmbH in München und bis Mai 1988 Vorsitzender der SCS-Geschäftsführung, sieht ebenfalls positive Effekte: "Es gibt viele Themen, wo wir uns als Schwestergesellschaften gegenseitig verstärken können. Darüber hinaus verschafft uns die höhere Zahl der Mitarbeiter die Möglichkeit, Projekte, für die beide Unternehmen das Know-how mitbringen, noch besser durchzuführen." Mit den 700 Betriebsangehörigen von SCS verfügt Cap Gemini in der Bundesrepublik nun über einen Personalstamm von 1200 Mitarbeitern.

Die SCS wird in ihrer bisherigen Unternehmensstruktur - dazu gehören die drei Bereiche Industrie, Kommunikationstechnik und Dienstleistungen sowie die Tochtergesellschaften SCS Systemtechnik GmbH für Industriestandardprodukte und die SCS Personalberatung GmbH - nicht verändert werden. An eine Fusion mit der Cap Gemini Sesa Deutschland GmbH, München, ist nicht gedacht. Beide Gesellschaften sollen unabhängig voneinander im deutschen Markt operieren - allerdings laut Schlindwein mit dem Versuch, durch "fachliche und vertriebliche Abstimmungen möglichst hohe Synergien herzustellen". Zu steuern hat dies Kaj Green (48), Area Vice-President von Cap Gemini, der mit Sitz in Hamburg der SCS-Geschäftsführung vorstehen wird.

Mehrheit bei der Hoskyns Group

Der SCS-Deal war noch in aller Munde, da tätigte Cap Gemini bereits einen neuen Schachzug. Sehr zum Unwillen mancher britischer Politiker kauften sich die Franzosen mit 69,5 Prozent mehrheitlich bei der Londoner Computer-Dienstleistungsgesellschaft Hoskyns Group Plc. ein. Hoskyns ist eine Tochtergesellschaft von Plessey Co., die seit einiger Zeit zu gleichen Teilen der General Electric Co. (GEC) und der Siemens AG gehört. Das Geschäft kostete Cap Gemini 199 Millionen Pfund (knapp 600 Millionen Mark).

In einem zweiten Angebot an die verbleibenden Hoskyns-Aktionäre will Cap Gemini bis Ende 1992 den Rest des Aktienkapitals erwerben. Darüber hinaus sieht die Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen vor, daß Hoskyns als Mitglied der Cap-Gemini-Sogeti-Gruppe eigenständig unter der bisherigen Unternehmensleitung weiterarbeitet Aufgestockt wird aber der Verwaltungsrat der britischen Gesellschaft: Von Cap Gemini Sogeti kommen Serge Kampf, Michael Jalabert und Christer Ugander neu hinzu.

Hoskyns, 1964 gegründet, ist im britischen Markt die Nummer eins bei den DV-Dienstleistern. Von den insgesamt 3800 Belegschaftsangehörigen arbeiten allein 3600 in Großbritannien. 1989 setzte die Gruppe, die seit dem vergangenen Jahr auch eine Niederlassung in Frankfurt unterhält, knapp 189 Millionen Pfund (567 Millionen Mark) um, der Gewinn lag bei 15 Millionen Pfund (45 Millionen Mark). Spezialisiert haben sich die Briten auf Systemintegration und Facilities-Management.

Trat der Londoner DV-Dienstleister außerhalb der Landesgrenzen bislang nur unwesentlich in Erscheinung, so trifft ähnliches für Cap Geminis Präsenz im britischen Software- und Servicemarkt zu. Zwar unterhalten die Franzosen bereits seit einigen Jahren eine eigene Niederlassung - derzeit sind dort 120 Mitarbeiter beschäftigt - und haben auch einen 23prozentigen Anteil an dem britischfranzösischen Softwarehaus Sema Group erworben, doch zu großen Sprüngen reichte es auf der Insel bisher nicht Durch den Erwerb der Mehrheit an Hoskyns hat sich dies mit einem Schlag geändert

Angst, sich bei den zahlreichen Firmenzukäufen einmal zu verzetteln, hat Cap Gemini Sogeti nicht. Lantermann: "Unsere Strategie ist es nun einmal, auch durch Akquisitionen zu wachsen. Darin sind wir seit Jahren geübt."

Deshalb werde man auch in Zukunft vor allem in den Ländern besondere Akquisitionsanstrengungen unternehmen, in denen die Gesellschaft noch nicht so stark vetreten ist.

So haben die Franzosen mit den USA bereits ein neues Land im Visier. Lantermann: "Mit den derzeit dort beschäftigten 3000 Mitarbeitern sind wir für die Größe des US-Marktes noch zu klein."