Schafft BMFT-Programm den internationalen Anschluß?

CAD/CAM-Szene von Unsicherheit geprägt

27.01.1984

530 Millionen Mark stellt der Bundesminister für Forschung und Technologie (BMFT), Heinz Riesenhüber, in den nächsten vier Jahren an Fördermitteln für Entwicklungsprojekte bereit. Erstmalig soll dabei auch Anwendern von CAD/CAM-Systemen mit nicht unerheblichen Zuschüssen unter die Anne gegriffen werden. Klaus Richter, Leiter des Fachprogramms CAM bei der Scientific Consulting. Köln, stellt in seinem Beitrag dar, wer in den Genuß dieser Gelder kommt und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind. Er zeigt aber auch die Probleme bei der CAD/CAM-Anwendung auf, die solch eine Maßnahme überhaupt erforderlich machen.

Eigentlich sollte man annehmen, daß ein Förderprogramm, das sich durch ein unbürokratisches Antragsverfahren, hohe Mittelausstattung, akzeptable Förderquote, Anwendungsbezug und unternehmerische Gestaltungsfreiräume auszeichnet und sich auf eine in der Bundesrepublik Deutschland bisher vernachlässigte neue Technologie konzentriert, allen Ortes nur Zustimmung und Lob finden sollte. Dennoch: Ansatzpunkte zur Kritik gibt es auch hier.

Da ist zunächst einmal der begrenzte Kreis der Antragsberechtigten. Nur wenige tausend deutsche Unternehmen der fertigungstechnischen Industrie kommen in den Genuß dieser Fördermaßnahme. Dies aber nicht zu knapp: Denn wer es geschickt anstellt, kann es leicht zu einer Bezuschussung von erheblich über 40 Prozent bringen - und dabei geht es stets mit rechten Dingen zu.

Übrigens sollte sich niemand entmutigen lassen, der meint, er gehöre nicht zum Kreis der Antragsberechtigten. Auch wer nach genauem Studium der Richtlinien feststellen muß, daß der Forschungsminister bei der Abfassung des Programms an ihn wohl nicht gedacht hat, braucht nicht leer auszugehen. Denn mit Hilfe anderer Zuschußmöglichkeiten können meist auch die erträumten 40 Prozent erreicht werden.

Millionen in die CAD/CAM-Maschinerie

Und dann wären da noch die Hersteller der CAD/CAM-Systeme. Angenommen, es würden "nur" etwa 1000 Firmen im Rahmen des Programms gefördert werden, so entspricht dies einem Marktvolumen von rund 600 Millionen Mark für neu zu errichtende CAD/CAM-Systeme (Hardware und Software). Diesem Betrag sind noch die notwendigerweise anfallenden Beratungskosten und Entwicklungsaufträge für Software hinzuzurechnen. Ganz abgesehen davon, daß eine Förderung, die sich auf einen ausgewählten und oftmals schwer abgrenzbaren Kreis von Unternehmen konzentriert, zwangsläufig alle Konkurrenten oder Zulieferer mitreißt, ebenfalls CAD oder CAM bei sich einzuführen.

Der durch dieses Programm in Bewegung gebrachte Markt für CAD/ CAM-Systeme in der Bundesrepublik Deutschland dürfte darum noch um ein vielfaches größer sein als die sich rein rechnerisch ergebenden 600 Millionen Mark.

Hier nun liegt der Ansatzpunkt für weitere Kritik: Die Fördergelder kommen über den Kauf von Computern in überwiegendem Maße amerikanischen Firmen zugute, die in Deutschland ihre CAD- oder CAM-Systeme vertreiben. Oder überspitzt formuliert: Rund eine halbe Milliarde Mark des bundesdeutschen Steueraufkommens fließen aus dem Subventionssäckel des BMFT auf geradlinigem Weg in die Kassen der großen amerikanischen Computerkonzerne. Kann das der Sinn eines Förderprogramms sein, das sich zum Ziel gesetzt hat, überwiegend kleinen und mittleren deutschen Unternehmen der Maschinenbaubranche zu helfen?

Mit Sicherheit sollte man annehmen, daß das Forschungsministerium bei den Vorüberlegungen zu diesem Förderprogramm auch dies gründlich bedacht hat. Wenn es sich trotzdem zu diesem Programm entschlossen hat, so tat es das im Bewußtsein, daß der bundesdeutschen fertigungstechnischen Industrie sofort geholfen werden muß und außerdem ein Warten auf eine erstarkende deutsche Computer- und Softwareindustrie nicht zur Vernachlässigung eines volkswirtschaftlich wichtigen, traditionsmäßig exportorientierten Wirtschaftszweiges führen darf.

Förderung mehr als notwendig

Darüber hinaus hat der BMFT genau beobachtet, welche Subventionsmaßnahmen die ausländischen Konkurrenten ergreifen. In den USA, Japan, Frankreich und Großbritannien gibt es zum Teil seit längerem Förderprogramme vergleichbaren beziehungsweise größeren Volumens, die speziell auf die Schwerpunkte CAD/CAM, flexible Fertigungssysteme und Industrieroboter-/Handhabungssysteme abgestellt sind.

Daß ein derartiges Förderprogramm unter diesen Randbedingungen mehr als notwendig war, müssen auch die meisten Kritiker zugeben. Daß das neue Programm in Anlehnung an das Sonderprogramm Mikroelektronik als indirekt-spezifische Fördermaßnahme konzipiert wurde, ist eigentlich nur zu begrüßen. Wer hier Kritik übt, kann oder will nicht begreifen, daß das in der Vergangenheit favorisierte Verfahren der direkten Projektförderung stellenweise zu forschungsbürokratischen Wucherungen geführt hat, die dem Ministerium für Forschung und Technologie den Vorwurf einbrachten, es sei eine technologieverhindernde Institution. Dies war dem jetzigen Bundesforschungsminister, wie wir aus seinen Reden und Veröffentlichungen wissen, seit Jahren bekannt.

Frisch im Amt, begann Dr. Riesenhuber in der Forschungsförderungspolitik neue Akzente zu setzen. So wurde aus den guten Erfahrungen mit dem Programm "Anwendung der Mikroelektronik", das sein Vorgänger Andreas von Bülow kreierte, das neue Progamm zur Förderung der Anwendung von CAD/CAM.

Förderungsfähige Projekte im Programm Fertigungstechnik (CAD/ CAM) gliedern sich in zwei Phasen. Die Phase I, die vor der Entscheidung über die Technologiebeschaffung (Hardware und Software) liegt, umfaßt Systemanalysen, Mitarbeiterschulung, Alternativ- und Realisierbarkeitsuntersuchungen sowie die Erstellung von Anforderungs- und Leistungskatalogen.

In der zweiten Phase wird vor allem die Beschaffung der Hardware und Software und damit zusammenhängende Entwicklungsarbeiten durch Dritte, wie etwa Softwaremodifizierung, Anpassung des Systems an die betriebsspezifischen Erfordernisse oder die Mitarbeiterschulung gefördert.

An die einzuführenden CAD/ CAM-Systeme werden bestimmte Mindestanforderungen gestellt: Ein CAD-System ist als ein dialogorientiertes Datenverarbeitungssystem mit Benutzerführung definiert, das die Möglichkeit einer graphisch-interaktiven Bearbeitung in den Funktionsbereichen Projektierung, Entwicklung und Konstruktion enthält. Das System verfügt über einen oder mehrere Bildschirmarbeitsplätze, einen Rechner oder Rechneranschluß mit mindestens 16-Bit-Wortbreite und laßt durch seinen modularen Aufbau eine schrittweise Erweiterung zu. Die zu entwickelnden Anwenderprogramme müssen in einer höheren Programmiersprache geschrieben werden.

Ein CAM-System im Sinne der Richtlinien ist ein dialogorientiertes Datenverarbeitungssystem mit Benutzerführung, das die Möglichkeit einer interaktiven Sachbearbeitung am Bildschirm in mehreren Funktionsbereichen enthält, so die Produktionsplanung, Material- und Zeitwirtschaft und die Auftragsfortschrittskontrolle.

Höhere Programmiersprache erforderlich

Alle Funktionsbereiche sind auf einer gemeinsamen Datenbasis aufgebaut. Das System verfügt über einen oder mehrere Bildschirmarbeitsplätze, einen Rechner oder Rechneranschluß mit mindestens 16 Bit Wortbreite und laßt durch seinen modularen Aufbau schrittweise Erweiterungen zu. Die zu entwickelnden Anwenderprogramme müssen - wie bei CAD - in einer höheren Programmiersprache geschrieben werden.

Diese Anforderungen sollten eigentlich von jedem am Markt verfügbaren modernen CAD/CAM-System erfüllt werden können. Bei früheren Systemen fehlte oft die Abstützung auf ein leistungsfähiges Datenbanksystem oder sie waren vollständig Batch-orientiert aber heute bietet fast jedes Produkt mindestens 16 Bit und eine höhere Programmiersprache.

Doch die Tücke liegt im Detail. Die Benutzerführung läßt oft manches zu wünschen übrig und die Dialogverarbeitung enttäuscht durch extrem lange Antwortzeiten.

Im CAD-Bereich werden die Turnkey-Systeme hart bedrängt von den portierbaren Softwarelösungen, und in zunehmendem Maße fordern auch Mikrorechner ihren Marktanteil. Anwender, die eine integrierte Lösung im Produktionsbereich anstreben, fordern die volle Integrierbarkeit der CAD-Systeme. Im Gespräch sind derartige Ankopplungen seit Jahren; doch realisierte Lösungen muß man suchen.

Im CAM-Bereich (PPS und benachbarte Bereiche) bieten die Hardwarehersteller gewöhnlich zunächst ihre eigenen Softwarepakete an. Diese Standardpakete sind überwiegend auf die Bedürfnisse einer Serienfertigung abgestellt und darum für die meisten Hersteller fertigungstechnischer Einrichtungen ungeeignet. Die Nachfrage nach Systemen, die die speziellen Anforderungen einer überwiegend kundenspezifischen Auftragsfertigung mit kleiner Serienfertigungskomponente berücksichtigen, ist jedoch groß.

Viele Anwender resignieren

Da viele Anwender über zu geringe Marktkenntnisse im Softwarebereich verfügen, geben sie nach kurzer Zeit die Suche nach einem geeigneten Standardsoftwarepaket resignierend auf und begeben sich, "da für ihre speziellen Anforderungen sowieso nichts paßt", auf den nicht ungefährlichen und außerdem recht kostspieligen Weg der Individualprogrammierung.

Den Aufwand, den die Entwicklung eines kompletten PPS-Systems erfordert, schätzen viele zu niedrig ein. Unter Kosten- und Leistungsdruck stehend, geraten die betriebseigenen Systemanalytiker und Programmierer in die Gefahr, aus Einsparungsgründen das Grundgerippe des Systems zu mager auszustatten oder gar beim Datenbankdesign Fehler zu begehen, die noch Jahre später Anlaß zu heftigen Flüchen geben, wenn bestimmte Anwendungen nicht oder nur schwer realisierbar sind.

Hat man das für dieses gründliche Nachdenken erforderliche Know-how nicht im eigenen Haus, so kann man einen qualifizierten Fachberater hinzuziehen, der dem Unternehmen für eine gewisse Zeit das - ja nur einmal benötigte - Know-how zur Verfügung stellt.

Schließlich ist die Einführung eines CAD/CAM-Systems eine unternehmensstrategisch relevante Entscheidung. Die Leistungsfähigkeit des Systems beeinflußt direkt die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Fehlentscheidungen in diesem Bereich haben schwerwiegende Folgen.