Nationale Monopole blockieren Satellitenkommunikation

Brüssel tüftelt Strategie für den orbitalen Netz-Wettbewerb aus

16.11.1990

BRÜSSEL (CW) - Die EG-Kommission in Brüssel räumt weiter mit den nationalen Postmonopolen auf. Nach der Liberalisierung der Telekommunikation steht jetzt die Reform der Satellitenkommunikation auf der Tagesordnung. Ende November wollen die Eurokraten ein entsprechendes Grünbuch präsentieren.

Noch vor dem Treffen der Postminister der zwölf EG-Staaten am 27. November 1990 in Brüssel wird die Euro-Behörde, so munkeln Insider, ihr Grünbuch mit dem Titel "A Common Approach in the Field of Satellite Communications in the European Community" offiziell auf den Tisch legen. Der Grund: Die Kommission will den Liberalisierungsprozeß auf diesem Gebiet schnellstmöglich in Gang bringen, um noch vor 1993 erste Erfolge zu erzielen.

Das Problem der Satellitenkommunikation ist ähnlich gelagert wie noch vor kurzem das der Telekommunikation. In fast allen EG-Ländern haben die jeweiligen Postverwaltungen nicht nur das Monopol auf den Datentransfer via Weltraum, sondern auch über die erdgestützten Anlagen. Folge dieser Alleinherrschaft ist die Konzentration des Satellitengeschäfts auf rein nationale Märkte. Für potentielle Anwender ist es daher nahezu unmöglich, über die Landesgrenzen hinaus Daten orbital als Alternative zur terrestrischen Übertragung zu übermitteln.

Wie wenig die "außerirdische" Kommunikation in der Alten Welt genutzt wird, beweist ein Vergleich mit den USA. "Im Gegensatz zu rund 40000 Very Small Aperture Terminals (VSATs) in den Vereinigten Staaten sind in Europa nur wenige hundert installiert", heißt es in einem Entwurf der EG-Kommission zu dem angekündigten Grünbuch. An diesen Zustand werde sich, so ein Sprecher der EG, nichts ändern, solange europäische Hersteller am Markt keine Nachfrage nach Satelliten-Services verspüren und das Geschäft keine Aussicht auf Erfolg verspricht.

Für die Brüsseler Beamten bestand aufgrund dieser Marktsituation und im Hinblick auf den Binnenmarkt dringender Handlungsbedarf. Abhilfe soll die Neuordnung der Betreiberrechte schaffen. Nach dem Strickmuster der zuvor in Europa forcierten TK-Liberalisierung will die EG-Kommission den Markt jetzt für viele Anbieter öffnen. Zum einen soll dadurch die Wettbewerbsgleichheit europäischer Satellitennetz- und Servicebetreiber auf dem Weltmarkt hergestellt, zum anderen das Angebot für Kunden deutlich erhöht und vor allem über die nationalen Grenzen hinaus ausgedehnt werden.

Das Regelwerk sieht vier große Eingriffe vor

Vier wesentliche Eingriffe, so wurde bekannt, sieht das neue Regelwerk der EG-Behörde vor. Erstens soll der Markt für erdgestützte Systeme, einschließlich aller bisher gültigen Exklusivrechte, eine völlige Liberalisierung erfahren. Das bedeutet, daß künftig jeder Anbieter sowohl Empfangs- als auch Sendeanlangen betreiben und vermarkten darf, auch wenn diese mit dem öffentlichen Netz verbunden sind.

Zweitens plant die Kommission, auch private Betreiber von Satellitennetzen mit Lizenz zuzulassen. In den USA längst Regelfall, durften in Europa bislang nur die PTTs solche Kommunikationstrabanten in die Erdumlaufbahn schicken und deren Kapazitäten anbieten. Künftig, so sieht es die dritte Regulierung vor, haben alle lizenzierten Betreiber orbitaler Netzt das Recht, ihre Satellitenressourcen direkt an Serviceanbieter und Kunden zu vermieten.

Im diesem Zusammenhang schlagen die Brüsseler vor, daß auch die Eutelsat, die "European Telecommunications Satellite Organization", die volle kommerzielle Freiheit bei der Vermarktung der Dienste behalten soll. Für die Organisation, die mehrheitlich in Händen der nationalen PTTs ist, würden damit die gleichen Rechte im Wettbewerb sichergestellt, wie sie auch für private Anbieter gelten.

Viertens schließlich soll jeder Anbieter von Satellitennetzen und -diensten, der in einem Land zugelassen wurde, automatisch die Berechtigung haben, in jedem anderen EG-Staat sein Angebot zu vermarkten. Einzige Einschränkung für alle Privaten: Sprachdienste sind verboten, weil dieses Monopol der nationalen Carrier nicht an getastet wird.

Mit den genannten Vorschlägen versucht die EG-Kommission, einen Kompromiß zwischen zwei Fronten innerhalb der Gemeinschaft zu finden. Während sich das eine Lager mit Vorreiter Großbritannien für eine vollständige Liberalisierung der Satellitenkommunikation ausspricht, befürwortet die andere Seite mit Frankreich und Belgien an der Spitze weiterhin eine staatliche Kontrolle bei der Vergabe von Betreiberlinzenzen.

Nach Angaben von Filippo Maria Pandolfi, dem für Industriepolitik zuständigen EG-Kommissar bestehen gute Aussichten, mit den unter Mithilfe der Senior Officials Group on Telecommunications (SOGT) ausgearbeiteten Richtlinien beide Seiten zufriedenzustellen und damit eine Lösung zwischen Liberalisierung und Harmonisierung zu erzielen.