Borland: "Wir sind die Schweiz der Softwarebranche"

30.10.2001
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Vor drei Jahren stand Borland das Wasser noch bis zum Hals. Inzwischen haben sich die kalifornischen Softwerker stabilisiert und drängen in den Markt für Anwendungsintegration. Mit Josef Narings, dem Zentraleuropa-Chef von Borland, sprach CW-Redakteur Alexander Freimarküber die neue Strategie.

CW: Neben dem Stammgeschäft mit Entwicklungs-Tools sucht Borland sein Glück jetzt auch verstärkt im Bereich der Enterprise Application Integration (EAI). Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Narings: Die Kunden haben mit unseren Werkzeugen traditionell ihre Programme entwickelt, aber die Welt hat sich gravierend verändert. Sie finden jetzt viele unterschiedliche Multitier-Anwendungen vor, zudem müssen alte Systeme an das Web angekoppelt werden. Sie sind also auf Connectivity angewiesen und müssen auf Legacy-Systeme zugreifen. Wir stellen die Middleware zur Verfügung, die darüber liegenden Applikationen sowie das Fachwissen für die Integration stammen von unseren Partnern.

CW: Partnerschaften gelten dieses Jahr für Softwarefirmen als Allheilmittel. Was erwarten Sie davon für Impulse?

Narings: Ohne Partnerschaften haben Sie stets Nachteile in puncto Geschwindigkeit, Wachstum und Ressourcenverbrauch. Mit Partnern können wir schneller und weiter expandieren. Wenn sich unsere Tools und ihre Kompetenz verbinden, entstehen Lösungen, die der Kunde braucht.

   Turnaround: Ein neuer Chef sowie die üppige Finanzspritze des einstigen Erzrivalen Microsoft haben das Überleben der kalifornischen Softwerker gesichert. Allerdings haben sich die Terroranschläge in den USA auf das Ergebnis des dritten Quartals 2001 ausgewirkt.  
   Turnaround: Ein neuer Chef sowie die üppige Finanzspritze des einstigen Erzrivalen Microsoft haben das Überleben der kalifornischen Softwerker gesichert. Allerdings haben sich die Terroranschläge in den USA auf das Ergebnis des dritten Quartals 2001 ausgewirkt.  

CW: Aber Borland hatte doch schon immer jede Menge Partner. Was ist an dem Konzept neu?

Narings: Als ich im vergangenen Frühjahr hier angefangen habe, war ich ziemlich erstaunt, wie viele Partnerfirmen auf unseren Web-Seiten verzeichnet waren. Häufig konnten wir überhaupt nicht mehr nachvollziehen, was genau die einzelnen Unternehmen mit unseren Produkten anstellen. Da musste ich einen drastischen Schnitt machen, denn einige wenige Partner, die man guten Gewissens empfehlen kann, sind mir lieber. Daher unterstützen wir unsere Partner inzwischen mit Zertifizierungen und schulen sie.

CW: Das Modell erinnert an die Vorgehensweise von Microsoft. Können Sie von denen in puncto Partnerbindung noch was lernen?

Narings: Im klassischen Ansatz einer Zertifizierung läuft das Verfahren bei Borland genauso wie bei Microsoft ab. Allerdings üben wir keinen so starken Druck aus, denn wir stehen für eine freie Welt und wollen kein Geld mit der Zertifizierung verdienen. Wenn ein Partner jedoch erwartet, dass wir ihm Business bringen, muss er unsere Produkte kennen und sich zertifizieren lassen.

CW: Um Java, eines Ihrer Kerngebiete, ist es in der letzten Zeit ruhig geworden. Was bleibt nach dem Hype?

Narings: Mit Java-Tools haben wir in Deutschland sämtliche Rekorde gebrochen. Es werden immer mehr J2EE-Applikationen entwickelt und die Standards der Open Management Group (OMG) auch tatsächlich umgesetzt. Früher sprachen die Leute über White Papers, dann nahmen sie die Arbeit auf, und heute sind die Anwender in den Projekten. Ohne Übertreibung: Der „Jbuilder“ wird uns aus der Hand gerissen.

CW: Dieses Jahr gab es allein im Jbuilder-Umfeld zwei Releases, was nicht gerade begeistert aufgenommen wurde.

Narings: Das stimmt. Es ist kritisch, in rascher Folge neue Releases zu veröffentlichen. Aber die Abstände, in denen Borland neue Versionen auf den Markt bringt, richten sich in der Regel nach den Updates wichtiger Spezifikationen wie beispielsweise J2EE. Wir zwingen unsere Kunden nicht, jeden Trend mitzumachen, aber wir wollen dafür sorgen, dass Anwender stets mit aktuellen Technologien arbeiten können.

CW: Wo sieht sich Ihr Unternehmen selbst im Markt für Entwicklungswerkzeuge?

Narings: Man kann sich Borland etwa wie die Schweiz vorstellen, weil wir eine neutrale Position einnehmen. Mit unseren Tools kann der Kunde alles machen, ohne dass er seine alte IT über Bord werfen muss. Zwar ist Borland bei weitem nicht so groß wie Microsoft, aber wir setzen inzwischen einen gewissen Qualitätsstandard im Markt. Bei hohen Anforderungen kauft der Kunde ein Schweizer Messer oder eben einen Jbuilder.

CW: Sie schreiben, nachdem Sie mehr oder weniger vor der Pleite standen, nun seit fünf Quartalen schwarze Zahlen. Wie erklären Sie sich das?

Narings: Wir haben uns endlich darauf besonnen, was wir können. Es gibt eine klare Botschaft, klare Produktbereiche und ein enges Verhältnis zu unseren Kunden. Durch den Anwenderdialog über die Newsgroups erhalten wir ein rasches Feedback zur Qualität unserer Programme. Das kann manchmal auch wehtun, hat sich aber ausgezahlt, um den Fokus wieder zu finden.

Den kompletten Beitrag lesen Sie in der COMPUTERWOCHE 44/2001.