Bewerbung: Die Lügen der Unternehmen

28.01.2009
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Flexible Vergütung, Firmenwagen, Weiterbildung: Wenn Firmen hier mehr versprechen, als sie halten können, rächt sich das bitter.

Beim Vorstellungsgespräch hörte sich alles super an: "Wir bilden unsere Mitarbeiter systematisch weiter, das ist Priorität der Geschäftsführung." In dem großen IT-Beratungshaus galt das aber nicht für erfahrene Projekt-Manager, die an verschiedenen Brandherden verheizt werden sollten, schildert uns ein Online-Leser. Was Firmen versprechen und was sie halten, sind manchmal leider zwei unterschiedliche Dinge.

Ein besonders heikles Thema sind Restrukturierungen, die im Zuge der Finanzkrise oft anstehen, aber mitunter nicht offen angekündigt werden. So berichtet Personalberater Dieter Kastenhuber von Ray & Berndtson von einem Bewerber, der seine bisherige Stelle gekündigt und den neuen Arbeitsvertrag schon unterschrieben hatte. Als er seinen neuen Job antreten wollte, gab es diesen nicht mehr, da das Unternehmen aufgekauft worden war. Unterschlagene Informationen, manchmal auch dreiste Lügen machen es den Bewerbern schwer, herauszufinden, wie es wirtschaftlich um die Lage des Unternehmens bestellt ist. So erging es auch Simone Manz (Name von der Redaktion geändert), die zu einer Firma wechselte, die später pleiteging.

Verschleierte Entlassungen

Nach dem Vorstellungsgespräch wurden der IT-Vertriebsfrau auch die Büroräume gezeigt. Ihre Frage nach den vielen leeren Schreibtischen wurde kommentiert mit: "Die Kollegen sind auf der ganzen Welt unterwegs." Hinter einer Glastüre sollten sich noch weitere Büros befinden. Am ersten Arbeitstag musste sie feststellen, dass diese Büros schon Jahre leer standen und die besagten Mitarbeiter entlassen worden waren. Dazu kam, dass die angekündigten "marktführenden Applikationen" schon lange nicht mehr weiterentwickelt wurden. Die versprochenen variablen Gehälter gab es nicht mehr, der angekündigte Dreier-BMW als Firmenwagen entpuppte sich als VW Polo.

Ein anderer Arbeitgeber betonte zwar im Vorstellungsgespräch, wie wichtig ein bestimmter Kunde für ihn sei. Gleichzeitig gab der Mittelständler an, dass es sich nicht auf seine Stabilität auswirken werde, wenn er diesen Kunden verlieren würde. Als schließlich der Kunde verloren ging, wurden sämtliche Mitarbeiter in der Probezeit und auch weitere Beschäftigte entlassen.

Diffuse Zielvorgaben

Vorsicht ist auch geboten beim Thema flexible Vergütung. Personalberater Kastenhuber hat schon erlebt, dass manchmal die unterschiedlichen Ziele, die dem leistungsbezogenen Gehalt zugrunde liegen, nicht klar kommuniziert oder diffus formuliert werden. Einem IT-Berater versprach ein kleines IT-Beratungshaus sogar Geschäftsanteile, sobald er ein strategisch wichtiges Projekt abgeschlossen hätte. Als er das Projekt nach drei Jahren erfolgreich beendet hatte, hielt das Unternehmen dann nicht mehr Wort.

Flexibilität ist ein weiteres Feld, das Arbeitgeber und -nehmer mitunter unterschiedlich interpretieren. So lockte ein IT-Beratungshaus Bewerber damit an, dass sie nicht an den Stammsitz des Unternehmens ziehen müssten. Reise- und Hotelkosten würden stets von den Projekten getragen, in denen sie eingesetzt würden. Allerdings traf diese Aussage nicht auf Projekte am Stammsitz des Unternehmens selbst zu. Die meisten frisch Angestellten mussten daher doch blitzartig umziehen. Ursache der Misere war ein Kommunikationsfehler der Personalabteilung.

Arbeiten ohne Visum

Auch Manfred Renners (Name von der Redaktion geändert) Flexibilität wurde von seinem Arbeitgeber ausgenutzt. Fast ein Jahr lang arbeitete er für seinen Schweizer Arbeitgeber im Vertriebsbüro in den USA. Alle drei Monate flog ihn die Firma aus und wieder in die USA: Ein offizielles Arbeitsvisum sollte er nach einem Jahr erhalten. Durch einen Anwalt erfuhr er, dass dies nicht möglich ist, da die Stempel in seinem Reisepass darauf hindeuten, dass er das gesamte Jahr in den USA verbracht hat. Schließlich versprach der Arbeitgeber Renner doch noch ein Visum, aber nur unter der Bedingung, dass er einen US-amerikanischen Arbeitsvertrag mit einem Urlaubsanspruch von nur acht Tagen unterschreiben würde.

Falsche Versprechungen

Mittlerweile hat der Marketing-Spezialist wie seine drei europäischen Kollegen, die in dem amerikanischen Vertriebsbüro arbeiteten, gekündigt und die Firma verlassen. Heute sagt Renner: "Ich würde nie mehr bei einem Arbeitgeber anheuern, von dem ich nur den Chef in einer weit entfernten Produktionsstätte kenne, ohne die Filiale besucht zu haben, in der man eingesetzt ist." Allerdings ist er sich nicht sicher, ob er bei einem kurzes Treffen vor Ort das Ausmaß der falschen Versprechungen erkennen hätte können.

Fragen für das Vorstellungsgespräch

Wie der Name sagt, ist ein gutes Vorstellungsgespräch keine einseitige Angelegenheit, bei der Personaler den Kandidaten nur ausfragen. Seriöse Unternehmen fordern den Bewerber auf, seine Fragen zu stellen. In der Praxis sind manche Bewerber so darauf konzentriert, sich selbst zu präsentieren, dass ihnen keine Fragen mehr einfallen.

Dagmar Schimansky-Geier, Geschäftsführerin der Personalberatung 1a Zukunft in Bonn, hat sinnvolle Fragen für das Vorstellungsgespräch zusammengestellt:

  • Was genau erwarten Sie von mir?

  • Was werden meine konkreten Aufgaben sein?

  • Wie werden meine ersten drei Monate bei Ihnen aussehen?

  • Mit welchen Kollegen werde ich zusammenarbeiten? (Kann ich diese vorher kennen lernen?)

  • Was gefällt Ihnen persönlich an Ihrem Unternehmen am besten?

  • Was gefällt Ihnen weniger gut?

Nicht gut kommt es dagegen an, wenn man

  • gleich im ersten Gespräch zu viel Wert auf Gehalt und Rahmenbedingungen legt;

  • einen Gehaltswunsch mit seinen persönlichen finanziellen Belastungen begründet;

  • schlecht über gegenwärtige und frühere Arbeitgeber spricht.