Phoenix Contact stellt Weichen für FDDI-Einsatz

Bessere Prozeßsteuerung durch ein flächendeckendes Netzwerk

18.09.1992

Lukas T. Gorys ist Mitarbeiter der Schneider & Koch Datensysteme GmbH in Karlsruhe.

Daß PC-Netzwerke viel mehr zu leisten vermögen, als nur den gemeinsamen Datenbestand einer Textverarbeitung oder der Bürokommunikation zu verwalten, davon sind LAN-Befürworter schon seit Jahren überzeugt. Trotzdem beharren viele DV-Verantwordiche in Großunternehmen noch immer auf der klassischen, zentralisierten DV mit Hostsystemen. Am Beispiel der LAN-basierten DV-Struktur des westfälichen Elektronikunternehmens Phoenix Contact GmbH zeigt Lukas Gorys*, daß die Strategie des Downsizings heute mehr ist als nur ein Modetrend.

Im Jahre 1988 beschloß Phoenix Contact aufgrund des schnellen Wachstums und raschen Ausbaus der Produktpalette, die Konstruktion und Produktplanung auf CAD umzustellen. Allein die Stücklisten hatten im technischen Bereich Dimensionen angenommen, die ohne DV-Unterstützung nicht mehr zu bewältigen waren. Die Verantwortlichen entschieden sich deshalb für den Einsatz der auf Unix basierenden CAD-Systeme ME 10, ME 30 und CAD/EE auf HP-9000-Workstations.

Die Einführung der CAD-Systeme machte ein Umdenken in der DV-Sichtweise des Unternehmens notwendig. Aufgabe der Abteilung Informatik und Organisation war es zu diesem Zeitpunkt, ein zukunftorientiertes und der schnellen Expansion der Firma adäquates DV-Instrument zu finden, das möglichst die gesamte Informationsverarbeitung des Unternehmens mit 2700 Beschäftigten abdecken sollte.

"Wir wollten durch eine flächendeckende DV-Struktur von Anfang an eine Durchgängigkeit der Prozesse realisieren", erklärt Bernd Marner, stellvertretender Leiter der Organisation und Informatik. Von der CAD-unterstützten Konstruktionsabteilung als Ursprungsort jeglicher Daten und Informationen sollten die Informationen zeit- und kostenoptimiert ohne Kommunikationsbrüche den übrigen, nachgeschalteten Bereichen des Unternehmens wie zum Beispiel Produktionsplanung und-steuerung (PPS), Qualitätssicherung, Lagersteuerung und Fertigung bis hin zu Verpackung und Versand zur Verfügung gestellt werden.

Um Kommunikationsbrüche sowie Zeit und Kosten etwa beim überflüssigen Kopieren

von Zeichnungen zu vermeiden, wurde von vorneherein geplant, die mit CAD erstellten Daten über ein Netzwerk von einer Abteilung zur anderen zu transferieren. Erste Erfahrungen mit einem Netzwerk hatte man bei Phoenix schon 1987 gesammelt, als die damals 55 Einzelplatz-PCs zu einem Novell-Netzwerk zusammengeschlossen wurden. In der Folge fungierten die mit Ethernet-LAN-Controller von Schneider & Koch vernetzten PCs per TCP/IP-Emulation als Terminal der Unisys-S8O-Großrechner, wo die kommerzielle DV des Unternehmens wie PPS mit Auftragsverarbeitung, Disposition etc. abgewickelt wird.

Durch die Expansion des Unternehmens standen die Planer gleichzeitig vor der Frage, die ständig neu hinzukommenden Arbeitsplätze- mit Terminals oder mit vernetzten PCs auszustatten. "Die PC-Hardware", erklärt Detlev Hochfeld bei Phoenix Contact Leiter Systeme und Service, "wurde immer preiswerter, was eindeutig für PCs im LAN sprach. "Im nachhinein, so Marner, sei dies die richtige Entscheidung gewesen, wein viele PPS-Anbieter heute nur noch grafikfähige Endsysteme, also PCs und Workstations unterstützen.

Als die Entscheidung für die Installation eines PC-basierten LAN als Firmennetz gefallen war, wurden einige, für die gesamte Firma verbindliche Standardprodukte und -systeme definiert: Alle (neuen) Datenbanken außerhalb der Host-Umgebung (standardmäßig Oracle) werden in der Regel auf Unix-Systemen, alle im PC benötigten Prozramme auf Novell-Fileservern abgelegt. Den parallelen Zugriff des PC auf Netware-Applikationsserver und Unix-Datenbankserver gewährleisten die durch UPPS multiprotokollfähigen SK-NET G8 und G16-Boards von Schneider & Koch, die die IPX- und TCP/IP-Protokolle gleichzeitig abwickeln. Auch die PC-Hardware ist in Bezug auf Controller und Motherboard standardisiert, wird jedoch nicht von einem speziellen Hersteller bezogen.

Von einem zentralen Rechnerraum aus werden über Glasfaser und Multimediasternkoppler von Hirschmann die einzelnen Gebäude des Firmengeländes verbunden. Gelegt wurden je acht 50/125-Glasfaserkabel, die eine weiche Migration zu FDDI erlauben. Auf Etagenebene sorgen Multiportrepeater für die Verteilung der Cheapernet-Koaxsegmente. Zur Lasttrennung und Subnetzbildung werden Bridges eingesetzt.

Vernetzt sind heute in Blomberg 70 Seginente mit insgesamt über 700 PCs und 13 Netware-Fileservern, deren Festplattenkapazität im Gigabytebereich liegt. Jeder Fileserver besitzt zwei gespiegelte Festplatten, die zentral gesichert werden. Integriert sind über 40 CAD-Systeme sowie die beiden Unisys-S80-Großrechner. Außerdem befinden sich rund 30 Apple-Rechner im Netz, die über das Appletalk-Phase-2-Protokoll mit den Netware-Filservern kommunizieren. Dort werden die Produktkataloge erstellt, die auf CAD-Daten der Konstruktion zugreifen können.

Im Sommer 1992 wurde der LAN-Ausbau bei Phoenix Contact zu 90 Prozent realisiert. Die in der Konstruktion entstehenden CAD/CAE-Daten stehen über das Netz und Modems zum Beispiel externen Leiterplatten-Designern und Bestückern zur Verfügung. Die Qualitätssicherung benutzt für ihre CAQ-Programme die Konstruktionsdaten ebenso wie die Fertigung, die Niederlassungen und der PPS-Host für seine kommerziellen Anwendungen. "Wir versuchen, unserem Ziel, sowenig wie möglich Papier zu produzieren, Schritt für Schritt näher zu kommen", erklärt Bernd Marner.

Für Planung, Ausbau, Kontrolle und Betrieb des Mammutnetzes, das inklusive der in Zukunft per DFÜ angeschlossenen internationalen Tochtergesellschaften über 1000 Knoten umfaßt, ist Detlev Hochfeldts 16 Mitarbeiter umfassende Abteilung Systeme und Services verantwortlich, für die die Maxime gilt: keine Aktion ohne Dokumentation. Das gesamte Netz mit Standorten der Knoten, Lizenzen, Hard- und Software-Ausstattung ist in einer Datenbank dokumentiert. Durch die hier erfolgte Erfassung jeder Betriebsstörung können Schwachstellen im Netz analysiert und korrigiert werden. Je nach Wichtigkeit des von einem Problem betroffenen Arbeitsplatzes wird die

Reparaturpriorität gesetzt, so daß für den Betriebsablauf wichtige Geräte (zum Beispiel Server) nur eine geringe Ausfalldauer haben.

Datensicherung findet auf Unix-Rechner statt

Als Netzwerk-Management wird das PC-basierte ISO-View verwendet, das demnächst von dem auf SNMP basierenden HP Openview abgelöst wird. Durch den Einsatz der UPPS-fähigen LAN-Controller läßt sich jeder Netzknoten via SNMP verwalten, da UPPS als derzeit einziger Multiprotokoll-Treiber einen SNMP-Agenten beinhaltet.

Ein weiterer Beweis der Connectivity am Arbeitsplatz ist die bei Phoenix verwendete Drukker-Mimik: Das gesamte Spooling läuft über Novell, auch das Unix-Printspool wird via NFS auf dem Novell Spooler abgewickelt, was das Drucken für Anwender und Systemverwalter erleichtert.

Durch die Datensicherung werden pro Nacht von den Unix-Servern 20 bis 30 Gigabyte gesichert, auf den Novell-Server sind durchschnittlich weitere acht Gigabyte auf optische Datenträger zu sichern. Durch den Einsatz eines HP-Disc-Wechslers ist eine Woche Datensicherung ohne Operator möglich. Spezielle USV werden nicht benötigt, da das gesamte Firmengelände eine eigene Notstromversorgung für die ausfallkritischen Komponenten besitzt. Die verschiedenen europäischen und Übersee-Tochtergesellschaften werden momentan über X.25 miteinander gekoppelt. Für Phoenix Contact steht die transparente Kopplung von LANs im Vordergrund, um eine umfangreiche Palette von Lösungen realisieren zu können. Das WAN soll den Einstieg in Edifact sowohl zwischen Phoenix Contact und seinen Töchtern als auch zwischen den Töchtern und ihren Distributoren ermöglichen.

Schrittweise will Phoenix zudem die jährlich rund 7000 Disketten, die bislang auf dem Postweg hin- und hergeschickt wurden, über das WAN übertragen.

Wie geht es weiter im Phoenix-LAN? Durch die sternförmige Glasfaserverkabelung bietet sich die Nutzung von FDDI an. Der Zeitpunkt ist bereits definiert: Die Host-Rechner, sollen durch die Installation einer auf Unix und Oracle/SQLnet basierenden Multiserver-Architektur abgelöst werden.

Planung des Netzwerkes ist auf FDDI ausgerichtet

Die bisher auf dem Host abgearbeiteten PPS-Programme werden funktionsorientiert auf mehrere Server aufgeteilt, die untereinander init FDDI verbunden sein sollen. Das 100 MBit/s-Netz wird, so Marner, den internen Bus eines Großrechners ersetzen. Nächster Ausbauschritt des FDDI-Netzes soll die Integration der Novell-Fileserver sein. In welcher Zahl die PCs direkt oder indirekt in den FDDI-Ring integriert werden, ist noch nicht entschieden. Fest steht, daß das Endziel, die Errichtung eines Server-Pools, in dem Datenbankserver und Applikationsserver prozeßorientiert optimiert werden, die größere Bandbreite von FDDI voraussetzt.

Mit LAN-basierten DOS-PCs, Unix, Client-Server-Datenbanken unter Oracle und einer prozeßorientierten Infrastruktur setzt Phoenix Contact auf ein DV-Konzept, das eine durchgängige Plattform für alle betrieblichen Funktionen eines Großunternehmens gewährleistet. "Unser Ziel ist, durch eine echte Verzahnung unternehmensweit übergreifender Prozesse sowohl die Zeit von der Entwicklung bis zur Vermarktung sowie die Standardabläufe zu optimieren", erklärt Marner.

Die Phoenix Contact GmbH & Co gehört mit einem jahresumsatz von rund 400 Millionen Mark zu den weltweiten Marktführern elektrischer Verbindungstechnik und elektronischer Interface-Systeme. 1923 gegründet, hat das Unternehmen mittlerweile eine Belegschaftsgröße von mehr als 2700 Mitarbeitern erreicht. Einsatzgebiete der Phoenix-Produkte sind die industrielle Automation, Energieversorgung, Maschinen- und Anlagenbau sowie Gebäude-Installationen.