Kolumne

"Balanceakt für SAP"

05.10.2001
Heinrich Vaske Chefredakteur CW

Jahrelang hatte sich die SAP AG zurückgehalten, doch jetzt ist ein Tabu gebrochen: Die Walldorfer bauen eine internationale "Professional Service Organization" auf und riskieren damit den Konflikt mit ihren weltweiten Beratungspartnern.

Die Interessen von SAP und den assoziierten Beratungs- und Serviceunternehmen waren nie deckungsgleich. Wer sich als Softwarekonzern ganz auf Dritte verlässt, um sein Produkt beim Kunden einzuführen, geht ein hohes Risiko ein. Immer wieder klagten in den vergangenen Jahren Anwender, weil Projekte aufgrund geringer Kompetenz der Berater zeitlich und finanziell aus dem Ruder liefen oder sogar scheiterten.

Doch auch unter den Partnern verschlechterte sich die Stimmung zusehends. Ihre Geschäftsentwicklung hing von der Attraktivität der SAP-Produktpalette ab. Sie erlebten schmerzhaft, wie der Markt für Enterprise Resource Planning (ERP) einbrach, SAP aber für die Wachstumsmärkte Customer-Relationship-Management (CRM) und Supply-Chain-Management (SCM) nicht gerüstet war.

Viele der Service- und Beratungsunternehmen begannen, Know-how rund um die konkurrierenden Produktpaletten von Firmen wie Siebel oder i2 Technologies aufzubauen. Heute stehen sie vor der Entscheidung, Partner dieser Marktführer in den Wachstumssegmenten zu bleiben oder ihre Ressourcen abermals in Richtung New-Dimension-Tools der SAP umzuschichten.

In dieser Phase stellt SAP nun eine eigene, weltweit operierende Servicemannschaft auf - ein Schritt, der zu Verunsicherung führen dürfte. In großen internationalen Projekten wird SAP nicht nur das Sagen haben wollen, sondern auch dafür sorgen, dass Leistung und Qualität der eingebundenen Partner stimmt.

Die Kunden wird es freuen: SAP zieht mit der Professional Service Organization eine Controlling-Instanz ein, um für sichere Projekterfolge zu sorgen. Die Partner dürften weniger begeistert sein: Sie werden SAP vermehrt Rechenschaft über den Verlauf von Projekten geben müssen. Außerdem können sie nicht sicher sein, dass die Walldorfer ihnen in schwierigen Zeiten mit der Service-Unit nicht ihr Geschäft streitig machen.

Für SAP selbst schließlich ist das Vorgehen höchst riskant: Ohne ein Heer von motivierten Partnern wird das Unternehmen seine New-Dimension-Tools nicht an den Kunden bringen. Ein schwieriger Balanceakt steht bevor, zumal es zu diesen neuen Produkten gute Alternativen gibt, für die die ehemaligen Verbündeten bereits Ressourcen aufgebaut haben.