Dbug organisiert erste User-Konferenz

Baan-Anwender: Es fehlen noch einige Perspektiven

28.05.1999
HANNOVER (bs) - Die erste Anwenderkonferenz zeigte es deutlich: Die Grundpfeiler der neuen Organisation von Baan sind zwar gesteckt, doch es fehlt eine klare Produktstrategie. Im Kreuzfeuer der Kritik steht jetzt nicht mehr der Support des Softwarehauses selbst, dafür aber der seiner Partner.

"Wir sind kein Meckerclub, aber wir weisen Baan auf Schwächen im Produkt und Service hin", mit diesen moderaten Worten eröffnete Klemens Hauk, Leiter Anwendungen und Organisation Informationssysteme beim Fahrstuhlproduzenten Otis, in seiner Rolle als Vorsitzender der Deutschen Baan User Group (Dbug), das erste Anwendertreffen in Hannover.

Entsprechend diszipliniert in der Umgangsform, aber hartnäckig in der Sache trugen die rund 100 versammelten Anwender ihre Probleme und Wünsche dem versammelten Baan-Management vor: So fehle es an einer klaren Produktstrategie mit dazugehöriger Roadmap, also wann welche Software-Tools zur Verfügung stünden. Konkret: Baan habe kein oder zumindest kein bekanntes Migrationskonzept für den Wechsel von Version "Baan IVc" auf das neue Produkt "Baan ERP" (siehe Kasten "Revolution statt Evolution"). Offen sind auch andere naheliegende Fragen: Ob und wann der Support von IVc eingestellt und inwiefern das Paket funktional überhaupt noch ausgebaut wird. Karl Heinz Plünneke, zuständig für Produkt-Management bei Baan Co., erklärte gegenüber der CW, daß die weitere Pflege und Wartung von IVc für fünf Jahre garantiert wird.

Anwender befürchten jedenfalls, daß der Wechsel vom Release IVc nach ERP, das laut Baan zu 85 Prozent neu programmiert ist, dem Wechsel von der Mainframe-Software R/2 auf die Client-Server-Lösung R/3 in der SAP-Welt gleicht. In monate- oder gar jahrelanger Sisyphus-Arbeit mußten SAP-Anwender dazu die gewohnten R/2-Funktionen in neue R/3-Programme überführen - zu Beginn ohne standardisierte Migrationswerkzeuge. Das anwesende Management von Baan konnte die Befürchtungen der Anwesenden nicht zerstreuen.

Doch eine Vorgehensweise ê la R/2 nach R/3 wäre für Baan-Kunden, die hauptsächlich aus dem Mittelstand kommen und dementsprechend über kleinere DV-Budgets und wenig Personal verfügen, nicht akzeptabel: "Wir gehen davon aus, daß Baan kostenlos Migrationswerkzeuge liefert, die einen Umstieg so leicht wie möglich machen", fordert Otis-Manager Hauk.

Unklar ist der Anwenderschaft auch, wie lange die Niederländer die hauseigene Datenbank "Tribase" noch pflegen werden. Baan hatte Anfang des Jahres mitgeteilt, den Support für die Datenbank mit der neuen Enterprise-Resource-Planning- (ERP-) Lösung Baan ERP einzustellen. Im Angebot seien künftig die Standarddatenbanktechnologien von Oracle, Informix und Microsoft (SQL Server) sowie andere, technisch weiterentwickelte Datenbanken. Zudem laufe Tribase nicht unter Win- dows NT.

Unterstützung kommt hier glücklichweise von Drittanbietern. So stellt Hewlett-Packard seit kurzem Migrationspakete zur Verfügung, mit denen Anwender von Tribase auf Oracle-Datenbanken umsteigen können. Doch rollt hier schon die nächste Gewitterfront an: Aufgrund eines Rechtsstreits in den USA hat Oracle einseitig den Vertrag mit Baan gekündigt, wonach Anwender beim Kauf von Baan-Software lediglich Runtime-Versionen der Oracle-Datenbank bezahlen müssen.

Oracles Voll-Lizenz ist um ein Vielfaches teurer. Baans Deutschland-Chef Jürgen Richter, übrigens ehemaliger Oracle-Mitarbeiter, kennt solche Muskelspiele seines alten Arbeitgebers. Das letzte Wort in diesem Streit sei noch nicht gesprochen, beschwichtigt er.

Lob erhielt die Softwareschmiede für den deutlich verbesserten Support (First- und Second-Level), doch im gleichen Atemzug verteilten die Anwender den Beratungs- und Implementierungspartnern der Niederländer schlechte Noten. Die Betreuung speziell während der Projekte sei dürftig, so der allgemeine Tenor: "Seit fünf Monaten erhalte ich vom Projektleiter unseres Baan-Partners immer die gleiche Antwort: Es sei nur noch ein Problem zu lösen und dann laufe die Anwendung rund", macht sich Frank Menzel Luft. Der General Manager der Deutschen Transalpine Oelleitung GmbH (TAL) in München implementiert derzeit das Release Baan IVc mit allen Modulen.

Reinfall mit Partner für Personalsoftware

Zusätzlich soll bei TAL eine Personalsoftware eines Baan-Partners zum Einsatz kommen, die allerdings bei genauer Betrachtung die zugesagten Anforderungen nicht erfüllt, obwohl diese vor Projektstart fein säuberlich im Pflichtenheft dokumentiert wurden. So sollten die Abrechnungsmodalitäten von drei Landesgesellschaften abbildbar sein. Die harte Softwarerealität lehrt den aufgebrachten Manager jedoch eines Besseren: "Das Personalpaket ist im Kern für solche Anforderungen nicht ausgelegt", lautet nun die lapidare Auskunft des Softwarelieferanten. Einen Schuldigen zu suchen hält Menzel für müßig - denn schließlich wurde der Definitions- und Auswahlprozeß vom renommierten Beratungshaus Price Waterhouse Coopers begleitet: "Wir können nicht auf der halben Strecke aufgeben. Ich will das Problem lösen oder zumindest einen Fahrplan für einen passablen Weg erhalten", fordert er von Baan-Deutschland Geschäftsführer Jürgen Richter. Der verspricht eine bessere Qualifizierung der Partner und zwar von einzelnen namentlich bekannten Personen und nicht des gesamten Unternehmens per Freifahrtschein.

Über seine Zukunftsängste berichtet auch Rainer Meffert, Abteilungsleiter EDV des Farben- und Lackeherstellers Meffert AG aus Bad Kreuznach, einem Unternehmen aus der Prozeßindustrie. Meffert beschäftigt sich seit 1993 mit Baan-Software, die damals unter dem Namen "Triton" angeboten wurde. Seit 1996 laufen erste Teile der Anwendung, Mitte 1998 wurde dann komplett auf Baan IVc3 umgestellt. Unklar ist für den DV-Manager nun allerdings, ob Baan den Bereich Prozeßindustrie zukünftig überhaupt noch unterstützt. Tun wolle man in diesem Bereich etwas, erklärte Richter, eventuell werde ein Partner eine auf Baan zugeschnittene Lösung für die Prozeßindustrie bereitstellen. Zu den Zielmärkten und -Branchen von Baan gehört dieses Segment, laut Präsentation von Richter, jedenfalls nicht.

Meffert hat die branchenspezifischen Belange bisher durch "Verbiegen" der Baan-Software abgedeckt, weil diese aufgrund ihrer stücklistenorientierten Verfahren vom Design her für die diskrete Fertigung ausgelegt ist. Zusätzliche Progammierung war also notwendig, um den Anforderungen zu genügen: "Baan hatte zwar eine spezielle Lösung ,Process'' angekündigt. Doch auf konkrete Terminnachfragen erhalte ich keine zufriedenstellenden Antworten - und das seit Monaten", sagt Meffert genervt. In Hannover wartete er ebenfalls vergeblich auf verbindliche Anworten.

Neben den strategischen Ungereimtheiten und Problemen bei der Projektabwicklung drücken Anwender immer noch eine Reihe von Altlasten. So geben nach wie vor Baans Buchhaltungsmodule Anlaß zur Kritik. Die Auswertungsmöglichkeiten seien zu gering, und auch Fehler bei bereichsübergreifenden Buchungen seien nicht akzeptabel. Für den deutschen Markt völlig ungeeignet sei überdies die Baan-eigene Anlagenbuchhaltung. Zwar bietet das Unternehmen deutschen Kunden eine Alternative mit einem Paket von Q4.IBS, doch fordern die Anwender eine funktionsfähige Lösung aus einer Hand: "Es ist nicht nachvollziehbar, daß ein Unternehmen, das sich ERP-Anbieter nennt, keine durchgängig brauchbare Finanzlösung bietet", beschwerten sich die versammelten User.

Hoffnungsträger vieler Anwender war der Zukauf von Coda Anfang letzten Jahres. Das britische Softwarehaus gilt als ausgesprochener Finanzspezialist, und seine Software sollte, so die Darstellungen von Baan damals, in die Lösung von Baan integriert werden. Stand heute: Die Pläne wurden zu den Akten gelegt. Coda wird lediglich für Finanzdienstleistungsunternehmen als separate Komponente oder auch im Zusammenspiel mit den Front-Office-Paketen "Baan Sales" und "Baan Marketing" weiterhin angeboten.

An einer neuen Finanzapplikation für Baan ERP wird gestrickt. Sie soll, so Richter, das Beste aus Coda und Baan Finance vereinen. Wann diese allerdings verfügbar ist - Achselzucken.

Allianz der Benutzer

Die Deutsche Baan User Group (Dbug) wurde Ende Januar gegründet (siehe CW 5/99, Seite 21). Stand 19.05.99 zählt der Verein 35 Mitglieder von 550 deutschen Baan-Anwendern. Ziel sei es, so Dbug-Vorsitzender Klemens Hauk, in diesem Jahr mehr als 50 Mitglieder gewinnen zu können. Arbeitskreise bestehen zu folgenden Themen.

1. Prozeßfertigung

2. Variantenfertigung

3. Finance

4. Front-Office (Vertriebs-, Marketing- und Service-Lösungen)

5. Technologie/Anwendungsentwicklung

Ein weiterer Arbeitskreis Supply Chain Management soll in Kürze entstehen. Kontakt: Klemens Hauk, Otis GmbH, Berlin, haukberlinhq.otis.com