Vierter E-12-Gipfel in Stuttgart: Vereinfachte Anmeldung von Zulieferern

Autobranche standardisiert Portalzugang

31.10.2003
STUTTGART (rg) - Auf dem vierten "E-12-Gipfel" in Stuttgart hat die deutsche Automobilbranche einen Standard für die Anmeldung von Zulieferern auf Herstellerportalen vorgestellt. An der Lösung sind nun auch andere Märkte interessiert.

Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen dieser Art produziert der E-12-Gipfel nicht nur Absichtserklärungen und Diskussionspapiere. So kann die auf dem dritten Treffen im Januar dieses Jahres gegründete Fokusgruppe "E12-Automotive" bereits erste Ergebnisse vorweisen. Die Teilnehmer dieser von Jochen Carle, Director Corporate E-Business bei Daimler-Chrysler, zusammen mit den E-Business-Verantwortlichen von Audi, BMW, Daimler-Chrysler, Siemens VDO, VW, Webasto und ZF ins Leben gerufenen Standardisierungsinitiative wollten keine hochtrabenden Visionen entwickeln, sondern konkrete Verbesserungen herbeiführen. Dabei war klar, dass sich schnelle Erfolge nur da erzielen lassen, wo alle Beteiligten davon profitieren und darüber hinaus keine wettbewerbsdiffenzierenden Aspekte betroffen sind. Hier bot sich das Thema Benutzerverwaltung auf Herstellerportalen an.

Bei einer ersten Diskussion stellte sich schnell heraus, dass die gegenwärtige Praxis nicht nur die Lieferanten unnötig belastet, sondern auch für die Automobilbauer (Original Equipment Manufacturers = OEMs) mit etlichen Nachteilen verbunden ist. Die Probleme der Lieferanten beginnen damit, dass sie in der Regel nicht nur mit einem OEM-Portal arbeiten müssen. Die ZF Friedrichshafen AG nutzt beispielsweise 30 verschiedene Internet-Portale von Großkunden. "Unsere Mitarbeiter müssen sich jedes Mal neu identifizieren und anmelden", beschreibt John Sobeck, Vice President Global E-Business bei ZF, den Aufwand. Hinzu komme die User-Administration: "Es war teilweise nicht mehr transparent, welcher Mitarbeiter mit welchen Rechten auf welchen Plattformen arbeitet." Bei genauer Betrachtung habe sich aber herausgestellt, dass sich die Anforderungen der Portalbetreiber letztendlich nur in Kleinigkeiten unterschieden, berichtet Sobeck. So verlangten die einen beispielsweise ein Abteilungskürzel, andere die Angabe des Geburtsdatums zur Identifizierung des Anwenders.

Probleme durch Karteileichen

ZF behalf sich mit der Entwicklung einer Datenbank, in der hinterlegt wurde, wie die Datensätze für die einzelnen Portale auszusehen haben. Ein zusammen mit dem IT-Dienstleister Open4business entwickeltes Tool erzeugt aus den Stammdaten der zugelassenen Mitarbeiter die entsprechenden Datensätze für die verschiedenen Plattformen der Hersteller, so dass sich die User per Mausklick dort anmelden können.

Als Sobeck dieses Werkzeug bei einem Treffen der E-12-Fokusgruppe in Friedrichshafen vorstellte, waren auch die dort vertretenen Hersteller sehr interessiert. Vor allem die verbesserte Anwenderadministration stellt für die OEMs einen großen Vorteil dar. Während sie bei der Rechteverwaltung intern sehr streng Maßstäbe anlegen, haben sie darauf bei Zulieferern wenig Einfluss. "Über die internen Mitarbeiter führen wir exakt Buch - wenn da einer ausscheidet, ist sein Zugang einen Tag später gesperrt", verdeutlicht Herbert Laib, Vice President E-Readyness bei BMW, den Sachverhalt: "Wenn ein Mitarbeiter bei einem Zulieferer das Unternehmen verlässt, dauert das oft Wochen, bis sein Account gesperrt ist." Dadurch könne eine missbräuchlichen Nutzung nicht ausgeschlossen werden. Solche Karteileichen verursachen ein weiteres Problem: Die Hersteller müssen sich darauf verlassen können, dass wichtige Anfragen bei den Zulieferern auch an der richtigen Stelle eingehen. Andernfalls warten sie vergeblich auf Informationen oder Angebote.

Kostenvorteile für beide Seiten

Als sich die E-12-Fokusgruppe das nächste Mal in Stuttgart bei Daimler-Chrysler traf, verglichen alle beteiligten Hersteller ihre Anforderungen an die Datensätze für die Portalanmeldung. "Nachdem wir die einzelnen Punkte pragmatisch durchgearbeitet hatten, war der Standard da", resümiert Sobeck. Unter Federführung von BMW-Manager Laib ließen sich außerdem technische Fragen wie Datenformat und Definition der XML-Schnittstelle klären. "Wir haben dabei versucht, auch künftige Themen wie Public-Key-Infrastrukturen zu berücksichtigen", erklärt Laib. Die XML-Darstellung erlaube es außerdem, zusätzliche Felder ohne großen Aufwand hinzuzufügen. Dies ergebe allerdings nur Sinn, wenn Ergänzungen auf gemeinschaftlichen Entscheidungen basierten.

Nach Rücksprache mit seinem Dienstleister Open4business erklärte sich ZF bereit, das "ZF-Portal-Manager" getaufte Tool auch anderen Zulieferern gegen eine geringe Lizenzgebühr anzubieten. "Somit haben wir es geschafft, nach nur neun Monaten den Prozess sowie einen Datenstandard zu definieren und ein entsprechendes Tool zur Verfügung zu stellen", resümiert Sobeck zufrieden.

Daimler-Chrysler-Manager Carle betont neben den qualitativen Aspekten auch die Kostenvorteile, die der Standard mit sich bringt: "Der Wettbewerb geht weiter. Da hilft es, wenn wir den Lieferanten helfen." Die mittels E-Business-Anwendungen erzielten Effizienzgewinne dürften nicht wie bisher durch einen hohen administrativen Aufwand zunichte gemacht werden. Mit Hilfe des Standards könne man hier ein gutes Stück vorankommen.

Öffnung für weitere Branchen

Mit dem von ZF entwickelten Portal-Manager lässt sich der Aufwand auch an weiteren Stellen minimieren. So kann ein einziger Mitarbeiter des Zulieferers den Zugang zum Portal für alle Kollegen einrichten, die Zugriffsrechte zentral verwalten und - falls vorhanden - mit den Personalsystemen koppeln. Außerdem lassen sich neue Releases der OEM-Portalsoftware schneller auf die aktuellen Anwender bei den Lieferanten verteilen.

Die Standardisierungsinitiative will sich auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen. Die Fokusgruppe bemüht sich vielmehr, das Thema auch in europäischen Standardisierungsgremien zu verankern. Neben dem Verband der Automobilindustrie (VDA) prüfen dessen französisches Pendant, Galia, sowie das europäische Standardisierungsgremium der Automobilindustrie, Odette, den Vorschlag. Daimler-Chrysler will das Thema über sein amerikanisches Engagement zudem in den US-Verbänden platzieren.

Die Teilnehmer der Initiative wollen den Standard weiteren Branchen öffnen. Sie nutzten den E-12-Gipfel in Stuttgart, um sich mit Vertretern von großen Chemieunternehmen zu treffen. Carle zeigte sich zuversichtlich, dass der Standard auch dort gut ankommen wird. Die Fokusgruppe E12-Automotive hat sich aufgrund des großen Interesses anderer Branchen schon mal in E12-Standard umbenannt.

E-12-Gipfel

Unter der Federführung des Institute of Electronic Business, eines von der deutschen Wirtschaft getragenen Bildungsreferenzprojekts mit Sitz in Berlin, gründete sich im März 2002 ein branchenübergreifender Arbeitskreis, der E-12-Gipfel. Er hat sich auf die Fahnen geschrieben, den flächendeckenden Einsatz des Electronic Business in der deutschen Wirtschaft zu steuern und zu fördern. Hierzu versammelt er die E-Business-Verantwortlichen und Experten der bedeutendsten deutschen Wirtschaftsunternehmen. Zum E12-Kreis zählen neben den deutschen Automobilherstellern unter anderem Allianz, Axa, BASF, Bayer, Bertelsmann, Lufthansa, RWE und Siemens.