Buchtipps

Atari, Tristesse und Wahnsinnskarrieren

14.04.2000
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Von Ingrid Weidner*

Der Beat eines Computerspiels

David S. Bennahum:

Extra Life. Bekenntnisse eines Computerfreaks. Stuttgart, Dt. Verlags-Anstalt, 1999. 34 Mark.

Zurück zu den alten, längst vergessenen Maschinen und Spielen: Atari, Apple II und Commodore wecken Erinnerungen an flimmernde Bildschirme und grüne Buchstaben auf schwarzem Grund. David Bennahum erzählt von seiner Faszination für die ersten Videospiele und Gebrauchsanweisungen des Computers, dessen komplizierte Installation vor den Zeiten von "plug and play" ein echtes Abenteuer garantierten. Der 32-jährige Autor gehört zu den ersten Computerkids, die in eine neue digitale Wirklichkeit abtauchten.

Ein "Extra Life", so der Titel seines Buches, waren 10 000 Punkte beim Atari-Missile-Command Spiel und der große Kick für die Kids. Völlig im Bann der neuen Möglichkeiten, lernten sie freiwillig einfache und später immer kompliziertere Programmieraufgaben und schufen sich neue Welten. Die Erwachsenen hatten keinen Zugang und verstanden in den meisten Fällen auch nicht, um was es ging. In den 80er Jahren war Hacken ein Sport, und Computer nahmen einen immer wichtigeren Platz in den Kinderzimmern ein. Von einigen Längen absehen ist "Extra Life" ein lesenswertes Buch, das den Bogen von den frühen Computerspielen bis zum Cyberspace spannt.

Bonjour Tristesse

Michel Houellebecq:

"Ausweitung der Kampfzone", Roman, 156 Seiten, Wagenbach, Berlin.

Michel Houellebecq schildert in "Ausweitung der Kampfzone" ungekünstelt das Leben eines jungen Informatikers, der nach außen hin erfolgreich wirkt. Der Pariser Softwareexperte arbeitet in Projekten, bezieht jede Woche ein neues Hotelzimmer irgendwo in der französischen Provinz, als einzige Begleitung bleibt ihm die Einsamkeit. Zusammen mit einem ebenso verschrobenen Kollegen soll der Protagonist an verschiedenen Landwirtschaftsministerien die neue firmeneigene Software einführen.

Schritt für Schritt zerlegt Houellebecq in einer direkten und knappen Sprache die innere Leere der beiden Anti-Helden. "Wir Informatiker sind die eigentlichen Könige", so einer der Mutmachersätze, aber an dieses Klischee glauben beide nur selten. "Ich habe das Gefühl, eine Hühnerkeule unter Zellophan in einem Supermarktregal zu sein" bringt die Situation besser auf den Punkt. Die erweiterte Kampfzone umschließt nach Houellebecq den Wirtschaftsliberalismus ebenso wie die frustrierten sexuellen Wünsche der Protagonisten.

Der Erstlingsroman wurde in Frankreich mit dem "Grand prix national des lettres" und dem "Prix Flore" ausgezeichnet. Auch ohne Auszeichnung wäre das Buch auf jeden Fall lesenswert.

Ein Trainee will nach oben

Wolfgang Schur, Günter Weick:

Wahnsinnskarriere. Wie Karrieremacher tricksen, was sie opfern, wie sie aufsteigen. Frankfurt, 1999, Eichborn.

Das ist leichter gesagt als getan. Wolfgang Schur und GünterWeick bieten Einsteigern 17 amüsante Tipps für die Karriereplanung. "Regel Nr. 1: Arbeite nie selbst mit einem Computer" klingt beim ersten Lesen absurd. Doch wer weiter liest und sich mit dem jungen Trainee auf die Reise macht, dem begegnen noch weitere ungewöhnliche Tipps.

Den Autoren geht es in ihrem Ratgeber um die ungeschriebenen Gesetze der Macht auf dem Weg zum Erfolg. Ein älterer Herr versorgt den jungen Karrieristen mit wertvollem Insider-Wissen, wie Karriere seiner Meinung nach funktioniert.

Solange niemand den Ratgeber als Gebrauchsanweisung für den Weg zum Zentrum der Macht, sondern als augenzwinkernde und freche Satire versteht, erfüllt das Werk seinen Zweck. Manche der abwegigen Ideen entpuppen sich beim Nachdenken als interessante Aspekte, die im Arbeitsalltag leicht aus dem Blickwinkel verschwinden. Eine wahnsinnsfreie Karriere könnte eine nette Begleiterscheinung sein.

Für eifrige Sammler

Andrea Hoffmann, Ray M. Rosedale (Hg.):

500 Tipps und Tricks zur Internet-Nutzung. Humboldt-Taschenbuchverlag, 1999. Wer die Ratschläge lieber online nutzt, wird unter www.tipps-tricks.de fündig.

Jeder Internet-Nutzer weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, dass gerade im Detail die größten Tücken stecken können. "500 Tipps und Tricks zur Internet-Nutzung" bietet unter verschiedenen Rubriken selbst für Profis noch die eine oder andere interessante Neuigkeit. Ursprünglich verschickte das Internet-basierte Schulungs- und Informationsprogramm akademie.de die Tipps und Tricks in Form eines regelmäßigen Newsletters an seine Abonnenten. Seit dem Starttermin im Sommer 1998 sind mehr als 600 Ratschläge erschienen. Da die kurzen und prägnanten Tipps bei den Lernenden so gut ankamen, entschloss sich das Autorenteam, die 500 besten kompakt als Buch zu veröffentlichen.

Neben den gängigen Browsern und E-Mail-Programmen reichen die Hinweise bis hin zu einfachem Web-Design und Grafiken. Allerdings kommen auch Trash-Fans auf ihre Kosten. Tipp 116 zum Thema E-Mail-Kommunikation wartet mit einer umwerfenden Neuigkeit auf: "Aggressivität macht nicht sexy." Schon der nächste Ratschlag bietet die ultimative Lösung: "Entschärfen Sie Streitsituationen" und "Achten Sie auf Ihren Ruf". Wenn das nicht Hilfe in allen Lebenslagen ist, was dann?

Hier der Extra-Tipp: Garantiert computerfrei

William Sutcliffe:

Meine Freundin, der Guru und ich. Roman. Knaur Lemon, Oktober 1999. 14 Mark

Man nehme eine Portion alte Hippie-Indien-Romantik aus den späten 60-ern, mische sie mit dem Lebensgefühl und Lifestyle eines 19-jährigen Engländers aus den späten 90-ern, gebe eine starke Prise Sex dazu, schüttle einmal kräftig und heraus kommt ein streckenweise amüsanter Trip durch Indien für alle, die es noch nicht zur wahren Erleuchtung eines echten Travellers gebracht haben. Eigentlich war Indien der letzte Ort, an dem der Protagonist Dave drei Monate vor Studienbeginn verbringen wollte. Aber die Reise schien für ihn die große Chance, endlich die Freundin seines besten Freundes zu verführen. Dachte er zumindest. Dass alles etwas anders läuft als geplant, versteht sich von selbst.

"Meine Freundin, der Guru und ich" ist eine echte Erholung für alle computer- und Internet-geschädigten Zeitgenossen. Hier kommt auf 314 Seiten weder ein PC noch eine E-Mail vor. Die Lektüre eignet sich hervorragend für alle daheim gebliebenen Young Professionals, die lieber Karriere machen als zur Selbstverwirklichung nach Indien reisen. Auf witzige Weise erfahren sie in "Are you experienced", so der englische Originaltitel, was ihnen entgeht oder erspart bleibt.

Tipp: Eine nette Lektüre für die Geschäftsreise oder einen freien Sonntag. Ein kleiner Trost: Das andere Leben ist nicht unbedingt die einfachere Variante.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.