Online-Lernen löst CBT ab

Anbieter von Lernsoftware profitieren von der Internet-Euphorie

07.04.2000
Die multimedialen Lernprogramme von Xebec McGraw-Hill Lifetime Learning konzentrieren sich neben Sprachtrainings auf die Bereiche Kommunikation, Management, Mitarbeiterführung, Geld und Finanzen. Die computergestützte Schulungssoftware "Effective Presentations" erhielt 1999 in den USA den Award der Fachzeitschrift "Multimedia & Training Newsletter". Mit dem Geschäftsführer Nils Jörgensen sprach Ingrid Weidner.*

CW: Momentan geht der Trend weg von der CD-ROM hin zum Online-Lernen. Gehört allein dem Online-Training die Zukunft?

JÖRGENSEN: Ja, ganz bestimmt. Wir haben dafür unsere Inhalte komplett erneuert und die Kurse für die Online-Nutzung unter Java neu programmiert. Uns war wichtig, dass die Online-Version wirklich multimedial ist. Das heißt beispielsweise interaktive Fragen und Übungen, Videosequenzen und Simulationen mit Video- und Audioreaktionen. Wir wollten auf keinen Fall reine HTML-Seiten zum Blättern ins Internet stellen.

CW: Wie sah die Umarbeitung für das Inter- und Intranet aus?

JÖRGENSEN: Wir haben zweieinhalb Jahre mit einem Team aus 30 Entwicklern daran gearbeitet. Mit Kunden haben wir die Versionen umgearbeitet und bieten heute drei verschiedene Lösungen an: eine Intranet-Server-Lösung, eine Internet-Variante mit ISDN-Anbindung und eine Offline-Version mit CD-ROM.

CW: Konnte sich ein kleines Unternehmen wie Xebec solche Investitionen leisten?

JÖRGENSEN: Xebec entwickelt seit 1988 Multimedia-Anwendungen. Um für die neuen Anforderungen des Internet fit zu sein, benötigten wir einen finanzkräftigen Partner, der uns bei diesen Zukunftsinvestitionen unterstützte. Unsere Wahl fiel auf McGraw-Hill, da wir hier die besten Chancen sahen, unseren Standard zu sichern.

CW: Wieso haben Sie sich für die Fusion und gegen einen Börsengang entschieden?

JÖRGENSEN: Hier war vor allem der Zeitfaktor ausschlaggebend. Vor zwei Jahren wäre ein eigener Börsengang für uns zu aufwändig gewesen. Wir wollten möglichst schnell mit der Entwicklung beginnen und entschieden uns deshalb für McGraw-Hill. Xebec passt gut zum Unternehmen, und wir konnten unsere Selbständigkeit bewahren.

CW: Sie haben sich Basel als Firmensitz ausgesucht. Weshalb gerade die Schweiz?

JÖRGENSEN: Wir wollten einen Standort finden, der in Europa eine zentrale Lage hat. Italien ist nach Deutschland unser zweitwichtigster europäischer Markt, und Basel bietet eine gute Anbindung nach Südeuropa. Außerdem haben wir hier in Basel den großen Vorteil, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die meist drei Sprachen fließend beherrschen und noch dazu gut Englisch sprechen. Sprachliche Kompetenz ist ein ganz entscheidender Wettbewerbsvorteil für den Bildungsmarkt.

CW: In welchen Ländern vertreiben Sie Ihre Lernprogramme?

JÖRGENSEN: Insgesamt betreuen wir Kunden in 37 verschiedenen Ländern. Aber ich spreche lieber von Märkten und nicht von Ländern, denn beispielsweise in Singapur arbeiten unsere Kunden mit den englischsprachigen Kursen, ebenso wie in vielen arabischen Ländern. Wir bieten unsere Lernprogramme momentan in Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch und Spanisch an.

CW: Ihre Kurse, zum Beispiel Trainings für Mitarbeiter- und Verkaufsgespräche, sollen auch soziale Kompetenz vermitteln. Lassen sich diese "weichen Fähigkeiten" wirklich über den Bildschirm lernen?

JÖRGENSEN: Wir empfehlen auf jeden Fall, die Simulation am Bildschirm mit anderen Medien und Präsenzveranstaltungen zu kombinieren. Beispielsweise setzen viele Kunden die Kurse zur Vor- oder Nachbereitung von Präsenzseminaren ein. Besonders interessant wird das, wenn mehrere Mitarbeiter im gleichen Unternehmen lernen und sich über die Inhalte austauschen.

CW: Sind solche Kurse nicht besonders stark vom kulturellen Kontext abhängig?

JÖRGENSEN: Die kulturelle Anpassung ist ein wichtiges Thema. Die Ausgangsvideos stellen relativ neutrale Szenen dar. Für den deutschen Markt mussten wir beispielsweise für die Kurse "Das Mitarbeitergespräch" und "Präsentationen" alle Videos neu drehen. Weder die Körpersprache noch die Dialoge ließen sich übertragen, denn in Großbritannien läuft ein Mitarbeitergespräch viel informeller ab.

CW: Was bedeutet der neue Online-Trend in der Weiterbildung für Sie?

JÖRGENSEN: Der Trend ist sehr wichtig. Die InternetEuphorie entwickelt sich zum Zugpferd für neue Lerntechnologien. Wir bieten zwar schon immer Multimedia-Anwendungen an, aber der Markt reagierte lange Zeit sehr zögerlich. Inzwischen profitieren wir von diesem Trend und reiten auf dieser Welle mit. Jetzt können wir mit Interessenten stärker über Inhalte sprechen und müssen kaum noch Aufklärungsarbeit an der Basis leisten.

CW: Was sind Ihre Ziele für Xebec in den nächsten Jahren?

JÖRGENSEN: Lernen wird künftig viel mit Lebensqualität zu tun haben - die wollen wir mit unseren Produkten erhöhen. Ein anderes Ziel sind Wissensportale im Netz.

CW: In welche Richtung entwickelt sich Ihrer Meinung nach der Weiterbildungsmarkt?

JÖRGENSEN: "Bleiben Sie mobil" ist ein wichtiges Motto für uns. Die Leute bilden sich in Zukunft weiter, weil sie ihren eigenen Marktwert steigern wollen. Lernen wird immer wichtiger und selbstverständlicher. Dabei kommt der Mobilität eine entscheidende Rolle zu, denn die Mitarbeiter lernen sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz. Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen hier in Zukunft immer mehr.

* Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.