Analysten sehen Risiken für das "Schlachtschiff Office"

26.07.2012
Das Echo der Marktauguren auf Microsofts Office-Ankündigung ist gespalten: Die einen loben den Konzern für seinen Mut zu einschneidenden Veränderungen, die anderen sind nicht sicher, ob diese Schritte ausreichen.

Nicht wenige Marktbe-obachter überschlugen sich angesichts der Vorstellung von Microsofts neuem Office 2013 mit Superlativen: "Ein klarer Fingerzeig in Richtung Cloud" hieß es, oder "Mit der Positionierung unter der Dachmarke Office 365 wird ein Zeichen gesetzt" oder "Office 2013 ist das bislang beste Office".

Der PC bleibt der Star

Doch es gab auch kritische Töne. Manche Analysten bemängelten, Microsofts Strategie berücksichtige den Faktor Mobile nicht genügend. "Für Office gibt es zwar eine Mobile-Strategie, aber das ist nicht der Fokus. Der Star ist immer noch der PC", kritisiert etwa Sarah Rotman Epps, Analystin beim amerikanischen Beratungsunternehmen Forrester.

Axel Oppermann, Senior Advisor bei der Experton Group, sieht das ähnlich: "Microsoft hat es versäumt, eine plattform-übergreifende Version von Office zu positionieren", meint er. "Die fehlende Ankündigung einer Lösung für das iPad ist eine verpasste Chance." Allerdings gibt sich Oppermann überzeugt, dass Microsoft diese Lücke bis zur Markteinführung schließen wird.

Unbehagen bereitet den Marktkennern auch die Funktionsvielfalt von Office. Zwar lobt Oppermann die neuen Möglichkeiten, die Office bietet, sieht aber hierin auch eine Herausforderung, müssten doch die Arbeitsprozesse angepasst werden, um diese Vorteile zu heben. Gleichzeitig sieht der Experton-Analyst in der "Gut genug-Einstellung" vieler Entscheider in Anwenderunternehmen den größten Hemmschuh für Office 2013. Immer mehr Entscheider kämen zu der Erkenntnis, dass die Lösungen von Google, SlideRocket oder Zimbra ausreichten.

Kaum manövrierbar

Eine Einschätzung, die sich mit der von Rob Kolpowitz, Vice President und Principal Analyst bei Forrester, deckt. Er sieht Office als mächtiges, gut gepanzertes "Schlachtschiff mit viel Feuerkraft, aber eingeschränkter Manövrierbarkeit". Und dieses Schiff werde von kleinen, wendigen Piratendschunken wie Evernote, Dropbox, Google Apps, und Confluence angegriffen.

Ein weiterer Trend, der Microsoft zusetzt, ist nach Meinung von Experton-Manager Oppermann Bring your own Device (ByoD). Anwender nutzten ihre privaten Devices und Applikationen überall und oft ohne die Vorgaben der IT-Organisation einzuhalten. Wenn aber künftig nur noch der Nutzer entscheidet, dann geht es für Hersteller darum, das "Haben-wollen-Gefühl" auszulösen. Oder wie es Forrester-Analystin Rotman Epps formuliert: "Microsoft muss den Multidevice-Lifestyle in Office adaptieren."

Mit einem User-basierenden Preismodell wie bei Office 365 und Cloud-gestreamten Web Apps sieht die Analystin den Konzern auf dem richtigen Weg. Neue Formen der Interaktion und des plattform- und geräte-übergreifenden Arbeitens würden unterstützt. Allerdings, so geben die Analysten zu bedenken, bekommt das Thema "Herstellerabhängigkeit" nun wieder eine ganz neue Bedeutung.

von Jürgen Hill, jhill@computerwoche.de