Cluster Campus1800 vorgestellt, aber:

Alliant kommt einfach nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus

29.11.1991

MÜNCHEN (Um) - Anfang 1990 machte Alliant mit dem Schwenk von Motorola auf Intel-RISC-basierte Superrechner einen harten Schnitt in der Architekturausrichtung: Knapp zwei Jahre später laboriert das Unternehmen immer noch an den Folgen vor allem der Software-Umstellungen. Trotzdem setzen die Amerikaner ihren Weg in Richtung Paralleltechnologie fort und bauen ihn mit dem "Campus/ 800"-Cluster-Modell noch weiter aus.

Im Prinzip handelt es sich bei dem von Alliant als massiv-paralleles System apostrophierten Campus/800 um FX/2800-Rechner. Diese lassen sichjetzt über HIPPI-Kanäle zu maximal 32 Cluster-Knoten verbinden. Jeder Knoten wiederum besteht aus 25 RISC-Prozessoren 860 von Intel, die auf bis zu 25 GB gemeinsamen Speicher zugreifen. Die Kommunikation unter den Knoten läuft über einen 2,56 GB/s schnellen High-Speed-Memory-Interconnect-Bus (HMI).

An Entwicklungswerkzeugen stehen automatisch paralielisierende Compiler und Bibliotheken von Alliant, die "Express" Hochsprachenumgebung der Parasoft Corp. aus Pasadena in Kalifornien sowie "Togmsg and p4" des Argonne National Laboratory und "Picl" vom Oak Ridge National Laboratory zur Verfügung. Das FX/2800-Upgrade Campus/800 ist für das zweite Quartal 1992 geplant.

Die jetzige Campus-Ankündigung kommt zu einem Zeitpunkt, da Alliant mit großen internen Problemen zu kämpfen hat. So mußte die Corporation für das zum 30. September 1991 beendete dritte Quartal wiederum negative Geschäftszahlen veröffentlichen: Gegenüber dem im vergleichbaren Zeitraum von 1990 erzielten Umsatz von 14,2 Millionen Dollar sank dieser von Juli bis September des laufenden Jahres auf 10,4 Millionen, Alliant lag damit noch unter dem Ergebnis (zwölf Millionen Dollar) des zweiten Quartals 1991.

Auch die Verluste begleiten Alliant weiter: 3,3 Millionen Dollar mußten in, den vergangenen drei Monaten abgeschrieben werden, was gegenüber den 31,1 Millionen Dollar Verlust vom dritten Quartal 1990 allerdings fast schon als komod zu bezeichnen ist. Für die Verluste machte Alliant-CEO Craig Mundie in der Vergangenheit wiederholt die radikale Umorientierung auf die neue Hardware Architektur verantwortlich, in deren Gefolge es vor allem zu Softwareproblemen gekommen sei. Schon damals unkte man von seiten des Marktführers bei Minisupercomputern - der Convex Computer Corp. -, die Umstellung von den früheren FX/40- und /80- sowie Visualization-Series-Modellen auf RISC-Systeme werde Alliant noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.

Diese Schwierigkeiten werden von Anwendern auch gar nicht bestritten, doch stellen sie eher ein Parallelsystemen inhärentes Problem dar: So bestätigte ein großes schweizerisches Pharmaunternehmen gegenüber der COMPUTERWOCHE, daß die Parallelisierung bestehender Anwendungen große Anstrengungen erfordere, "wir haben uns da auch mehr Unterstützung von Alliant versprochen". Es sei auch richtig, daß es für die Alliant-Rechner im Vergleich etwa zu Convex-Maschinen noch wenig Applikationen gebe, die "nicht nur irgendwie, sondern glatt und ohne Probleme laufen", aber die RISC-Architektur sei eben zukunftsweisend. Hier könne Convex nur mit herkömmlicher Technologie gegenhalten.

Für den Schweizer stellt sich nur ein Problem: "Die brauchen Zeit, um ihre Rechner reifen zu lassen, und das kostet Geld, das Alliant nicht hat."

Um zu sparen, hat Alliant unter anderem sein Vertriebskonzept umgestellt: Das Verkaufen überlassen sie - zumindest im deutschen und schweizerischen Raum - der Schweizerischen Holding Ultra Perfomance Technology AG (UPT) in Zürich. Deren President Bernd Kuhne ist in Personalunion auch geschäftsführender Gesellschafter der Alliant Computer Systems GmbH in Frankfurt sowie President und CEO der gleichnamigen AG in der Schweiz.

Interessenkonflikte mit den unter der Holding agierenden Maspar Distributed und Sequent Distributed sieht der Ex-Convex-Mann als Chef von UPT nicht: "Als President der Holding bin ich verantwortlich für die Unterstützung der Profit-Center Maspar und Sequent, sonst nichts." In der Tat decken sowohl Maspar als Nischenanbieter für massiv-parallele Systeme als auch die Unix-Server-Systeme vertreibende und selbst mit Problemen kämpfende Sequent Computer Corp. andere Marktsegmente ab.