Bosch-Siemens Hausgeräte

Agieren statt reagieren

27.10.2000
MÜNCHEN (bs) - Aktuelle Daten über das Geschäft gewinnen, Kunden besser beraten und den Umsatz steigern: Das wünschen sich viele Manager. Mit einem Data Warehouse hat die Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH diese Ziele erreicht.

"Unser Wunsch war es, Kunden aktiv beraten zu können", beschreibt Evangelos Zesakes, Abteilungsleiter Informationstechnologie, die Ausgangssituation für das Data-Warehouse-Projekt bei der Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH (BSH) in München. Eine Anwendung in zweistufiger Client-Server-Architektur auf Basis einer Oracle-Datenbank, von Suns "E-10000"-Servern sowie Analyse-Tools von SAS Institute gibt den Bosch-Verkäufern heute ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie sich auf Kundenbesuche präzise vorbereiten können. Sie sind über den aktuellen Stand der Geschäfte informiert, kennen die Produkte, die der Fachhändler bereits geordert hat, haben exakte Umsatzzahlen und wissen vor allem, mit welchen Artikeln sowohl der Außendienstler als auch der Kunde erfolgreich ist: "Unser Außendienst nimmt unseren Kunden damit einen Teil ihrer Arbeit ab", erklärt der gebürtige Grieche, "indem wir ihnen lukrative Produktstrategien vorschlagen können."

Beratung ist laut Zesakes heute das A und O im Geschäft mit Hausgeräten, so genannter weißer Ware. Auf diesem heiß umkämpften Markt unterscheiden sich die Produkte der verschiedenen Hersteller nur noch marginal: "Da kann man neben einem ausgefallenen Design nur noch durch exzellenten Service Kunden gewinnen." Heute seien die rund 1100 vertriebs- und verkaufsorientierten Mitarbeiter in Produktentwicklung und Marketing in der Lage, die Ladenhüter ("Penner") und stark nachgefragten Produkte sofort zu erkennen. Sie wissen, was in einer Region an den Mann zu bringen ist, und weisen Kunden darauf hin, wann sie in die nächste Rabattstufe kommen.

17 Jahre lang 300000 Blatt Papier drucken

Das war nicht immer so. Noch im Frühjahr 2000 bedruckte BSH allmonatlich Zentner von Papier, genau genommen waren es 300000 Blatt, die nicht nur ediert und geheftet werden wollten, sondern auch verteilt werden mussten - eine logistische Meisterleistung. Und das fast 17 Jahre lang: "Allein die Einsparungen an Papier, Kosten für die Drucker sowie der Aufwand für die Bereitstellung rechtfertigten den Einsatz eines neuen Systems", schmunzelt der IT-Leiter. Gespeist wurde "die Liste" bis dato mit Informationen aus einem BS2000-Host-System.

Noch ungünstiger als diese Mühen fiel ins Gewicht, dass die papierenen Nachschlagewerke zum Zeitpunkt des Ausdrucks bereits veraltet waren. Kunden beschwerten sich mit Recht, dass sie um den Genuss von Rabatten gebracht wurden, erinnert sich Zesakes. Konkret: Zum Teil fehlten Händlern, die etwa für ein Gesamtvolumen von zwei Millionen bei BSH bestellten, nur ein paar tausend Mark, um in eine höhere Rabattstufe zu gelangen. Bedingt durch die langen Vorlaufzeiten für Erstellung und Druck der Listen waren die Verkäufer nicht in der Lage, Kunden präventiv zu beraten, nimmt Zesakes seine Vertriebskollegen in Schutz: "Das gab Ärger." BSH sorgte in diesen Fällen für Schadensbegrenzung und zahlte die Rabatte nachträglich aus.

Eines der wesentlichen Ziele des neu zu schaffenden "Konzerninformationssystems für Vertrieb und Absatzwirtschaft" (KIS-V&A) war es, eine einheitliche, konsistente Datenbasis einzurichten, die den 1100 Vertriebsmitarbeitern online zur Verfügung stand. Allein 350 davon sind im Außendienst tätig. Nach den Kriterien Produkt, Kunde und Tag sollte es möglich sein, Informationen zu analysieren und zu verdichten.

Wie bei Data-Warehouse-Projekten üblich, galt es dazu, Daten aus den unterschiedlichsten Quellsystemen zu verknüpfen. Darüber hinaus sollten sich soziodemografische und Marktdaten (GfK) einbinden lassen: "Wir wissen heute, welches Design sich in einem Straßenzug oder Wohngebiet am besten verkauft", erklärt Zesakes stolz. Doch die Anbindung der BSH-Systeme stellte eine Herausforderung dar, deren Aufwand bei Projektstart im März 1998 zunächst unterschätzt worden war: "Rund 80 Prozent unserer Kapazitäten wurden durch das Daten-Management verschlungen, also die Prozesse Datenextraktion aus den Quellsystemen, Transformation und Laden in das Data Warehouse." Für Zesakes hat deshalb das Thema ETL (Extraktion, Transformation, Laden) bei der Auswahl einer geeigneten Warehouse-Lösung die erste Priorität. Sein Tipp: Jede vorhandene und einsetzbare Standardfunktion in diesem Bereich, etwa Schnittstellen- oder Mapping-Werkzeuge, nutzen, das hilft Zeit und Geld zu sparen, insbesondere wenn es darum geht, neue Systeme anzuschließen.

Konkret wird das KIS-V&A von konzerntypischen Quellsystemen gespeist. Dazu gehören SAPs R/3 mit den Modulen "Materials Management" (MM), "Sales and Distribution" (SD), "Finance" (FI), "Controlling" (CO) und "Production and Planning" (PP) sowie Abrechnungsverfahren in R/2. Weitere Sourcen sind die erwähnten soziodemografischen und GfK-Daten.

Bei einer derartigen SAP-Landschaft als Backbone stellte sich für Zesakes und sein Team die Frage, ob sich ein Analyse-Tool aus gleichem Hause eignen könnte. Die in R/3 integrierten Anwendungen wie das "Executive Information System" oder "Vertriebs-Informations-System" waren jedoch mit den großen Datenmengen überfordert, und SAP entwickelt diese Werkzeuge nicht weiter. Immerhin befinden sich rund 14 Millionen Orderlines im Auswertungsbestand, der täglich allein in Deutschland um rund 9000 bis 14000000 Bestellpositionen wächst: "Auch das ,Business Informatione Warehouse’ (BW) der Walldorfer war zum Zeitpunkt der Entscheidung für ein Tool im Frühjahr 1998 keine Alternative", sagt Zesakes. Heute sähe das allerdings anders aus.

Gewählt haben die BSH-Verantwortlichen schließlich die Data-Warehouse-Technik von SAS: "Die Funktionalität deckt unsere Anforderungen am besten ab", begründet Zesakes die Entscheidung. Als Datenbank kommt "Oracle 8i" zum Einsatz, die mit den derzeit 50 GB Auswertungsvolumen gut fertig wird. Für die 350 mobilen Anwender werden ebenso viele spezifische Data Marts gebildet, die in der Regel nach Verkaufsgebiet und Kundenstamm sortiert sind. Über ISDN lassen sich diese dann auf den Laptop herunterladen, für Ad-hoc-Abfragen gibt es eine Zugangsmöglichkeit via Remote-LAN-Login. Allerdings sind die Antwortzeiten der Fat-Client-Anwendung recht lang.

Die zweistufige Fat-Client-Architektur ist denn auch der Wermutstropfen an der Entscheidung für SAS. Denn ein komfortabler Zugriff über Browser ist derzeit nicht möglich. Die verwendete Version 6 der SAS-Software unterstützt laut Zesakes keine Web-Clients, das hatte der Anbieter aber bereits zu Projektbeginn mitgeteilt. Das BSH-Team wollte jedoch nicht auf eine Nachfolgeausführung warten: "Die Funktionsfülle und -tiefe der Werkzeuge hat uns überzeugt. Für den Anwender sind außerdem die aktuellen Daten und Analysemöglichkeiten entscheidend und nicht die Technik", lautet Zesakes Argument. Gemeinsam mit SAS arbeite man derzeit an einer Migrationsstrategie, um im nächsten Jahr auch Kunden via Web-Zugang Informationen bereitstellen zu können: "Sie können dann abrufen, wie viel Umsatz sie mit uns gemacht haben."

Trotz Besetzung des Projektteams mit Mitarbeitern aus den Fachabteilungen sowie einem zweistufigen Schulungskonzept - zuerst wurden Trainer ausgebildet, die dann wiederum die Endanwender schulten - gab es Akzeptanzprobleme: "Wir hatten unterschätzt, wie einschneidend die Veränderungen von einem Vertriebspapier hin zu einem Online-Analysesystem waren", so Zesakes selbstkritisch. "Wir wollen unsere Liste wieder haben", schallte es in der Anfangsphase des Öfteren über die Flure. Das liegt auch daran, dass sich auf Basis der gebietsbezogenen Analysen Rückschlüsse auf die Aktivitäten der einzelnen Vertriebsmitarbeiter ziehen lassen. Das Gespenst des "gläsernen Verkäufers" geisterte daher durch den Betrieb - ein "Nebeneffekt der nicht gewollt war", versichert Zesakes.

Der Erfolg stellte sich erst ein, als die Vertriebsmitarbeiter erkannten, dass das System allein dem Zweck der besseren Kundenbetreuung diente. Die Furcht vor einem lückenlos kontrollierten Vertrieb konnte gedämpft, das Scheitern des Projekts damit verhindert werden. Mit konkreten Zahlen, die den Nutzen des Systems belegen, hält sich der Vertrieb allerdings dezent zurück. Doch die vom Verkaufs-Management geäußerten Schätzungen sind für Zesakes Beleg genug: Ohne das KIS-V&A würde der Umsatz (11,7 Milliarden Mark im Jahr 1999) um rund zwei Prozent niedriger liegen. "Wenn wir heute das System abschalten würden, ginge ein Aufschrei durchs Haus, bestätigt uns der Vertrieb."

Das ist Grund genug für den eloquenten Griechen und sein Team, mit dem Projekt am Wettbewerb "Anwender des Jahres" teilzunehmen: "Ich verstehe das als Motivation für die Mannschaft. Zudem haben wir bewiesen, dass IT positive Impulse für das Geschäft geben kann."

Bosch Siemens Hausgeräte

Die Konzerne Bosch und Siemens gründeten 1967 mit jeweils 50 Prozent Anteil die Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 37000 Mitarbeiter, davon arbeiten 320 in der IT. Der Hauptsitz ist in München, wo 142 Personen in der DV beschäftigt sind. Zum Unternehmen gehören etwa 90 Gesellschaften mit fast 30 Werken. Das Produktspektrum umfasst Kühl- und Gefriergeräte, Waschmaschinen, Geschirrspüler, Herde, Mikrowellengeräte, Fernseher, Hifi-Anlagen etc. Der Umsatz lag 1999 bei 11,7 Milliarden Mark, als Gewinn wurden 111 Millionen Mark ausgewiesen.

Das System

Im März 1998 startete das Projekt "Konzerninformationssystem für Vertrieb und Marketing" (KIS-V&A). Ziel war es, das 17 Jahre alte BS2000-Host-System abzulösen, mit dem monatlich rund 300000 Blatt Vertriebslisten gedruckt wurden.

Auf Basis einer "Oracle-8i"-Datenbank sowie von Analysewerkzeugen von SAS in der Version 6.12 wurde eine Data-Warehouse-Anwendung für insgesamt 1100 Anwender gebaut, wovon 350 mobil arbeiten. Zum Einsatz kommen die SAS-Module "EIS", "Base" und "AF". Das Herzstück Base erledigt Datenzugriff, Daten-Management, Analyse und Präsentation. Mit EIS (Executive Information System) lassen sich Reports und Auswertungen erstellen, AF unterstützt die Entwicklung von Analyseanwendungen.

Das Data Warehouse läuft abgekoppelt von den operativen Applikationen auf Servern von Sun ("E 10000"). Gespeist wird es täglich aus SAP R/3 (Release 3.1i, 4.0 und 4.5), R/2 (5.0F) sowie Marktdaten (GfK, soziodemografische Informationen). Das Datenvolumen beträgt derzeit 50 GB, täglich kommen je nach Saison zwischen 9000 und 14000 Bestellpositionen hinzu. Geladen werden aus den Quellsystemen flache Dateien mit kaum verdichteten Daten, da das Data Warehouse auf der untersten Ebene aufsetzt. Der Ladevorgang dauert rund drei Stunden. Das Netz basiert auf TCP/IP mit Cisco-Routern, die Bandbreiten variieren zwischen den Standorten.

Der Außendienst setzt die Software "Mobile Sales" als operative Applikation ein. Sie bietet typische Funktionen wie Besuchsplanung, Produktpräsentation, Auftragserfassung, Kundeninformation, Absatz- und Umsatzplanung sowie Reisekostenabrechnung. Das Produkt basiert auf Microsofts "Outlook" mit integriertem Kunden- und Produktinformationssystem ("KIS" und "Prodis").

Die Kosten für Hardware betrugen 800000 Mark, die Softwarelizenzen schlugen mit 1,5 Millionen Mark zu Buche. Rund vier Millionen Mark blätterte BSH für Entwicklung und Einführung des Data Warehouse hin, und die laufenden Kosten für Personal (drei bis vier Mitarbeiter) sowie Wartung beziffert das Unternehmen auf etwa 1,5 Millionen Mark pro Jahr.