Gläubiger erwägen Klage aufgrund des Konkurses der Mount-10 Service AG

Ärger um Ende der Schweizer Datenfestung

21.02.2003
MÜNCHEN (CW) - Gläubiger der bankrotten Mount-10 Service AG wollen gegen den Verwaltungsrat der übergeordneten Holding klagen. Angeblich haben die Betreiber der Datenfestung in den Schweizer Bergen bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens Vermögenswerte unrechtmäßig verschoben. Außerdem sei die Pleite des Daten-Hosters bereits beim Start absehbar gewesen.

Die Geschäftsidee, mit der die Verantwortlichen von Mount-10 Ende 1999 antraten, hörte sich nicht schlecht an. Tief im Inneren der Schweizer Berge bei Gstaad sollte eine uneinnehmbare Datenfestung für hochsensible Informationen von Banken, Versicherungen und anderen Unternehmen entstehen. In der Bunkeranlage "Data Fortress" wollte der Dienstleister unter dem Schutz der Schweizer Armee seinen sicherheitsbedürftigen Kunden die entsprechenden Application-Infrastructure-Provider-(AIP-)Services anbieten.

Gegen jede Art von Katastrophe glaubten sich die Verantwortlichen sicher: Ein System verschachtelter Gänge sollte Druckwellen von Bombenexplosionen ins Leere laufen lassen. Angriffe mit Biowaffen würden am Überdruck des Bunkersystems abprallen. Spezielle Filteranlagen sollten außerdem die Zufuhr sauberer Frischluft in die Anlage sicherstellen. Im Bunker selbst versperrten meterdicke Türen aus Stahlbeton und Panzerglas den Weg zu den Rechnern und Datenspeichern. Verschiedene Kontrollen mit Chipkarten, Codes und biometrischen Erkennungssystemen regelten den Zugang in den Berg.

Heute liegt der Bunker einsam und verlassen inmitten der Schweizer Alpen. Die Soldaten haben ihre Wachtposten verlassen. Zellen, in denen sich noch vor wenigen Monaten das Hightech-Equipment der Kunden stapelte, verstauben. Schuld daran ist jedoch nicht eine Attacke zu allem entschlossener Cyber-Terroristen, sondern die Pleite des Betreibers. Dass dabei wohl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, machen die anhaltenden Querelen um die Firmenliquidierung deutlich. Obwohl das Konkursverfahren Anfang Februar offiziell abgeschlossen wurde, planen Gläubiger eine Klage gegen den Verwaltungsrat des Mutterunternehmens Mount-10 Holding AG. Sollten die derzeit laufenden Vergleichsverhandlungen scheitern, wollen die Mount-10-Geschädigten zivil- und strafrechtlich gegen das Unternehmen vorgehen.

Auf einer eigens zum Konkurs eingerichteten Web-Seite (www.mount-10.de) lassen die Gläubiger ihrem Ärger freien Lauf. Die Verantwortlichen hätten aus egoistischen Gründen gehandelt und seien nur auf den eigenen Profit aus gewesen, heißt es dort. Außerdem gebe es laut Aussage von Hanspeter Geissmann, der als Rechtsanwalt eine Gläubigergruppe vertritt, Hinweise auf "fragwürdige Handlungen gewisser Personen". Er beruft sich dabei auf einen Untersuchungsbericht des zuständigen Konkursamtes im schweizerischen Dübendorf. So seien beispielsweise bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens Vermögenswerte verschoben worden.

Doch die Pannenserie, die letztendlich zur Pleite führte, begann bereits früher. Laut einem Bericht des Schweizer Finanzmagazins "Cash" war die Mount-10 Service AG bereits bei ihrer Gründung überschuldet. Zwar segneten Revisoren von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) Anfang 2000 den Gründungsbericht ab. Ein Jahr später jedoch stellten die gleichen Prüfer angesichts der Jahreszahlen für 2000 die Überschuldung des Unternehmens fest. Der Gang zum Konkursrichter konnte nur dadurch verhindert werden, dass die Gläubiger ihre Forderungen zurückstellten. Dies verwunderte nicht weiter, da die Gläubiger bei der Muttergesellschaft Mount-10 Holding AG saßen. Die Finanzmisere hielt die Verantwortlichen nicht davon ab, das Unternehmen im Mai 2001 an die Börse zu bringen. Kurz darauf sei laut dem Bericht des Konkursamtes die Pleite der Mount-10 Service AG absehbar gewesen.

Das Finanzchaos machte sich auch im Betrieb der Datenfestung bemerkbar. So stellte die Schweizer Armee bereits Ende 2000 den Wachdienst für den Bunker ein. Begründung: nicht bezahlte Rechnungen in Höhe von 100000 Schweizer Franken. Andere Zulieferer, die den Bunker während der ersten Hälfte 2001 für das erste und einzige Großprojekt "Stellax" der Bank Julius Bär ausbauen sollten, mussten um ihr Geld kämpfen. Außenstände seien oft erst nach Pfanddrohungen und Arbeitsunterbrechungen beglichen worden. Auch die hohen Sicherheitsstandards, die eigentlich für den Betrieb von Banken-IT gelten, seien laut einem Insider zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewährleistet gewesen. So hätten auf den Servern wegen der Bauarbeiten zentimeterdicke Staubdecken gelegen. Außerdem hätten Feuerlösch- und Wasserschutzsysteme nur unzureichend funktioniert. Aus diesem Grund hätten die Verantwortlichen der Bank Julius Bär kurz nach dem Börsengang der Schweizer das Stellax-Projekt auch abgebrochen.

Die Verantwortlichen von Mount-10 weisen alle Vorwürfe zurück. So sei bei der Liquidation des Serviceablegers alles korrekt abgewickelt worden, beteuert Adrian Knapp, Präsident des Verwaltungsrates bei der Mount-10 Holding AG, die heute herkömmliche Storage-Dienstleistungen vermarktet. Allerdings, so räumt er ein, seien in der Vergangenheit wohl einige Entwicklungen falsch eingeschätzt worden. Die Gläubiger, zu denen eine Reihe ehemaliger Mitarbeiter gehört, die unter anderem auf Abfindungszahlungen und Spesenausgleich warten, werden sich mit diesem Eingeständnis aber wohl kaum zufrieden geben. (ba)