Internet-Banking ohne Umweg über T-Online

Advance-Bank ermöglicht Transaktionen im Web

25.04.1997

Mit einer Info-Homepage ist die hundertprozentige Tochter der Vereinsbank schon seit ihrer Gründung im WWW präsent. Aber ihre eigentlichen Bankaktivitäten beschränkte sie mehr als ein Jahr lang auf das Telefon-Banking. Fehlende Sicherheitsstandards hatten den Finanzdienstleister, so der für die Informationstechnik zuständige Vorstand Volker Visser, davon abgehalten, das Internet oder die Online-Dienste als Transaktionsmedien zu nutzen.

Spätestens Anfang Mai wird das alles anders. Der neue Web-Auftritt der Bank hört nicht beim Re-Design der Homepage auf, sondern schließt die Möglichkeit ein, das Internet als Vehikel für das Online-Banking zu nutzen. Im Klartext: Die Advance-Bank-Kunden können demnächst über das World Wide Web ihre Kontostände abfragen, Daueraufträge einrichten oder Überweisungen anstoßen. Darüber hinaus sollen sie in Gruppenforen Zugriff auf das Know-how der Advance-Bank-Mitarbeiter erhalten.

Was Vissers Bedenken gegen das Online-Banking letztlich zerstreut hat, sind Sicherheitsfunktionen, die erst seit ein paar Monaten zur Verfügung stehen. Dazu zählt vor allem die Möglichkeit, für die Datenverschlüsselung einen 128stelligen Code zu nutzen. In den USA ist die dafür notwendige Technologie schon lange verfügbar, doch die Clinton-Administration hat deren Einsatz strengen Reglementierungen und Exportbeschränkungen unterworfen.

In Deutschland erlegt die Bundesregierung den Unternehmen noch keine Beschränkungen auf. So kann die in Böblingen ansässige Brokat Informationssysteme GmbH ungehindert eine Java-basierte Verschlüsselungssoftware namens "Xpresso Security Package" anbieten, die mit 128 Bit langen Codes arbeitet. Neben der Ad- vance-Bank machen auch die Bank 24, der Discount-Broker Consors und die Direkt Anlage Bank davon Gebrauch.

Xpresso arbeitet mit einem Mix aus symmetrischen und asymmetrischen Verschlüsselungsmechanismen. Der Kunde erhält - wie allgemein üblich - eine Persönliche Identifikationsnummer (Pin), eine Geheimzahl sowie eine Liste mit Transaktionsnummern (Tan), die er sukzessive - Vorgang für Vorgang - abarbeitet.

Die Bank verifiziert jede Transaktion, indem sie eine dreistellige Bestätigungsnummer (Ben) zurückschickt. Die einzige Zugangsvoraussetzung für den Benutzer ist ein Java-fähiger Web-Browser. Visser erwartet, daß rund 30 Prozent der momentanen Kunden die Möglichkeit des Internet-Banking nutzen werden.

Um ungebetene Gäste von den eigenen Daten fernzuhalten, hat die Advance-Bank ein doppeltes Firewall-System aufgebaut. Die erste Sicherheitsschleuse befindet sich vor dem Web-Server, der neuerdings nicht mehr beim Internet-Provider, sondern im Bankgebäude steht. Die eigentlichen Inhouse-Systeme sind durch eine zweite Zugriffsbremse gegen die Außenwelt abgeschottet.

Offenbar ist sich der Finanzdienstleister sicher, daß sein System jeden Einbruchsversuch abblockt. Jedenfalls hat er sich bereit erklärt, das Risiko des Mißbrauchs zu tragen, sofern der Kunde Pin und Tan vor dem Zugriff Dritter geschützt hat. Auf die Frage, wem die Beweislast obliege, beteuerte Visser, daß im Zweifelsfall der Kunde recht habe. Zudem werde die Bank selbst in dem Fall, daß der Klient fahrlässig gehandelt habe, neun Zehntel der entstandenen Kosten übernehmen.

Anders als bei anderen Finanzdienstleistern haben die Kunden der Advance-Bank derzeit nicht die Möglichkeit, Online-Banking via T-Online und mit Hilfe der Softwareprodukte "Quicken" oder "MS Money" zu betreiben. Visser begründete diese Zurückhaltung zum einen damit, daß die Bank ihre Kunden nicht auf einen Provider festlegen wolle. Zum anderen seien die Sicherheitsstandards, die die Advance-Bank in ihrer Internet-Lösung implementiert habe, noch strikter als die von T-Online genutzten Mechanismen.

Wie Steffen Freytag, Mitarbeiter in der Organisations- und Informatikabteilung, ergänzte, wird die Vereinsbank-Tochter den T-Online-Anwendern möglicherweise entgegenkommen, sobald der vom Bundesverband Deutscher Banken favorisierte Sicherheitsstandard "Home Banking Computer Interface" (HBCI) in der Version 2 vorliegt. Das wird voraussichtlich Mitte dieses Jahres der Fall sein.

Rund 76 Millionen Mark hat die Advance-Bank seit ihrer Gründung in Hardware und Software investiert. Kürzlich tat sich eine ungeahnte Gelegenheit auf, diese Kosten wenigstens teilweise wieder hereinzubekommen. Die Vereinsbank-Tochter hat ihre Direkt-Banking-Software an den Banco Ambrosiano de Veneto lizenziert und gleich zwei Experten abgestellt, die dem italienischen Finanzdienstleister beim Aufbau eines Online-Systems behilflich sein sollen. Zwei weitere sollen demnächst folgen.

Visser schloß nicht aus, daß solche Aktivitäten künftig in einen separaten Unternehmensbereich ausgegliedert werden. Immerhin seien bereits mehr als 1000 Beratertage verkauft worden, und die Nachfrage übersteige jetzt schon die Kapazitäten. Auch für das Direktbanksystem lägen bereits weitere Anfragen vor - unter anderem von einer deutschen Direktbank, die sich noch im Aufbau befinde. Insider wissen, wer gemeint ist: die künftige Tochter der Dresdner Bank AG.

DIE BANK

Im März des vergangenen Jahres gegründet, konnte die Advance-Bank bislang 25 000 Kunden gewinnen. Nicht ohne Stolz verweist der Vorstandssprecher Hans-Jürgen Raab darauf, daß sich nur sechs Prozent dieser Klientel mit der Kundenbasis des Mutterinstituts Vereinsbank überschneiden. Das Wertevolumen betrug im Dezember des vergangenen Jahres insgesamt 1,3 Milliarden Mark. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte der Finanzdienstleister 270 Mitarbeiter, die im laufenden Jahr um weitere 30 ergänzt werden sollen. Das negative Ergebnis in Höhe von 78 Millionen Mark begründet Raab mit den hohen Aufbauinvestitionen. Mit einem ersten positiven Bilanzabschluß rechnet er für das Jahr 2000.