Freihandel

Abhör-Ärger als dunkle Wolke über transatlantischem Abkommen

03.07.2013
Mit Groll über die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA ziehen die Europäer am kommenden Montag in Washington in erste Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen.

Doch während Europa sich empört, geben sich die Amerikaner gelassen. Keiner scheint daran zu zweifeln, dass der Zorn rechtzeitig verpufft. Nervös bleibt Washington hingegen, ob der Urheber des Ärgers, der Informant Edward Snowden, noch mehr Enthüllungen auf Lager hat.

"Die Europäer würden sich ins eigene Knie schießen, wenn sie das Abkommen an der NSA-Affäre scheitern lassen", sagt Michael Haltzel vom Zentrum für Transatlantische Beziehungen an der Johns Hopkins University in Washington der Nachrichtenagentur dpa. "Denn obgleich der Nutzen dieses wichtigen Abkommens für beide Seiten des Atlantiks groß ist, profitieren die Europäer davon nach Berechnungen von Ökonomen noch etwas mehr."

Durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelsschranken, wie sie die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) vorsieht, soll nach Berechnungen von Ökonomen das Bruttoinlandsprodukt in der EU um 0,5 Prozent steigen - in den USA um 0,4 Prozent. Bereits jetzt beträgt das Handelsvolumen drei Milliarden Dollar (rund 2,3 Milliarden Euro) am Tag. Die EU hofft, dass das Freihandelsabkommen ihr einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 120 Milliarden Euro jährlich bringt sowie 400.000 neue Arbeitsplätze.

"Würden die Europäer uns jetzt einen Korb geben, hätten wir immer noch die Möglichkeit, uns in Richtung Pazifik zu orientieren", sagt ein US-Experte aus dem Verhandlungskreis. "Die EU wird nicht riskieren, ihren größten Partner wegen einer Verstimmung in die Wüste zu schicken." Die EU-Kommission hat am Dienstag bereits erklärt, dass sie ungeachtet der Spionagevorwürfe gegen Washington am Start der Handelsgespräche festhält.

Auch die neue Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, spielt die Auswirkungen des NSA-Skandals herunter. "Ich glaube nicht, dass die diplomatischen Konsequenzen derart groß sind", erklärte Rice US-Medien. "Zumindest nicht, soweit vorhersehbar."

Genau da liegt für die US-Regierung der Hase im Pfeffer: Zum einen hat "Guardian"-Reporter Glenn Greenwald wissen lassen, dass die wichtigsten Enthüllungen seines Informanten Snowden noch gar nicht veröffentlicht worden seien. Der US-Geheimdienst fürchtet diese noch unbekannten Informationen möglicherweise mehr als die bekannten.

Zum anderen könnten die Geheimdienste in Russland und China bereits mehr Einblick haben. Snowden reist angeblich mit vier Laptops voller Informationen umher. Unklar ist, wie kooperativ er sich auf seiner bisherigen Flucht gegenüber den Geheimdiensten in Hongkong und Moskau gezeigt hat - oder wie erfolgreich deren Hacker waren.

"Der NSA-Skandal geht weiter, und je mehr Edward Snowden herauslässt, desto unangenehmer wird es für die Obama-Regierung, mit ihren europäischen Partnern zu reden", sagt der republikanische Kommentator John Gizzi der dpa.

Während die USA versuchen, durch weiteren Dialog Schaden abzuwenden, gelten alle Anstrengungen der Auslieferung des flüchtigen "Whistleblowers". Nach Ansicht des Rechtsexperten Stephen Vladeck ist sie die Quadratur des Kreises: Die Auslieferung sei weniger ein legales, denn ein politisches Problem, sagte er dem Magazin "Foreign Affairs". Was die US-Position erschwere, sei die "Feindseligkeit und Bitterkeit" von Ländern wie Russland und China, die den USA ihre gerade enthüllten Spionagemethoden verübelten. (dpa/tc)