Holt zum Gegenschlag gegen Google aus

180-Grad-Wende: Microsoft will Office via Web streamen

25.04.2008
Unter Druck durch Google Apps und vergleichbare Web-Anwendungen ändert Microsoft im Rahmen eines einjährigen Pilotversuchs seine Lizenz für Office so, dass Hosting-Provider das Paket via Application Streaming anbieten können.

Die offizielle Ankündigung des Sinneswandels, den die Hosting-Partner seit Jahren fordern, will Microsoft einem Bericht unserer US-Kollegen von der "Computerworld" zufolge in der kommenden Woche auf seiner Hausmesse Management Summit in Las Vegas machen.

Bislang gestattete das Service Provider Licensing Agreement (SPLA) für Office 2007 nur den Zugriff über Terminal Services. Dabei laufen die Programme allerdings komplett auf dem Server ab, lediglich die Bildschirmausgabe wird zum Nutzer übertragen. Beim Application Streaming kommt dagegen die komplette Applikation Bit für Bit über das Netz zum Anwender und bleibt dort auch nach Ende der Netzverbindung lokal gespeichert.

Ab Juni soll dies zunächst zwölf Monate lang für die Office-Versionen "Standard" und "Professional Plus" gestattet sein. Beim ersten Aufruf würde der Download der Programme bei eine Breitband-Verbindung zwar einige Minuten dauern, jeder weitere Start wäre aber in zehn bis 20 Sekunden erledigt.

Microsofts Office-Sparte hatte sich bisher stets gegen ein gestreamtes Office gesperrt aus Angst, dadurch ihr Geschäft mit Packaged Software zu kannibalisieren, und vor Piraterie. Die jüngsten Erfolge von Paketen wie Google Apps, Zimbra (Yahoo!), Zoho Office oder ThinkFree haben aber nun wohl ein Umdenken erzwungen.

Natürlich wäre es auch denkbar, dass Microsoft Office auch direkt selbst ohne den Umweg über Partner zum Endkunden streamt. Hinreichend große Data Center baut der Konzern gerade auf.

Bleibt natürlich die Preisfrage. "Warum sollte eine kleine Firma einen Arm und ein Bein bezahlen, wenn sie Google Docs oder OpenOffice kostenlos bekommt?" fragt Ty Schwab, CEO von Blackhawk Technology Consulting aus Eugene, Oregon, Reseller für Application-Streaming-Software. Der Preis müsse schon "nahe dran sein, wenn Microsoft in diesem Bereich eine Macht werden will". Google verlangt für die kostenpflichtige Enterprise-Ausführung von Google Apps 50 Dollar pro Nutzer und Jahr, wobei die Software des Internet-Konzern allerdings auch deutlich weniger kann als Microsofts etabliertes Büropaket.

Application Streaming ist eine Art Untermenge von Desktop-Virtualisierung (bei der gleich die komplette Arbeitsumgebung inklusive Betriebssystem über das Netz geschickt wird) und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Microsoft hat sich mit der Übernahme von Softgrid entsprechende Technik gesichert und vermarktet sie seit etwa einem Jahr bei Unternehmenskunden. VMware hat Anfang des Jahres die Application-Streaming-Firma Thinstall gekauft, und Symantec steht vor der Akquisition von AppStream. Daneben gibt es noch unabhängige Spezialanbieter wie Endeavours Technologies. Dessen "Application Jukebox" lässt sich auch so konfigurieren, dass ein Endnutzer ein Softwarepaket wie Office zumindest zeitweise (etwa während eine Flugreise) komplett offline betreiben kann. (tc)