Jahresrückblick 2008

IT-Branche fährt Achterbahn

16.12.2008 von Martin Bayer und Alexander Freimark
Das Jahr 2008 war großes Kino: Rasanter Aufschwung und deprimierende Krise wechselten einander ab. Für Hollywood fehlte nur das Happy End.

Nach den ersten 31 Tagen hätte der Schiedsrichter das Jahr 2008 eigentlich locker abpfeifen können, denn es keimte der Verdacht: Das wird nicht besser. Schließlich bot der Januar alles, was einen extrem spannenden Monat ausmacht - teure Übernahmen (Oracle kauft Bea Systems und Sun kauft MySQL), glamouröse Prominente (Bill Gates verabschiedet sich auf der Consumer Electronic Show), menschliche Abgründe (Nokia zieht von Bochum nach Rumänien), Crash der internationalen Börsen, hinterhältige Verräter (Blu-Ray: Warner fällt HD DVD in den Rücken; Hornbach und Hellmann fallen SAP in den Rücken) und natürlich jede Menge sexy Toys (Apple stellt das MacBook Air vor; Asus Eee PC kommt in Deutschland auf den Markt).

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Fürs Enterprise-Geschäft muss Microsoft noch üben
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IT-Gehälter 2008
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Green IT?
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Alles aus SAP herausholen
CW 46/08
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Cost Cutting
CW 48/08
CIO des Jahres 2008
CW 49/08
Der virtuelle Desktop
CW 50/08
Cloud Computing
CW 51-52/08
Jahresrückblick 2008

Allerdings wurde im Januar auch die Saat des (ökonomischen) Verderbens gelegt, buchstäblich in diesem Artikel: "Fünf-Milliarden-Banker umgeht Software für das Risiko-Management". Um diese Schlagzeile im historischen Kontext einordnen zu können, sei darauf hingewiesen, dass fünf Milliarden Dollar vor einem Jahr noch richtig viel Wert waren. Und dass die Meinung vorherrschte, Risiken mit Software managen zu können. Ein 31-jähriger Händler der französischen Großbank Société Générale hatte damals Handelspositionen von insgesamt etwa 50 Milliarden Euro aufgebaut und seine Aktionen vor dem Risikomanagement der Bank geheim gehalten. Manager des Finanzkonzerns behaupteten anschließend, dass sich der Händler in das Computersystem "gehackt" und die Kontrollmechanismen für seine Geschäfte aufgehoben hatte. Er wollte vermutlich seine durch die Börsenbaisse aufgelaufenen Verluste vertuschen.

Nach der Krise ist vor der Krise

Womit wir beim beherrschenden Thema 2008 wären: der Krise. Diese, anfänglich eine kostspielige Privatangelegenheit der Banken, weitete sich im Verlauf des Jahres zu einer Immobilien-, Medien- und Automobilbauer-Krise aus, bevor die im dritten Quartal zur Wirtschaftskrise (im Web: "Jahrhundertkrise") beförderte Tragödie dann in der offiziellen Bestätigung einer Rezession kumulierte. Von 100 auf null in einem Jahr - so weit zum Thema Nachhaltigkeit. Immerhin hat die Krise eindrücklich gezeigt, dass Globalisierung funktioniert, denn schließlich ist die gesamte industrialisierte Welt in ihren Strudel geraten.

Im Februar zeichnete sich dann auch folgerichtig ab, dass sich das hohe Tempo des ersten Monats nicht halten lässt: Microsoft kündigte die Übernahme von Yahoo an, Yahoo hingegen pokerte zu hoch. Es kam nicht zum Schwur, und die Transaktion zog sich über den gesamten Jahresverlauf hin, wobei sich die Vorzeichen veränderten: Als Yahoo musste, mochte Microsoft nicht mehr. Richtig genützt hat die bizarre Aktion niemandem. Auch die bereits 2007 eingeleitete Übernahme von 3Com durch Bain Capital und Huawei platzte 2008, angeblich aufgrund amerikanischer Vorbehalte bezüglich der nationalen Sicherheit.

Mehrere Monate in der Schwebe hing die Akquisition von Foundry Networks durch Brocade. Ursprünglich waren drei Milliarden Dollar geboten worden, parallel zur Kursentwicklung einigte man sich Monate später auf 2,6 Milliarden Dollar. Bis Redaktionsschluss hatten Foundry-Aktionäre nicht entschieden, ob sie der abgespeckten Offerte zustimmen. Eine Nummer kleiner (346 Millionen Dollar) war die geplante Übernahme von i2 Technologies durch JDA. Auch hier kam es aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu einer Hängepartie, die nun entschieden ist: Für einen Zusammenschluss reicht das Geld nicht aus. Auch im oberen Softwaresektor war die Konsolidierung kein Thema: Weder SAP noch Tibco, Adobe, Symantec, CA, Software AG, IDS Scheer oder Open Text wurden geschluckt.

Hewlett-Packard kauft und feuert

Einziger Mega-Deal des Jahres neben Oracle/Bea war daher die im Mai verkündete Übernahme von EDS durch Hewlett-Packard (HP). Knapp 14 Milliarden Dollar kostete HPs Coup, um zu IBM aufzuschließen - der größte Deal der Kalifornier seit dem Kauf von Compaq. Die Einsparungen: Rund 25 000 Mitarbeiter werden in drei Jahren nicht mehr an Bord sein, kündigte der Konzern (noch vor der "Jahrhundertkrise") an; von 4200 deutschen EDS-Mitarbeitern müssen in den kommenden zwei Jahren 1150 gehen, HP Deutschland streicht bei sich 250 Stellen. Dennoch kann der Konzern mit dem Jahr 2008 zufrieden sein: Mit einem starken PC-Geschäft und guten Quartalszahlen hat sich HP erfolgreich gegen den Abschwung gestemmt. Und trotz des Rückgangs bei Server-Umsätzen im dritten Quartal konnte HP seinen Marktanteil auf Kosten der Konkurrenz ausbauen.

Zu den Unternehmen und ihren Anteilseignern, die nicht unbeschadet durch das Jahr gekommen sind, zählen ehemalige Überflieger wie beispielsweise VMware. Deren Aktienkurs 2008 erinnerte an eine Bergetappe der Tour de France, nur verkehrt herum gefahren: Zwischen 85 und 17 Dollar je Aktie war alles drin. Sun Microsystems fiel von 17 auf drei Dollar, Google von 685 auf 250 Dollar. Auch Google hat Sparmaßnahmen eingeleitet, was tatsächlich auf eine schlimme Krise schließen ließ. Blackberry-Hersteller RIM schrumpfte in sechs Monaten von 148 auf 35 Dollar, die Kurse von Microsoft und Intel halbierten sich zwischenzeitlich, und selbst bei IBM kam es zum Absturz, wenn auch ähnlich wie bei Oracle erst im Oktober. Und die erfolgsverwöhnten Inder mit ihren Outsourcing-Konzernen? Abwärts!

Licht und Schatten in Deutschland

Hierzulande war das IT-Jahr von einigem Licht, aber auch von dunklen Schatten geprägt. Letzteres galt speziell für die Hardware-Szene, in der Maxdata und Fujitsu-Siemens Computers (FSC) die Schlagzeilen dominierten. Maxdata meldete im Juni Insolvenz an, für viele Partner kam der Schritt nicht überraschend. Sie kreideten dem Management schwere Fehler und Versäumnisse an. Auch bei FSC lässt sich nicht leugnen, dass in der Vergangenheit oft die Weichen falsch gestellt wurden. So war schon seit Jahren zu beobachten, wie der einstige PC-Marktführer in Deutschland an Boden verlor. Das Trendthema Netbooks haben die FSCler fast verschlafen.

Anfang November wurden dann die Gerüchte bestätigt, dass Siemens seinen Anteil am Joint Venture an den Partner Fujitsu verkauft. 450 Millionen Euro wechselten den Besitzer, FSC-Chef Bernd Bischoff musste gehen. Was Fujitsu mit dem Kauf anfängt und welche Teile gehalten (oder etwa an Lenovo verkauft) werden, ist nicht klar. Ende November wurden erst einmal 700 der rund 6000 Stellen in Deutschland gestrichen.

Die deutsche Premium-Softwareszene konnte sich dem allgemeinen Abwärtstrend ebenfalls nur schwer entziehen. IDS Scheer feuerte seinen CEO Thomas Volk im September nach nur zwei Jahren und ersetzte ihn durch das Aufsichtsratsmitglied Peter Gerard. Zuvor war nach mäßigen Zahlen ein Konzernumbau eingeleitet worden. Im Herbst verschlechterte sich die Situation, für das Abschlussquartal wurde ein Umsatzminus befürchtet und ein weiterer Stellenabbau geprüft. Immerhin konnte Mitgründer August-Wilhelm Scheer die rasante Talfahrt der Aktien aufhalten, indem er Anfang November öffentlich über eine Übernahme des Unternehmens philosophierte: "Es geht um mein Lebenswerk." Bislang war es immer um Unabhängigkeit gegangen, aber schwierige Zeiten erfordern bekanntlich besondere Lösungen, auch wenn es sich nur um eine Loslösung handelt.

Die Software AG konnte immerhin noch ein gutes drittes Quartal verbuchen. Für das Gesamtjahr waren die Darmstädter dann indes ebenfalls pessimistisch gestimmt. Anfang des Jahres hatte Firmenchef Karl-Heinz Streibich noch die Devise wiederholt, die Umsatzmilliarde zu schaffen: "Wir gehen davon aus, dass wir dieses Ziel nicht erst 2011, sondern schon früher erreichen." Und auch im Juni war der Manager nicht von dem ambitionierten Planungen für 2008 abgerückt: "Trotz aller dunkler Wolken am großen Konjunkturhimmel werden wir unsere Prognosen halten." Angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich das Unternehmen aber immer noch achtbar aus der Affäre gezogen.

Schlechtes Timing bei der SAP

SAP-Chef Henning Kagermann gab sich Anfang September 2008 noch optimistisch.
Foto: computerworld.ch

Dies gilt zumindest in finanzieller Hinsicht auch für SAP. Und zumindest bis Mitte Oktober. Bis dahin hatte sich der Konzern gut behauptet, dann folgten eine Gewinnwarnung und Sparappelle an die Belegschaft, die von einer gewissen Hilflosigkeit zeugten - Urlaub spenden, Einstellungsstopp, Economy-Tickets, keine Weihnachtskalender mehr. Seitdem notiert die Aktie wieder auf dem Niveau von 2003. Zudem hat es SAP geschafft, die Bestandskunden des deutschen Mittelstands gegen sich aufzubringen. Ihnen wurde nämlich eine Erhöhung der Wartungsgebühren von 17 auf 22 Prozent präsentiert mit schrittweisen Steigerungen über vier Jahre. Unter dem Strich wachsen die Wartungsgebühren damit um 29 Prozent. Und den neuen Enterprise Support lehnen viel Kunden ab, weil er ihnen keine Vorteile bringt und man in Asien anrufen muss, um geschäftskritische Probleme zu besprechen.

Im Oktober wurde die SAP von der Krise überrollt.

Interessant ist eine der offiziell genannten Begründungen für das Zwangs-Upgrade: Die Anforderungen der Anwender an den Support ihrer immer komplexer werdenden ERP-Landschaft würden sich mit der Standardwartung nicht mehr befriedigen lassen. Dass SAP selbst die Einführung ihrer neuen Produkte stets mit dem Verweis auf sinkende Komplexität und Lifecycle-Kosten beworben hat, lässt auf einen gesunden Zynismus im Walldorfer Vertrieb schließen - erst machen wir alles kaputt, dann kassieren wir für den Wiederaufbau. Dass die Großkunden von der Steigerung (vorerst) ausgenommen sind, kam nicht gut an im Mittelstand. Zudem ritt CEO Henning Kagermann im ersten Halbjahr 2008 mehrfach gegenüber Investoren auf der Aussage herum, dass eine operative Marge von 35 Prozent in den nächsten Jahren erreichbar sei. Für SAP natürlich, nicht für die Anwender.

Gegen Ende des Jahres formierte sich dann auch der Widerstand der Kunden in Deutschland, der Basis des einstigen SAP-Erfolgs. Allein die Tatsache, dass Dutzende CIOs im Namen ihrer Unternehmen öffentlich Front gegen die SAP-Pläne machten, zeigt die Tiefe des Spalts, der sich zwischen dem Lieferanten und seinen Abnehmern aufgetan hat. Und selbst die eigentliche herstellertreue Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe DSAG begehrte auf und drohte, die SAP-Wartung kartellrechtlich prüfen zu lassen. Fazit: Bei der Gratwanderung zwischen Investoren und Kunden hat sich SAP 2008 für eine Seite entschieden. Da hilft es wenig, dass auch Oracle Mitte des Jahres die Lizenzpreise angehoben hat, was ja wiederum dem eigenen Wartungsgeschäft zugute kommt. Kleiner Tipp für Kunden: SAP bietet auch einen Finanzierungs-Service für Unternehmen, die "IT-Budgets problemlos planen und steuern" wollen. Und allein der Solution Manager rechtfertige den Aufschlag, argumentierte SAPs designierter Allein-CEO Leo Apotheker.

Deutsche Telekom: Kein Händchen für den Datenschutz

Doch auch hierzulande gab es Lichtblicke, selbst für gebeutelte Aktionäre. Dafür verantwortlich war diesmal die Deutsche Telekom, deren Management jahrelang dafür gerügt worden war, dass sich der Aktienkurs nicht bewege. Und tatsächlich: Seit März 2008 hat sich das Papier der Telekom kaum bewegt, während die meisten anderen Dax-Werte am Carrier vorbei in die Tiefe rauschten. Dies war umso überraschender, da die Telekom ihre Probleme im Festnetz (Stichwort: Flucht) noch nicht in den Griff bekommen hat und das Wachstum in anderen Segmenten längst an seine Grenzen gestoßen ist.

Zudem sorgte die Telekom im Laufe des Jahres mit immer neuen Enthüllungen zum Thema Datenschutz für Erregung. Mal waren 17 Millionen Datensätze geklaut worden, dann wurde die Bespitzelung von Aufsichtsräten, Mitarbeitern, Betriebsräten und Journalisten-Kindern bekannt, schließlich tauchten Kundendaten bei obskuren Drückerkolonnen von Wettbewerbern auf. Das T-Management hielt sich bedeckt, gab sich dann aber betont aufklärungswillig und berief mit Manfred Balz einen neuen Vorstand für Datenschutz, Recht, Compliance sowie das ganze neumodische Gedöns, für das es leider keine Applikation von der Stange gibt. Die Berufung erlaubt es immerhin, bei derartigen Vorwürfen in Zukunft elegant einen Blitzableiter präsentieren zu können. Verwunderlich ist nur, dass es den Call-Centern der Bonner in der Regel selbst nicht gelingt, bei Anrufen auf die aktuellen Kundendaten zuzugreifen ("Das ist Sache von T-Home, rufen Sie da an").

Intershop trotzt der Pleite

Sieger des Jahres 2008 im heimischen IT-Mittelstand war Intershop, das sich der Pleite stur verweigert hat. Trotz diverser Veränderungen im Management und Aufsichtsrat, neuen Anteileignern und strategischen Wirrungen bilanzierte das Unternehmen erstmals in seiner Geschichte ein positives operatives Ergebnis nach neun Monaten des Geschäftsjahres. Zudem wurden noch im November gegen den allgemeinen Abwärtstrend die Jahresprognose bestätigt, wonach ein "signifikanter Gewinn" ausgewiesen werden soll. Nachdem es viele Jahre ohne CFO ausgekommen war, leistete sich das Jenaer Softwareunternehmen im April mit Peter Vedder wieder einen Finanzchef. Ob das ein gutes oder schlechtes Signal ist, muss sich noch zeigen.

Apple im Aufwind

Gute Signale empfing die zweite Generation des Apple iPhone, nämlich 3G. Diese und weitere Verbesserungen sowie ein Krisenrabatt sorgten für eine mächtig große Nachfrage nach dem - darf man es überhaupt noch so nennen - Handy. Zudem gelang Apple ein Scoop, nämlich die Präsentation des Axel-Springer-Verlags als Referenzanwender. Dessen scheidender CIO Thomas Tribius (er geht zur Otto-Gruppe) sagte gegenüber der CW den denkwürdigen Satz: "Wir beschäftigen uns im gesamten Haus schon seit längerem mit der Frage, wie wir das kreative Potenzial und die Freude an der Arbeit bei den Mitarbeitern informationstechnisch unterstützen können." 12.000 Arbeitsplätze werden nun auf Macs umgestellt, die Blackberries gegen iPhones ausgetauscht.

Google goes mobile

Auch von Google gab es 2008 Neuigkeiten, etwa die Markteinführung des Handys "G1" auf Basis des Android-Betriebssystems. Gebaut wird es von HTC, vermarktet von T-Mobile. Zumindest wurde es nicht von Beginn an verrissen, was auf ein passables Modell schließen lässt. Außerdem brachte Google einen eigenen Browser auf den Markt - "Chrome". Auch dieser war nicht schlecht, doch lieferte er kaum Argumente für einen Umzug von einer der bekannten Browser-Plattformen. Folglich landete Chrome in einer Nische, was ja bei Googles innovativen Services keine Ausnahme darstellt.

Was passiert nach Vista?

Microsoft stellte mit "Windows 7" und "Azure" neue Betriebssysteme vor. Ersteres ist für PCs gedacht und soll die Vista-Schlappe vergessen machen. Auch 2008 konnte sich der XP-Nachfolger nicht etablieren, weshalb Microsoft vorzeitig Plan B einleitete und die Gerüchteküche um Windows 7 anheizte. Mit Erfolg, denn über Vista wird kaum noch ein Wort verloren. Azure hingegen ist ein Betriebssystem für das Web beziehungsweise eine Plattform für das Cloud-Computing. Der Vorteil: Es muss nicht auf eigenen Rechnern installiert werden, sondern läuft in Rechenzentren von Microsoft.

Hoffnungsschimmer für die Branche: Cloud Computing

Cloud-Computing war überhaupt einer der großen Trends des Jahres. Da die Wolke des Internets allgegenwärtig ist, fällt auch eine Abgrenzung zu anderen Schlagwörtern schwer - Software-as-a-Service (SaaS) und Grid-Computing sind Beispiele. Cloud bedeutet in erster Linie, dass IT-Aufgaben nicht mehr im Keller ("on-premise"), sondern irgendwo in den unendlichen Weiten des Netzes gelöst werden. Meistens sind dort die Keller größer, tiefer und vollgestellter, was wiederum die Preise für die Rechenarbeit flexibler, angemessener und kleiner machen soll. So sieht zumindest der mittelfristige Plan aus, der 2008 den Kunden vorgelegt wurde. Künftig gibt es auch Microsofts Office-Paket aus der (Azure-basierten) Cloud, Speicherplatz von Amazon und diverse Anwendungen etwa von Google. Bleibt zu klären, wie die Schnittstellen zwischen den Wolken abgekürzt werden - CPIs?

Die Musik spielte 2008 in der Hardware - am oberen und am unteren Ende der Leistungsskala. Oben machten die Supercomputer Roadrunner (IBM) und Jaguar (Cray) erfolgreich Jagd auf die Petaflops-Schwelle. Der Jaguar schaffte 1059 Billionen Rechenschritten pro Sekunde, der Roadrunner verteidigte seinen 2008 eroberten Spitzenplatz knapp mit 1105 Teraflops. Beide Computer sollen rund 100 000 Mal schneller als ein durchschnittlicher PC sein. Unten in der Hardwareskala machten die Verbraucher Jagd auf Netbooks. Diese hießen vor einem Jahr noch Ultra Mobile PCs (UMPCs), was das Interesse an ihnen aber nicht geschmälert hat. Die Verkaufszahlen waren gewaltig, denn die Geräte wurden als billige Zweit- und Drittrechner für alle Gelegenheiten angepriesen.

Beinahe gelöst wurde 2008 noch kurzerhand das Problem des Fachkräftemangels, denn zum Jahresende haben einige Unternehmen dem Arbeitsmarkt neue Ressourcen zur Verfügung gestellt. Natürlich werden sich Arbeitgeber auch im Jahr 2009 schwer tun, den kosmopolitischen Ingenieur mit MBA für ein Dauerpraktikum in Harsewinkel zu begeistern. Aber was wäre das Leben eines Managers ohne Herausforderungen? Daher sei zumindest erwähnt, das Nicholas Carr wieder ein Traktat an die Tür eines Rechenzentrums genagelt hat. Sein Tenor: Die Tage der internen IT sind gezählt. Recht hat er. Und im kommenden Jahr lesen Sie hier eine Artikelserie, wie Sie Ihre globalen Lieferketten Cloud-übergreifend mit Leitz-Ordnern, alten Lochkarten und Post-Its modellieren.

Deals - geplatzt, abgeblasen und vertagt

Wie nervös die Marktteilnehmer im weltweiten IT-Geschäft in den zurückliegenden Monaten agierten, zeigt eine ganze Reihe von geplatzten Deals beziehungsweise Geschäften, die seit Monaten in der Schwebe hängen:

Die Milliarden-Deals des Jahres

2008 haben sich die einschlägig bekannten Einkäufer unter den IT-Anbietern in Sachen Zukäufe merklich zurückgehalten. Der wachsende Wettbewerbsdruck und das schwierige wirtschaftliche Umfeld haben offenbar die Finanzverwalter dazu bewogen, die Türen ihrer Tresore geschlossen zu halten - vor allem in der zweiten Jahreshälfte. Dennoch gab es auch im zurückliegenden Jahr wieder einige Milliardengeschäfte. Das waren die größten Deals:

Die Flops des Jahres

Gleich zu Beginn des Jahres platzte im Pott die Bombe: Nokia gab bekannt, sein Werk in Bochum dicht zu machen und 2300 Beschäftigte sowie bis zu 1000 Leiharbeiter auf die Straße zu setzen. Die Fertigung sollte nach Rumänien, Ungarn und Finnland verlagert werden. Der Volkszorn kochte hoch und Politiker warfen medienwirksam ihre Nokia-Handys in den Müll. Gestritten wurde über den Sozialplan und die Frage, ob die Finnen zu Unrecht Subventionen kassiert hatten. Geholfen hat das alles nichts. Das Werk wurde geschlossen, die Mitarbeiter bekamen eine Abfindung und Nokia die Quittung: Die Marktanteile des Handyherstellers in Deutschland gingen überdurchschnittlich zurück.

Nach 39 Jahren kam 2008 das Ende für die Systems. Die Messe München zog einen Schlussstrich unter die dienstälteste IT-Messe Deutschlands. Zur Jahrtausendwende angetreten, der CeBIT das Fürchten zu lehren, ging es seitdem kontinuierlich mit Aussteller- und Besucherzahlen bergab. Im kommenden Jahr die reine B-to-B-Veranstaltung "Discuss & Discover" die Lücke schließen. Und wieder sind die Ziele hoch gesteckt. In fünf Jahren wollen die Veranstalter 50 000 Besucher anlocken und sich langfristig in ganz Europa einen Namen machen.

SAP Enterprise Support: SAP hat es im vergangenen Jahr geschafft, seine Kunden gewaltig vor den Kopf zu stoßen. Nachdem zunächst im Frühjahr die Support-Gebühren für die Neukunden von 17 auf 22 Prozent angehoben wurden, kamen im Sommer die Bestandskunden an die Reihe. Doch viele SAP-Kunden wollen sich die stufenweise Erhöhung der Wartungskosten nicht gefallen lassen und gingen auf die Barrikaden. Sie kündigten an, die neuen Verträge nicht zu unterschreiben und es auf eine Konfrontation mit dem Softwareriesen ankommen zu lassen. Anfang Dezember nahm SAP in Deutschland und Österreich die Kündigung der alten Wartungsverträge zurück.

Schwarzes Jahr für die Deutsche Telekom

2008 war kein gutes Jahr für die Deutsche Telekom. Der Konzern stolperte von einer Panne in die nächste:

Verlierer des Jahres - der Datenschutz

Schreck in der Vorweihnachtszeit: Datenhehler haben Informationen zu Bankverbindungen von rund 21 Millionen Bundesbürgern feilgeboten. Im schlimmsten Fall könnte Geld von Girokonten abgebucht werden, ohne dass der Inhaber jemals eine Einzugsermächtigung erteilt hat. Innenminister Wolfgang Schäuble kündigte an, den Kampf gegen die Datendiebe aufzunehmen und Verstöße gegen schärfer zu ahnden. Die Opposition warf der Regierung indes vor, die notwendigen Maßnahmen versäumt zu haben. Der Winterschlaf könnte die Bundesbürger teuer zu stehen kommen, warnen sie. Dabei werden die Konten doch sowieso schon für Weihnachtsgeschenke geplündert.

Im Juni stellte sich heraus, dass Meldedaten von rund 500 000 Bürgern aus 15 deutschen Kommunen über Monate hinweg frei im Internet zugänglich waren. Ursache der Datenpanne: Die Verantwortlichen hatten das Standardpasswort für die Verwaltungssoftware nicht geändert.

Die Verbraucherschützer trauten ihren Augen nicht. Im August landete ein Datenträger mit Namen, Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und Bankinformationen von 17 000 Bundesbürgern auf dem Tisch der Verbraucherschutzzentrale Schleswig-Holstein. Mit den Daten wurde offen rege gehandelt. Das Ganze sei nur die Spitze eines Eisbergs, heiß es.

Bundes-Trojaner: Während Innenminister Wolfgang Schäuble unter den Kollegen in den Ländern durchaus offene Ohren für seinen Bundestrojaner und die Online-Durchsuchung gefunden hat, setzte das Bundesverfassungsgericht Schnüffel-Schäuble und der Sammelleidenschaft der Behörden deutliche Grenzen. Rechner dürfen nur unter strengen Auflagen ausgespäht werden und auch für die Vorratsdatenspeicherung (VDS) gelten strenge Regeln. Zwar scheiterte das umstrittene BKA-Gesetz im Bundesrat im ersten Anlauf. Doch trotz aller Vorbehalte deutet sich ein Kompromiss an. Die Regierung will das Vorhaben noch vor Weihnachten durch alle Instanzen peitschen, damit die neuen Regeln im Januar 2009 in Kraft treten können.

Die US-amerikanische Heimatschutzbehörde arbeitet an immer ausgefeilteren Techniken, Flughöfe, Bahnstationen und Grenzübergänge zu kontrollieren. Überwachungssysteme sollen künftig auffällige Verhaltensweisen von Reisenden automatisch erkennen und die Polizei alarmieren. Experten gehen jedoch davon aus, dass es noch Jahre dauern wird, bis diese Technik einsatzbereit sein wird. Bleibt nur zu hoffen, dass man selbst nicht das Opfer einer Beta-Version wird und in Guantanamo landet, nur wegen eines unbedachten Griffs in die Innentasche seiner Jacke.

In Europa sorgten Diskussionen um so genannte Nackt-Scanner für Empörung. Die EU-Kommission hatte Ende Oktober die neue Überwachungstechnik zugelassen, die Personen im wahrsten Sinne des Wortes bis auf die Haut durchleuchtet. Auch deutsche Behörden planen bereits erste Feldversuche mit den Ganzkörper-Scannern. Angeblich lasse sich damit die Sicherheit beispielsweise an Flughäfen verbessern. Gegner sprechen von einer stattlich verordneten, unfreiwilligen Peep-Show.

Prominente gehen in Rente

Im abgelaufenen Jahr haben sich eine Reihe altgedienter IT-Recken aus dem Geschäft verabschiedet beziehungsweise ihren Rückzug angekündigt:

Das IT-Orakel des Jahres

Nicolas Carr hat einmal mehr die IT-Branche in Aufruhr versetzt. In seinem jüngsten Werk "The Big Switch: Rewiring the World, from Edison to Google", das Anfang 2008 vorgestellt wurde, kündigte er das baldige Ableben der internen IT-Abteilungen an. In Zukunft könne die firmeninterne IT von wenigen Personen gesteuert werden. Die IT-Versorgung würden Dienstleister mit großen Rechenzentren übernehmen, die viel wirtschaftlicher arbeiten könnten. Damit werde die IT-Abteilung überflüssig, lautet Carrs Fazit. IT-Fachleute seien ohnehin nur noch Commodity, genau wie Rechner-, Speicher- und Netzsysteme.