Grundwissen Arbeitsrecht, Teil 16

Fürsorgepflichten des Arbeitgebers

30.07.2010 von Renate Oettinger
Im 16. Teil der Serie von Michael Henn und Christian Lentföhr zum Arbeitsrecht erfahren Sie, welche Fürsorgepflichten der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern hat.

Entsprechend der Treuepflicht des Arbeitnehmers besteht für den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer.

1. Allgemeine Fürsorgepflicht

Die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verpflichtet diesen, sich als Arbeitgeber so zu verhalten und die Interessen der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Interessen des Betriebs und anderer Arbeitnehmer so wahrzunehmen, wie dies nach dem Grundsatz von Treu und Glauben billig erscheint.

Quelle: Fotolia, S. Thiermayer
Foto: Fotolia, St. Thiermeyer

Je nach Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer, Dauer der Betriebszugehörigkeit oder Vertrauensstellung ist von einer gesteigerten Fürsorgepflicht auszugehen. Die Fürsorgepflicht betrifft bereits die Phase der Arbeitsvertragsverhandlungen z.B. hinsichtlich der Aufklärungspflicht über die zu erwartenden Verhältnisse bzw. Ersatz für Bewerbungskosten bei Einladung zu persönlicher Vorstellung und besteht auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter z.B. bzgl. sozialversicherungsrechtlicher Aufklärung, Freizeit für Stellensuche (§ 629 BGB), Auskunft über ehemaligen Arbeitnehmer, Erteilung von Arbeitspapieren sowie Zeugnis (§ 630 BGB bzw. § 109 GewO). Zur Übernahme aus dem Ausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet die Fürsorgepflicht nicht.

2. Die Schutzpflichten im Einzelnen

Aufgrund der in § 618 BGB für Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer konkretisierten Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber, vermeidbare Schäden für die Arbeitnehmer abzuwehren. Da nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen feststeht, dass Passivrauchen als krebserzeugend und damit als konkrete Gesundheitsgefahr zu werten ist, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der nichtrauchende Arbeitnehmer zumindest nicht mehr als kurzfristig oder höchstens geringfügig vorhandenem Tabakrauch am Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Ob der Arbeitgeber dieser Verpflichtung mittels Verhängung eines Rauchverbots unter Einrichtung von Pausenräumen für Raucher oder anders z.B. durch räumliche Trennung nachkommt, also in welcher Weise er vor der Gesundheitsgefahr des Passivrauchens schützt, bleibt grundsätzlich dem Arbeitgeber überlassen. Die Art der Schutzmaßnahme ist grundsätzlich nicht vom Arbeitnehmer zu bestimmen und einzufordern.

Aufsteiger des Jahres 2010
Die Finanzkrise...
scheint der Commerzbank in ihrem Image als Arbeitgeber nicht geschadet zu haben. Eher im Gegenteil. In der Gunst der Informatiker ist das Frankfurter Geldinstitut gestiegen. Im Ranking der beliebtesten IT-Arbeitgeber belegt die Commerzbank Platz 64 und nicht mehr Platz 89 wie noch 2009. Quelle: Commerzbank
Medienkrise?
In den Augen von IT-Studenten kein Grund, warum sie nicht bei Axel Springer arbeiten sollten. Der Verlag machte 21 Plätze gut und kletterte auf Platz 60 der beliebtesten IT-Arbeitgeber. Quelle: Axel Springer
Von Platz 75 auf Platz 60...
verbesserste sich Roche Diagnostics und zeigte damit, dass auch Anwenderunternehmen für den IT-Nachwuchs eine Alternative sind. Quelle: Roche Diagnostics
Auch der Bayer-Konzern...
konnte beim IT-Nachwuchs punkten und verbesserte sich um acht Ränge auf Platz 41. Quelle: Bayer AG
United Internet....
sammelte Pluspunkte und zog um elf felder auf Platz 46 der beliebtesten IT-Arbeitgeber vor. Quelle: United Internet AG
Von 35 auf 27....
verbesserte sich IT-hersteller und Datenbank-Spezialist Oracle. Quelle: Oracle OpenWorld
Von 49 auf 41...
kletterte BASF IT-Services. Quelle: BASF
Auch Dell...
machte sieben Ränge gut und findet sich im ersten Drittel (32) wieder. Quelle: Dell
VW...
stieg zwar um sieben Plätze auf Platz 32 auf, kann aber der bayerischen Konkurrenz noch nicht das Wasser reichen. Quelle: Volkswagen

Ein nicht willkürlich bzw. unverhältnismäßig das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beschneidendes, sondern gerechtfertigtes Rauchverbot kann der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts verhängen. So wurde z.B. auch eine Betriebsvereinbarung als wirksam gewertet, die ein generelles Rauchverbot erlassen hat in einem Unternehmen der Elektroindustrie bei Ermöglichung des Rauchens auf dem Freigelände in einem begrenzten Bereich mit einem bedachten Unterstand durch Urteil des BAG vom 19.01.99 (GZ: 1 AZR 499/98).

3. Arbeitsschutz

Der Arbeitgeber ist nach § 618 I BGB hinsichtlich Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsregelung dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer nach Möglichkeit vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Zum geschützten Arbeitsplatz i.S.d. § 618 I BGB gehören neben dem eigentlichen Arbeitsraum sämtliche Räume und Flächen des Betriebsgeländes, die der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung befugtermaßen aufsucht (z.B. Treppen und Zugänge).

Neben den aus der allgemeinen Fürsorgepflicht oder § 618 BGB ableitbaren Schutzpflichten gibt es gesetzliche Regelungen zum technischen und sozialen Schutz wie das ArbeitsschutzG, das ArbeitssicherheitsG, das JugendarbeitsschutzG, das MutterschutzG, das BeschäftigtenschutzG oder das ArbeitszeitG. Insbesondere sind die Unfallverhütungsvorschriften des Unfallversicherungsträgers nach §§ 15, 21 SGB VII vom Unternehmer durchzuführen.

Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit

Für Firmen als Mitgliedsunternehmen der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft ist gemäß der Unfallverhütungsvorschrift zur Durchführung des Arbeitssicherheitsgesetzes BGV A 6 eine sicherheitstechnische sowie gemäß BGV A 7 eine betriebsärztliche Betreuung sicherzustellen:

Hiernach muss jeder Arbeitgeber, der zumindest einen Arbeitnehmer beschäftigt, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. einen Betriebsarzt bestellen. Die jährliche Einsatzzeit beträgt mindestens zwei Stunden für die sicherheitstechnische Betreuung bzw. 80 Minuten für die betriebsärztliche Betreuung und ist im Übrigen gestaffelt nach Multiplikationsfaktoren pro Arbeitnehmer. Bei Firmen bis zu zehn Arbeitnehmern reicht eine Grundbetreuung aus. Diese Betriebe haben nach einer Grundbetreuung innerhalb von drei Jahren nur in Ausnahmefällen wie Umbau, Umrüstung, Arbeitsunfällen etc. vor Ablauf von weiteren sechs Jahren eine erneute Grundbetreuung durchzuführen.

Bei Firmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern ist eine jährliche Regelbetreuung nötig. Bei Firmen mit weniger als 100 Arbeitnehmern kann gemäß § 2 III BGV A 6 im Einvernehmen mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft hinsichtlich der sicherheitstechnischen Betreuung statt der Regelbetreuung durch eine bestellte Fachkraft für Arbeitssicherheit ein sogenanntes Unternehmermodell gewählt werden und von der Bestellung einer Sicherheitsfachkraft abgesehen werden. Stattdessen reichen eine Unternehmerschulung und der Nachweis einer externen bedarfsgerechten Beratung aus. Die Durchführung der BGV A 6 und A 7 kann sowohl durch überbetriebliche Dienste der Berufsgenossenschaft als auch durch geeignete Fachkräfte des privaten Marktes wahrgenommen werden.

Arbeitsschutzgesetz

Seit 21.08.1996 ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in Kraft getreten, das die EG-Richtlinie 89/391 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer und die EG-Richtlinie 91/383 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis umsetzt. Nach § 4 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Arbeit so zu gestalten, dass Gefahren für Leben und Gesundheit möglichst vermieden werden, hat der Arbeitgeber Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen, sind bei den Maßnahmen der Stand der Technik bzw. der Arbeitsmedizin und Hygiene zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber, sein Vertreter oder z.B. "Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse" haben gemäß § 12 ArbSchG die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen.

4. Belästigung

Über das am 24.06.1994 erlassene BeschäftigtenschutzG begründet nunmehr gemäß § 2 III BeschäftigtenschutzG eine als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung definierte sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Abmahnungen bzw. Kündigungen. Nach § 4 II BeschäftigtenschutzG kann der bzw. die betroffene Arbeitnehmer/in sogar die Arbeitsleistung einstellen, wenn der Arbeitgeber nicht gehörig auf entsprechende Beschwerden reagiert wie z.B. durch entsprechende Abmahnung, Umsetzung oder Kündigung.

5. Mobbing

Bei Mobbing müsste sich zwar der Arbeitgeber aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht schützend vor den betroffenen ausgegrenzten, diskriminierten Arbeitnehmer stellen, bzw. wäre eine Kündigung des Mobbing betreibenden Arbeitnehmers in Betracht zu ziehen. Jedoch treten regelmäßig in den Fällen des Mobbing Beweisprobleme auf.

6. Datenschutz

Über den Arbeitsschutz im engen Sinn hinausgehend dienen dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz die Datenschutzvorschriften des BDSG. Diese gelten nach § 1 II Nr. 3 BDSG auch für nicht-öffentliche Stellen bzw. Betriebe, soweit sie personenbezogene Daten in oder aus Dateien geschäftsmäßig oder für berufliche oder gewerbliche Zwecke verarbeiten oder nutzen. Die insoweit Beschäftigten sind nach § 5 BDSG auf das Datengeheimnis zu verpflichten, das auch nach Beendigung der Tätigkeiten weiterbesteht. Desweiteren sind die für den Datenschutz technisch und organisatorisch erforderlichen Maßnahmen gemäß § 9 BDSG zu treffen. In Betrieben mit mehr als vier Arbeitnehmern, die personenbezogene Daten - wie z.B. in einer Kanzlei - automatisiert verarbeiten bzw. erheben oder nutzen, ist gemäß § 4 f I BDSG ein Beauftragter für Datenschutz zu bestellen.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de