Global vernetzt und "always on" - die technologische Revolution der vergangenen zwei Dekaden hat die Arbeitswelt radikal verändert. Die zunehmende technologische Vernetzung definiert starre räumliche und zeitliche Konzepte von Arbeit neu. Das Zeitalter der "Open Economy" bricht an: Mitarbeiter arbeiten flexibler, der Arbeitsplatz ist überall und wird smarter. Digitale Nomaden führen unter Verwendung neuer Technologien ein multilokales Arbeitsleben, das von Offenheit, fließenden Grenzen und Flexibilität bestimmt ist.
Ich habe mir die zentralen Charakteristika dieser "schönen neuen Welt" genauer angesehen und komme zu den folgenden Thesen:
Kreativität und freies Denken
Kernkompetenzen von morgen Innovative Technologien und künstliche Intelligenz werden gerade in Branchen wie Retail, Telekommunikation oder Logistik zu Veränderungen führen. Sie werden Menschen jedoch auch entlasten, indem sie alltägliche und repetitive Aufgaben übernehmen. Man denke nur an die Vielzahl an Chatbots, die bereits heute im Bereich Retail zum Einsatz kommen.
Die wachsende Rolle der Technologie in analytischen, planerischen und repetitiven Prozessen lässt menschliche Urteilskraft und kreatives Denken zu zentralen Merkmalen bei der Suche nach neuen Talenten werden. Berufe, die Ideenreichtum und Vorstellungskraft erfordern, werden in Zukunft sowohl bei Angestellten als auch bei Arbeitgebern verstärkt gefragt sein. Ein Bericht des World Economic Forum belegt, dass aus Sicht der Führungskräfte, Kreativität bis 2020 zu den wichtigsten und gefragtesten Fähigkeiten von Mitarbeitern zählen wird. Entsprechend wichtig wird es auch in Zukunft sein, speziell diese Kompetenzen zu fördern.
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Freelance-Modelle auf dem Vormarsch
Der globale Arbeitsmarkt für freie Mitarbeiter wird laut Studienergebnissen bis 2020 rund 10 Milliarden US-Dollar wert sein. Was heute oftmals unter dem Begriff der Gig-Economy gefasst wird, bedeutet einen tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt und eine Abkehr vom Modell der klassischen Festanstellung.
Insbesondere in der Kreativindustrie ist dies längst ein klarer Trend. Dieser wird zukünftig auch andere Branchen erfassen und dabei auch neue Herausforderungen mit sich bringen: So müssen sich Unternehmen beispielsweise damit auseinandersetzen wie Datenschutz gewährleistet werden kann, wenn man mit Freelancern arbeitet, die für unterschiedliche Unternehmen tätig sind.
Dass Datenschutz zu den großen Herausforderungen neuer Arbeitskonzepte gehört, bestätigt auch eine aktuelle Umfrage unter deutschen Führungskräften: Gefragt nach den größten Herausforderungen mobiler Arbeitskonzepte nennen Führungskräfte am häufigsten Sicherheitsbedenken.
Hinzu kommen neue Anforderungen an die physischen und digitalen Arbeitsplätze: Zentrale Zugangs- und Berechtigungsmanagementsysteme müssen im gesamten Unternehmen klar definieren, wer wie lange und zu welchen Räumlichkeiten und Dateien Zugriff erhält. Dieser "phygitale" Schutz wird Unternehmen in Zukunft immer mehr beschäftigen - man denke neben den Freelancern nur an die Vielzahl an Kunden, Partnern oder Lieferanten aus aller Welt, die täglich die Einfallstore der Unternehmen passieren.
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Etablierung der mobilen Arbeit
Bis 2020 wird fast die Hälfte der Arbeitnehmer ortsunabhängig arbeiten, in kleinen Unternehmen soll die Anzahl sogar auf 70 Prozent ansteigen. Damit wird mobilen Lösungen, die ortsunabhängiges produktives Arbeiten ermöglichen, eine zentrale Rolle in der Open Economy zufallen. Diese Entwicklungen sind schon heute deutlich spürbar: Für zahlreiche Arbeitnehmer gehört das vernetzte Arbeiten unter Verwendung moderner Collaborations-Tools, die beispielsweise Instant Messaging oder Videoanwendungen in Echtzeit bieten, zum Alltag.
Zum Video: Arbeiten in der Open Economy
Immer mehr Führungskräfte leiten ihre Teams "remote" und persönliche Feedbackgespräche via Skype sind schon längst keine Seltenheit mehr. Diese Entwicklung wird von deutschen Arbeitgebern bereits antizipiert: In einer aktuellen YouGov Umfrage schätzen Führungskräfte in Deutschland die Bedeutung mobiler Arbeits-konzepte hoch ein: 73 Prozent der Befragten gaben an, dass mobile Arbeitskonzepte für ihr Unternehmen relevant sind. Davon stuften über 40 Prozent diese sogar als sehr relevant ein. Führungskräfte erwarten in den kommenden fünf Jahren einen wesentlichen Wandel hin zu flexibleren Arbeitszeiten und einen Anstieg der Arbeit aus dem Homeoffice heraus.
Wandel im HR-Management
Das Zusammenspiel der menschlichen und digitalen Welten zu verstehen ist in der Open Economy nicht mehr nur ein optionales Extra, sondern eine Kernkompetenz. HR-Manager werden daher künftig die Aufgabe haben, ganze Unternehmensstrategien mit zu definieren und innerhalb ihrer Organisationen die Voraussetzungen für mehr Agilität und Leistungsfähigkeit zu schaffen. Die Integration einer neuen, flexiblen Generation an Mitarbeitern erfordert versierte HR-Verantwortliche, die ein Verständnis sowohl für Technologie (Möglichkeiten von Automatisierung und künstlicher Intelligenz), als auch für den Trend hin zu größerer Autonomie von Mitarbeitern verfügen. Die kompetente Interpretation der Technologielandschaft wird zu einer strategischen Kernkompetenz.
Offener Führungsstil löst prozessgetriebene Strukturen ab
Traditionelle, hierarchisch organsierte Managementstrukturen und -strategien werden insbesondere von der heranwachsenden "digital Workforce" mit wachsender Skepsis gesehen oder gar vollständig abgelehnt. Betriebswirtschaftliches Denken und die Frage, wie Freelancer einen effektiven Beitrag leisten können, werden in Zukunft also in den Fokus rücken, während strukturelle und prozessorientierte Fragen zunehmend in den Hintergrund treten.
Führungsstile, die sich über feste Prozesse, starre Zielvorgaben und Kontrolle definieren, werden durch neue dezentralere Organisations- und Teamstrukturen ersetzt, die einzelnen Mitarbeiter größere Freiräume geben. Bereits heute zeigt sich unter deutschen Führungskräften eine Abkehr vom klassischen Kontrolldenken - beispielsweise in puncto Homeoffice. In einer aktuellen Umfrage von YouGov und Samsung nannten lediglich sechs Prozent der befragten Führungskräfte eine mangelnde Kontrolle der Mitarbeiter als Nachteil des Homeoffice. Für die große Mehrheit (85 Prozent) der Führungskräfte macht es das Homeoffice zudem nicht schwieriger, die Arbeit der Mitarbeiter zu bewerten.
Gestützt von den genannten Zahlen und Thesen empfehle ich, den Schritt hin zu mehr Offenheit zu wagen, bestehende Muster und Rollen zu hinterfragen und zu versuchen, die Perspektive der "digitalen Nomaden" einzunehmen. Moderne Technologien, die uns dazu befähigen, die Potentiale der "Open Economy" voll auszuschöpfen sind bereits da - wir müssen nur bereit sein sie auch zu nutzen.