Finanzkrise

Wie Firmen an Kredite kommen

22.10.2008 von Peter Gruber
Die Finanzkrise setzt deutschen Unternehmen, vornehmlich mittelständischen Betrieben, immer stärker zu. Weil die Banken wegen ihrer Liquiditätsängste Kredite häufig verweigern, müssen sich immer mehr Firmen nach Alternativen zum klassischen Bankdarlehen umsehen. Online- und Mikrokredite, Mezzanine- und Beteiligungskapital, sowie Factoring und Leasing sind denkbare Varianten. Aber auch die Politik ist gefordert.
Mario Ohoven: Die Kreditpolitik der Geldhäuser gegenüber dem Mittelstand ist rigoros.
Foto: BVMW

Die deutschen Unternehmen - insbesondere mittelständische Betriebe - gehen durch ein Wechselbad der Gefühle. War es im Juli noch der hohe Ölpreis, der alle schockte und die positive Entwicklung der letzten Jahre dämpfte, hält nun das Schreckgespenst der internationalen Finanzkrise die deutsche Wirtschaft in Atem. Weltweit sind die Kredit- und Finanzierungssysteme aus den Fugen geraten, weil die Banken einander nicht mehr vertrauen und gegenseitig kaum Geld leihen. Stattdessen sind die Finanzinstitute stark darauf bedacht, ihre Liquidität möglichst nicht zu schmälern. Dies hat zur Folge, dass Banken Gelder nur noch sehr zögerlich locker machen. Mittlerweile erfolgt die Kreditvergabe äußerst restriktiv und ausschließlich gegen hohe Sicherheiten sowie teure Zinssätze. Für viele Unternehmen mit geringem Eigenkapital und Bonität wird es deshalb immer schwieriger an Fremdkapital zu kommen, das sie dringend für neue Investitionen in Projekte sowie Forschung und Entwicklung benötigen. Längst ist die Hausbank nicht mehr der gewohnte Kreditgeber früherer Zeiten und müssen sich Firmen nach anderen Geldquellen umsehen. Welche Finanzierungsalternativen es zum klassischen Bankkredit gibt, lesen Sie in der Serie "Finanzierungsmodelle für den Mittelstand" (siehe Kasten).

Obwohl die Finanzkrise die Schlagzeilen erst jetzt bestimmt, ist ihre Existenz und Problematik nicht wirklich neu. Sie warf bereits im Herbst vergangenen Jahres ihren Schatten voraus, wurde in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch von der Diskussion um die rasante Ölpreisentwicklung überlagert. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) hatte schon Ende vergangenen Jahres eine rigorosere Kreditpolitik der Geldhäuser gegenüber dem Mittelstand ausgemacht und diese Tatsache im Frühjahr erneut angeprangert. Schon damals attestierte er nach Umfragen im Mittelstand eine zunehmende Verknappung und Verteuerung der Firmenkredite in Folge der Bankenkrise. Der BVMW-Präsident verglich die Situation mit der Einführung der Rating-Mechanismen im Zuge von Basel II vor einigen Jahren, als die Banken ebenfalls mit einer restriktiveren Kreditvergabe reagierten.

Notfallplan für alternative Finanzierungen

Infolge des sich immer stärker abzeichnenden Kreditengpasses riet Ohoven den Unternehmen einen Notfallplan in der Schublade zu haben und sich über alternative Finanzierungsformen Gedanken zu machen. Als Ersatz für klassische Bankkredite nannte er zum Beispiel Gesellschafterdarlehen, Lease-back-Verfahren, Factoring, Leasing, Mezzanine oder die Ausgabe von Genussscheinen. Während der BVMW-Chef im Frühjahr fast noch wie der einsame Rufer in der Wüste erschien, und andere Institutionen die Gefahr der Banken- und Kreditkrise eher klein redeten, hat die Realität nun alle eingeholt und schlägt die Knappheit an Fremdkapital mit voller Wirkung auf deutsche Unternehmen durch. Mögliche Folgen sind Investitionszurückhaltung, Arbeitsplatzabbau sowie eine Eintrübung der wirtschaftlichen Lage durch weniger Aufträge und Umsatzschwund.

Die Kreditklemme zwickt immer stärker

Dass sich der deutsche Mittelstand mit diesem Szenario befasst, beweisen aktuelle Umfragen. So bestätigte zum Beispiel eine Erhebung des Verbands der Familienunternehmer (ASU) und des Verbands der Jungen Unternehmer (BJU) bei 610 Firmen die aktuelle Kreditklemme in Deutschland. Jedes fünfte Unternehmen räumte in der Befragung Schwierigkeiten bei der Fremdfinanzierung ein. 58,7 Prozent der interviewten Firmen rechnen mit negativen Auswirkungen der Finanzkrise auf ihre Geschäfte. Über 90 Prozent aller Teilnehmer erwartet eine Schädigung der deutschen Volkswirtschaft infolge des Finanzkollapses. Bei den Verantwortlichen wird deshalb unter anderem der Ruf nach einer Stärkung der Eigenkapitalquote durch die Beseitigung substanzbesteuernder Faktoren sowie eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte laut. Über diese Forderung an die Politik hinaus, denken die CEOs im Vorgriff auf schwierigere Zeiten auch über Einstellungsstopps oder Entlassung sowie die Kürzung oder Einfrierung von Investitionsvolumen nach.

DIHK sieht keinen Grund für Krisengerede

Martin Wansleben: Das Investitionsklima im Mittelstand ist stabil.
Foto: DIHK

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lotete kürzlich in einer Erhebung bei Mittelstandsunternehmen eine negative Beurteilung der Wirtschaftslage für die kommenden Monate aus. "Exportorientierte Mittelständler spüren die nachlassende Dynamik auf wichtigen Exportmärkten immer stärker", erklärt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben die Auswirkung der Finanzkrise. Trotzdem sieht er in Deutschland nach wie vor Anzeichen für ein gutes und stabilisierendes Investitionsklima und rechnet sogar mit einem Plus von 350 000 Arbeitsplätzen allein im Mittelstand. "Krisengerede ist für den Mittelstand fehl am Platz", mahnt Wansleben vor zu viel Pessimismus.

Deutsches Mittelstands-Barometer zeigt Tiefdruck an

Nicht ganz so zuversichtlich fallen hingegen die Prognosen des Deutschen Mittelstands-Barometers aus. Es spiegelt die aktuelle konjunkturelle Beurteilung des Mittelstands von 140 Wirtschaftsexperten wider. Hier geht der allgemeine Tenor derzeit zwar noch von einer relativ positiven Geschäftslage aus, die sich aber nach Meinung der meisten Gutachter deutlich verschlechtern wird. Neben der Finanzkrise machen sie die Regulierung des Arbeitsmarktes, Bürokratie sowie die Steuer- und Abgabenbelastungen als negative Faktoren für das sich abschwächende Konjunkturklima in diesem Herbst aus. "Um die erlahmende Konjunktur anzukurbeln, sollte die Steuer- und Abgabenbelastung des Mittelstands noch vor Ende der Legislaturperiode spürbar reduziert werden", richtet Professor Michael Lingenfelder von der Forschungsstelle für Mittelständische Wirtschaft und Studienleiter des Deutschen Mittelstands-Barometers, einen eindringlichen Appell an die Politik in Berlin.

Kreditversorgung des Mittelstandes hat höchste Priorität

Dort ist sich die Bundesregierung angesichts des Krisen-Managements der letzten Tage des dringenden Handlungsbedarfs sowie deutlicher Signale an den deutschen Mittelstand wohl bewusst. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos bezeichnete es als vorrangiges Ziel der geplanten Konjunkturhilfen, dem Mittelstand in der Finanzkrise unter die Arme zu greifen. "Wir wollen, dass die Kreditversorgung des Mittelstands aufrechterhalten bleibt", beteuerte Glos und bestätigte, dass die Große Koalition über Steuersenkungen und eine stärker steuerliche Berücksichtigung der Krankenkassenbeiträge berate.

Warum sich der Bundesminister so vehement für den Mittelstand stark macht, liegt auf der Hand. Die deutsche Wirtschaft wird maßgeblich durch die mittelständischen Firmen geprägt. 2006 gab es in Deutschland 3,6 Millionen mittelständische Unternehmen, das sind 99,7 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Betriebe hierzulande. Sie erwirtschafteten einen Umsatz in Höhe von knapp 1,9 Milliarden Euro, was einem Anteil von 38,3 Prozent der von allen Unternehmen erzielten Umsätze entspricht. Im Mittelstand arbeiteten 20,19 Millionen Menschen und damit 70,7 Prozent aller Beschäftigten. Diese Zahlen belegen: Der deutsche Mittelstand trägt in erheblichem Umfang zur Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und deren Erfolg bei. Glos und Bundesregierung müssen deshalb mit allen Mitteln versuchen, dass sich die Finanzkrise möglichst wenig auf die Investitionsbereitschaft und Kreditmöglichkeiten der mittelständischen Wirtschaft auswirkt.

Banken fordern höhere Zinsen und Sicherheiten

Eine Kreditklemme ist also Gift. Deshalb soll und muss das von der Bundesregierung und dem Parlament geschnürte Hilfsprogramm für die Banken auch dazu beitragen, dass die Geldinstitute ihre strengen Vergaberichtlinien für Kredite sowie die Darlehenskonditionen wieder etwas lockern und den Mittelstand als Zielgruppe mit Fremdkapital versorgen. Im Moment sieht die Realität anders aus: Eine Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform brachte nicht nur eine Eintrübung der Stimmungslage ans Licht, sondern auch, dass 22,6 Prozent von über 4000 befragten kleinen und mittelständischen Unternehmen gestiegene Kreditzinsen infolge der Finanzkrise akzeptieren müssen. Bei 16,3 Prozent der befragten Firmen fordern sie höhere Sicherheiten.

Kreditspekulationen um die bundeseigene KfW-Bank

Ob das Rettungsprogramm der Regierung für die Banken nun rasch zu einem besseren Kreditfluss führt, bleibt abzuwarten. Manche Experten bezweifeln eine schnelle Auswirkung auf den Markt. Wie ernst die Lage ist, beweist die Tatsache, dass selbst die bundeigene KfW Bankengruppe, die kürzlich mit der Überweisung von über 300 Millionen Euro an die bankrotte Investment-Bank Lehman Brothers traurige Schlagzeilen machte, Banken aufgefordert haben soll, keine Förderanträge mehr zu stellen. Diese Information wird zumindest aus vertrauten Kreisen bekannt, wenngleich die KfW dieses Gerücht als falsch bezeichnet. Jedenfalls musste die KfW wegen der Finanzkrise und der Überweisungspanne an Lehman Brothers ihre KfW-Kreditkonditionen kürzlich verschärfen.

Dass die KfW einen Kreditengpass dementiert, liegt nahe, würde sie sich ansonsten den Zorn der Bundesregierung zuziehen, für die solchen Signale an den Markt fatal wären. Es geht für Kanzlerin Merkel nicht nur darum verlorenen Kredit der KfW wieder herzustellen, sondern vor allem die Wirtschaft am Laufen zu halten. Dennoch bleibt vielen Firmen gegenwärtig und wohl auch in näherer Zukunft nichts anderes übrig, als sich nach Alternativen zur Hausbank umzusehen. Dabei müssen kapitalsuchende Betriebe jedoch bedenken, dass sich die Finanzkrise nicht nur auf den klassischen Bankkredit auswirkt, sondern auch auf die alternativen Finanzierungsformen.

Heuschrecken leiden unter Kapitalmangel

Schlechtere Karten haben derzeit wohl die viel zitierten und so genannten Heuschrecken - also Private-Equity- oder Venture-Capital-Gesellschaften, die sich als private oder institutionelle Anleger mit Kapital an nicht börennotierten Unternehmen beteiligen. Für diese Hedge-Fonds ist es aufgrund der Finanzkrise selbst wesentlich problematischer geworden, Fremdkapital für ihre Unternehmenskäufe und -beteiligungen aufzutreiben. Insofern kommen sie als Finanzierungsalternative nur begrenzt in Frage.

Mezzanine-Geschäft bricht ein

Begrenzt tauglich ist derzeit wohl auch Mezzanine-Kapital als Finanzierungsvariante. Wie das Handelsblatt berichtet, leidet auch dieses bis vor Kurzem noch boomende Marktsegment unter den Folgen der Bankenmalaise. Der Versuch der Bank HSBC Trinkaus, 200 Millionen Euro für die Finanzierung von 58 mittelständischen Unternehmen mit Mezzanine-Kapital einzusammeln, scheiterte im August kläglich. Dasselbe Schicksal widerfuhr dem Essener Finanzierungsberater Conpair, der laut Handelsblatt eine 125 Millionen Euro schwere Transaktion abblasen musste, weil der Kernkapitalgeber aus dem Deal ausstieg. Vielen Banken ist das Geschäft mit forderungsbesicherten Wertpapieren in Zeiten der Finanzmisere wohl zu riskant geworden.

Factoring und Leasing werden teuer

Die wohl besten Aussichten an Kapital zu kommen, bestehen derzeit neben staatlich geförderten Mikrokrediten in Online-Krediten, Leasing und Factoring. Am meisten von der Finanzkrise dürften die Leasing-Branche profitieren. Die langfristige Anmietung von Anlagevermögen ist beliebt und gute Möglichkeit, das Eigenkapital aufzustocken. Etwas schwieriger könnte es sich hingegen mit Factoring als Finanzierungsmodell verhalten. Der Verkauf von kurzfristigen Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft gegen Gebühr boomt zwar, allerdings lassen sich die Anbieter die sofortige Zahlung der offenen Forderungssumme auch gut vergelten. Sowohl im Factoring als auch im Leasing erwarten Experten aufgrund der Finanzkrise eine Verteuerung der Gebühren. Außerdem werden auch diese Gesellschaften wegen der Geldknappheit stärker denn je auf die Eigenkapitalrate sowie Rentabilität der Antragssteller achten und Firmen mit schwächerer Bonität ablehnen.