Kreditwürdigkeit in Gefahr

Unternehmen unterschätzen die Auswirkung von Basel II

01.09.2008
Von 
Diego Wyllie hat Wirtschaftsinformatik an der TU München studiert und verbringt als Softwareentwickler und Fachautor viel Zeit mit Schreiben – entweder Programmcode für Web- und Mobile-Anwendungen oder Fachartikel rund um Softwarethemen.
Die Kreditvergabe wird teurer und immer restriktiver gehandhabt. Schuld seien die Basel II-Richtlinien und vor allem die steigenden Zinsen und internationalen Kreditkrisen. Das mittelständische Softwarehaus FibuNet rät deshalb zu wertorientiertem Management und zum Primat der ungeliebten Buchhaltung.

Wenn ein Unternehmen Fremdkapital braucht, muss es heute die geplante Investition noch sorgfältiger dokumentieren, noch höhere Sicherheiten bieten und Geschäftsdaten noch umfassender offenlegen. Für kleine Firmen wird es immer schwerer, überhaupt einen bezahlbaren Kredit zu bekommen. Dennoch ist die eigene Kreditwürdigkeit vielen Mittelständlern immer noch nicht wichtig genug, kritisiert der Buchhaltungsspezialist FibuNet.

"Die US-Wirtschaft wird in erster Linie von der Immobilienkrise in eine Rezession getrieben, die sich mit Zeitverzug auch auf die Exportnation Deutschland übertragen wird. Wenn auch keine Kreditklemme existiert, wird die Kreditaufnahme teurer und die Bonitätsprüfung schärfer werden", gibt sich Oliver Holtemüller, Konjunkturexperte und Professor für Makroökonomie der RWTH Aachen, überzeugt. Dabei hätten allein die strengeren Bonitätsprüfungen durch die Basel II-Richtlinien schon Firmen zur Aufgabe gezwungen, die vor 2007 mit einer wohlmeinenden Hausbank durchaus Überlebenschancen gehabt hätten. Das weiß auch Doris Dreyer, Geschäftsführerin und erfahrene Beraterin des 1984 gegründeten, mittelständischen Softwarehauses FibuNet aus Quickborn, das Systeme für die Finanzbuchhaltung und das Controlling entwickelt: "Auch wir kennen extreme Fälle aus unserer jahrelangen Beraterpraxis. Plötzlich werden Kredite nicht gewährt oder nicht verlängert, weil die Unterlagen nicht mehr den neuen Anforderungen nach Basel II entsprechen".

Mittelständler weit entfernt von wertorientiertem Controlling

Mittelständler, die einen Großteil ihrer Investitionen über externe Kredite finanzieren, müssen laut FibuNet den eigenen Unternehmenswert kennen und kommunizieren können. Wo stehen wir? Wo geht es hin? Wie viel Eigenkapital haben wir? Entstehen Liquiditätsengpässe und warum? Was wäre, wenn? Nur wer solche Fragen beantworten kann, darf auf bessere Konditionen, eine kurzfristige Erhöhung des Kreditvolumens oder die Finanzierung größerer Investitionen hoffen, heißt es aus Quickborn. Nach einer KfW-Befragung von 2008 zur Unternehmensfinanzierung wüssten jedoch etwa 50 Prozent aller befragten Unternehmen bis heute nicht, welche Rating-Kriterien die eigene Hausbank anlegt; ein Fünftel kenne die eigene Bewertungsnote nicht. Eine Studie der Creditreform belege zudem, dass für bereits ein Drittel der deutschen Unternehmen die Kreditaufnahme schwieriger geworden ist.

Ein Grundproblem kennt Doris Dreyer aus der täglichen Beratungspraxis: "Von einem konsequenten, wertorientierten Controlling sind viele mittelständische Firmen noch weit entfernt. Ungenaue, falsche oder fehlende Zahlen in der Buchhaltung, auf die wir im Tagesgeschäft immer wieder stoßen, sind da nur der Anfang. Sie scheinen harmlos, können aber zu Fehlentscheidungen oder zu unerwarteten Problemen mit Basel II führen". Denn ohne verlässliche, genaue Zahlenbasis seien Verhandlungen mit Banken über Kredite und Konditionen ein reines Glücksspiel.

Um jederzeit gute Karten bei der Hausbank zu haben, müssten Geschäftsführer ihre Firma konsequent wertoriertiert führen und durchorganisieren, so das Unternehmen. Wer schnell aussagekräftige Forecast- und Planbilanzen, GuV- und Cash-Flow-Rechnungen auf den Tisch legen muss, bräuchte Instrumente wie Marktpotenzialanalysen, Marketing- und Vertriebskonzepte, ein stringentes Lieferanten- und Forderungsmanagement und ein Kennzahlensystem.