Intelligente Anwendungen

Wie der Mittelstand von KI profitieren kann

22.05.2019 von Christian Mehrtens  IDG ExpertenNetzwerk
Neue Geschäftsoptionen und ein besserer Kundenservice sind nur zwei der Vorteile, die der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen verspricht. Auch mittelständische Unternehmen können von diesen Technologien profitieren.

Künstliche Intelligenz hat sich längst im Alltag etabliert. Ein Beispiel sind smarte Lautsprecher: Wer mit "Hallo Alexa, wie wird das Wetter morgen?" den Wetterbericht abfragt, spricht mit einer KI-Instanz, in diesem Fall der von Amazon. Auch bei intelligenten Chat-Bots, die im Kundenservice eingesetzt werden, oder beim Auswerten von Bildern und Röntgenaufnahmen in der Medizin kommen KI- und Machine-Learning-Algorithmen zum Zuge.

Ein intelligentes System für das Enterprise Resource Planning (ERP) kann Anwender entlasten - gerade in kleineren und mittelständischen Unternehmen.
Foto: Wright Studio - shutterstock.com

Spätestens im Jahr 2020 werden Künstliche Intelligenz und Machine Learning in jedem deutschen Unternehmen im Einsatz sein, so die Prognose des Beratungshauses IDC. Bislang engagieren sich vor allem Unternehmen aus dem gehobenen Mittelstand und größere Firmen in diesem Bereich, etwa durch KI-Innovation-Labs. Doch auch mittelständische Unternehmen können von diesen Technologien enorm profitieren.

Intelligente ERP-Systeme für die Datenanalyse

Ein Bereich, in dem KI und maschinelles Lernen Unterstützung bieten, ist die intelligente Fabrik: In einer Smart Factory sind die Produktionsprozesse und die dazugehörigen Maschinen, Lagerhaltungs- und Logistiksysteme miteinander verknüpft. Sie tauschen Daten sowohl untereinander als auch mit ERP-Lösungen (Enterprise Resource Planning) sowie CRM-Anwendungen (Customer Relationship Management) aus.

Diese Datenbestände können sich mittelständische Unternehmen und deren Dienstleister zunutze machen. Dafür braucht es intelligente ERP-Systeme, die folgende Anforderungen erfüllen müssen:

Durch intelligente Funktionen wandelt sich die Rolle eines ERP-Systems: Es präsentiert dem Nutzer nicht mehr nur Fakten, die dieser selbst in den richtigen Kontext stellen und interpretieren muss. Vielmehr wird es zu einem digitalen Assistenten, der Mitarbeitern Entscheidungsalternativen aufzeigt. Vor allem im Mittelstand, der nicht auf die personellen Ressourcen von Großkonzernen zurückgreifen kann, können solche Lösungen zu einer deutlichen Entlastung von Fach- und Führungskräften beitragen.

Basis für neue Geschäftsmodelle

Die Kombination aus Datenanalyse und Insights, die von KI- und Machine-Learning-Algorithmen erstellt werden, hat noch einen weiteren Vorteil: Sie unterstützen Unternehmen dabei, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein Beispiel ist die GEBHARDT Fördertechnik GmbH in Sinsheim. Das mittelständische Unternehmen mit rund 550 Mitarbeitern hat sich auf Lösungen für die Intralogistik spezialisiert - vom Wareneingang über die Lagerung bis hin zu Fördersystemen und Verteil- und Sortiertechnologien. Alle Anlagen sind mit Sensoren ausgestattet und miteinander vernetzt. Dadurch lassen sich Produktion und Lagerhaltung in Echtzeit steuern.

Maschinelles Lernen kommt beim Thema vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) ins Spiel. Denn auf Wunsch von Kunden erfasst GEBHARDT mithilfe einer IoT-Plattform (Internet of Things) die Daten der Bestandteile der Anlagen und wertet diese aus. Machine-Learning-Algorithmen lernen anhand der Daten beispielsweise, wann ein Zahnrad ersetzt werden muss oder ob ein Motor eine Wartung benötigt. GEBHARDT kann seinen Kunden daraufhin proaktiv Wartungsempfehlungen geben und ihnen so helfen, Ausfallzeiten in der Produktion zu minimieren.

Dank der neuen Technologien wandelt sich das Unternehmen von einem reinen Hardwarezulieferer zu einem Servicedienstleister, der seine Kunden von Anfang bis Ende begleiten kann - von der Konzeption und Montage von Logistiklösungen bis hin zur vorausschauenden Wartung.

Kundenunterstützung optimieren

Intelligente ERP- und IoT-Plattformen lassen sich auch im Kundensupport einsetzen. Beim bislang üblichen Verfahren kontaktiert ein Kunde einen Mitarbeiter in der Support-Abteilung. Dieser analysierte das Problem, sondierte eine Vielzahl von Dokumenten und unterbreitete anschließend dem User Lösungsvorschläge.

Effizienter arbeitet eine Support-Lösung mit integrierten KI-Funktionen. Sie ist in der Lage, selbstständig ähnlich gelagerte Problemfälle zu erkennen und die dort verwendeten Lösungen zu analysieren. Damit dies reibungslos funktioniert, muss ein solches System in der Lage sein, den Kontext einer Anfrage zu verstehen. Dann dauert es meist nur ein paar Sekunden, bis das KI-gestützte Support-System dem User einen ersten Vorschlag liefert.

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Zusätzlich lernt das System, in welchen Fällen eine bestimmte Vorgehensweise zum Erfolg führte. Auf diese Weise optimieren KI- und Machine-Learning-Algorithmen mit der Zeit die Effektivität und Effizienz des Support-Systems. Für ein mittelständisches Unternehmen bedeutet dies, dass es eine ebenso hochwertige Unterstützung von Kunden und Interessenten anbieten kann wie große Konzerne.

Wie KI-gestützte ERP- und Analytics-Lösungen die Betreuung von Kunden optimieren können, zeigt das Beispiel der mittelständischen A/V/E GmbH. Das Unternehmen mit 325 Mitarbeitern liefert seinen Kunden aus der Energiebranche Prozessdienstleistungen entlang der Customer Journey. Dazu zählen Services, um die Loyalität der Endkunden zu steigern. Die Analysesoftware nutzt KI- und Machine-Learning-Funktionen, um für jedes Kundensegment Indikatoren zu ermitteln, die auf eine Wechselbereitschaft eines Kunden hindeuten. Zu diesem Zweck wertet die Lösung strukturierte und unstrukturierte Daten aus. Dazu zählen die Vertragsdauer sowie Anfragen und Beschwerden von Kunden. Das Resultat ist ein individueller Wert für die Abwanderungsbereitschaft eines Kunden. Ergänzend dazu schlägt die Lösung individuelle Maßnahmen vor, mit denen ein Energieversorger den Kunden möglicherweise halten kann.

Cloud-Lösungen machen KI für alle zugänglich

Ein Faktor, der gerade mittelständischen Unternehmen zu schaffen macht, ist der Mangel an Fachleuten, die KI-Lösungen entwickeln und implementieren können. Laut IDC fehlen in rund 80 Prozent der deutschen Unternehmen KI- und Machine-Learning-Spezialisten. Schwerer wiegt jedoch, dass sich laut einer Untersuchung des Beratungshauses Deloitte deutsche Firmen schwer damit tun, eine unternehmensweite KI-Strategie umzusetzen. Derzeit sind es meist die Fachabteilungen, die auf eigene Initiative hin Einsatzszenarien und Anwendungen entwickeln. Das birgt die Gefahr, dass es zu einem Wildwuchs unterschiedlicher Ansätze und Lösungen kommt. Die damit verbundenen Reibungsverluste können sich vor allem Mittelständler nicht leisten.

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Positiv ist dagegen, dass mittelständische Unternehmen nicht gezwungen sind, Maschine-Learning- und KI-Applikationen in Eigenregie zu entwickeln. Stattdessen können sie ERP- oder IoT-Lösungen aus der Cloud beziehen, die ohne aufwändige und teure Entwicklungsprojekte und ohne Experten für KI eingesetzt werden können. Laut der Studie von Deloitte setzen bereits 65 Prozent der deutschen Unternehmen, die KI-Lösungen verwenden, auf cloudbasierte Modelle. Und fast 61 Prozent nutzen Unternehmenssoftware, in die KI-Funktionen integriert sind. Beide Ansätze haben Deloitte zufolge zu einer "Demokratisierung" von KI und maschinellem Lernen geführt. Denn auch kleinere und mittelständische Unternehmen erhalten durch die Cloud Zugang zu entsprechenden Lösungen - mit einem akzeptablen finanziellen und technologischen Aufwand.