Grundwissen Arbeitsrecht, Teil 3

Wer ist Arbeitnehmer im juristischen Sinn?

18.02.2010 von Renate Oettinger
Im dritten Teil der Serie von Michael Henn und Christian Lentföhr zu den wichtigsten Themen des Arbeitsrechts erfahren Sie, was unter dem Begriff des Arbeitnehmers zu verstehen ist.

Begriff

Arbeitnehmer ist nach ständiger Rechtsprechung, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

Die privatrechtliche Gültigkeit des Arbeitsvertrages ist nicht Voraussetzung für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft. Auch der Arbeitende, der auf Grund eines rechtsunwirksamen Arbeitsvertrages tätig wurde, ist Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechtes (sogenanntes faktisches Arbeitsverhältnis).

Arbeit aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages

Das Arbeitsverhältnis kommt durch Rechtsgeschäft und nicht durch die bloße Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb zu Stande.

Fotolia, Auremar
Foto: Fotolia, Auremar

Beispiel: Mitarbeiter der Zeitarbeitsfirma, die von der Zeitarbeitsfirma an einen Arbeitgeber ausgeliehen werden, werden zwar in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert, haben aber ihr Arbeitsverhältnis mit der Zeitarbeitsfirma.

Demgegenüber knüpft die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einstellungen an die tatsächliche Beschäftigung, das heißt die Eingliederung von Personen in Betrieb, an.

Durch das Merkmal "Grund eines privatrechtlichen Vertrages " werden auch andere Personengruppen abgegrenzt, die zwar abhängige Arbeit leisten, aber nicht dem Arbeitsrecht unterstehen. Hierzu zählen Beamte, die ihre Arbeit auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisses leisten, oder Personen, die zwangsweise auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses zu Arbeit verpflichtet sind, wie beispielsweise Strafgefangene oder Zivildienstleistende.

Familiäre Mitarbeit beruht nicht auf einem privatrechtlichen Vertrag, sondern auf den Vorschriften des Familienrechts, §§ 1356,1619 BGB, allerdings ist neben der familienrechtlichen Rechtsbeziehung auch der Abschluss eines Arbeitsvertrages möglich.

Leisten von Arbeit

Arbeit ist im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Es ist jede Betätigung und jedes Verhalten, das der Befriedigung eines Bedürfnisses dient und im Wirtschaftsleben als Arbeit qualifiziert wird. Leistung von Arbeit bedeutet, dass nicht die Herbeiführung eines bestimmten Arbeitserfolges (Abgrenzung zum Werkvertrag), sondern das bloße Wirken, die Arbeitsleistung als solche mit im Voraus nicht abgegrenzten Einzelleistungen, geschuldet wird.

Arbeit im Dienste eines anderen

Die vertraglich geschuldete Leistung ist vom Arbeitnehmer im Rahmen einer vom Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.

Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Das Bundesarbeitsgericht verweist insoweit auf § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch, dass ein typisches Abgrenzungsmerkmal enthält. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag und damit für die Merkmale der Arbeitnehmereigenschaft zu beachten ist. Ob der erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit besteht, überprüft die Rechtsprechung anhand einer Reihe von Merkmalen (Indizien):

- Eingliederung in die fremde betriebliche Organisation

- Eigenart und Organisation der Tätigkeit

- Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit, Dauer und Art der Tätigkeit

- Persönliche Leistung oder Einsatz

- Einsatz eigener Betriebsmittel, Unterhaltung einer eigenen Betriebsstätte

- Art und Modalitäten der Entgeltzahlung

Wertende Gesamtbetrachtung

Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung entscheidet das Bundesarbeitsgericht, ob der betreffenden dem Typus des Arbeitnehmers oder des Selbstständigen zuzuordnen ist. Dabei haben nicht alle Indizien das gleiche Gewicht. Entscheidend ist für das Bundesarbeitsgericht die Einbindung in eine von einem Dritten bestimmte Arbeitsorganisation.

Für die Abgrenzung selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auch die Art der Tätigkeit von Bedeutung sein. Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen, als bei gehobenen Tätigkeiten. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend. Manche Tätigkeiten können nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen freier Dienstverträge oder Werkverträge erbracht werden (beispielsweise Rechtsanwalt), andere regelmäßig nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen (beispielsweise Rechtsanwaltsfachangestellte).

Bezeichnung unerheblich

Es kommt nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechtes nicht eingeschränkt werden. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist in aller Regel die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung lässt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind.

Von praktisch größter Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmereigenschaft und selbstständigem freien Mitarbeitertum im Arbeitsrecht für den Kündigungsschutz, darüber hinaus im Sozialversicherungsrechts für die Versicherungspflicht und die Beiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung sowie schließlich im Steuerrecht für die Lohnsteuer und die Haftung des Arbeitgebers auf nicht entrichtete Lohnsteuern. Sozialversicherungsträger und Finanzämter führen regelmäßig Außenprüfungen durch, die sich auch mit dem Status der Beschäftigten als Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter befassen.

Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft

Die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft kann durch Erhebung einer entsprechenden Klage beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht erfolgen. Für die Begründung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte reicht in allen Fällen die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer. Der Klageantrag kann zulässigerweise auf die Statusfragen beschränkt werden, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Einzelne Gruppen von Arbeitnehmern

Gem. § 5 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz gehören zu den Arbeitnehmern die Arbeiter und Angestellten, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Heimarbeitsbeschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (siehe § 1 Heimarbeitsgesetz). Daneben enthält § 5 Abs. 3 BetrVG den Begriff des leitenden Angestellten.

Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten hat eine lange Tradition, in der Praxis jedoch nur noch geringe Bedeutung. Arbeiter sind alle Arbeitnehmer, die nicht Angestellte sind. Einen eigenen arbeitsrechtlichen Angestelltenbegriff gibt es nicht, nach herkömmlicher Auffassung setzt das maßgebliche Abgrenzungskriterium an der Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Ist sie überwiegend geistig, ist der Arbeitnehmer angestellt, ist sie überwiegend körperlich, ist er Arbeiter. Den leitenden Angestellten definiert das Betriebsverfassungsgesetz in § 5 Abs. 3,4 nur für seinen Anwendungsbereich. Kennzeichnend für den leitenden Angestellten ist, dass er für das Unternehmen oder ein Betrieb des Unternehmens unter eigener Verantwortung typisch Unternehmerfunktionen mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum wahrnimmt.

Organmitglieder

Organmitglieder juristischer Personen zählen im Arbeitsrecht nicht zu den Arbeitnehmern. Der ihnen fehlt es nicht nur an der persönlichen Abhängigkeit, sie repräsentieren vielmehr die juristische Person unmittelbar als Arbeitgeber. Dies gilt nicht nur für den Vorstand einer Aktiengesellschaft, sondern auch für den GmbH-Geschäftsführer, gleich ob er als Fremdgeschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter tätig ist. Die Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers ist deshalb i. d. R. zu verneinen. Nur ausnahmsweise kann das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers ein Arbeitsverhältnis sein, wenn über die gesellschaftsrechtlichen Weisungsrechte hinaus die Gesellschaft typische arbeitsrechtliche, das heißt arbeitsbegleitende und die konkrete Leistungserbringung steuernde Weisungen erteilen kann.

Arbeitnehmer als Verbraucher

Gem. § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Die Frage, ob der Arbeitnehmer Verbraucher ist, ist nach der Schuldrechtsreform umstritten.

Lohnsteuerrecht

Die lohnsteuerrechtliche Bedeutung des Arbeitnehmerbegriffes liegt darin, dass der Arbeitgeber vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers in die Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen hat. Trotz dieses Verfahrens bleibt der Arbeitnehmer Steuerschuldner. Der Arbeitgeber ist nur dann Schuldner der Lohnsteuer, wenn die Lohnsteuer in bestimmten Fällen pauschal vom Arbeitgeber getragen wird. Der Arbeitgeber wird Haftungsschuldner der Lohnsteuer, wenn er die Lohnsteuer vom Arbeitslohn einbehält, aber nicht an das Finanzamt abgeführt oder wenn er es pflichtwidrig unterlässt, die Lohnsteuer einzubehalten.

Sozialversicherungsrecht

Hauptanknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht und die daraus herzuleitenden sozialen Rechte ist - neben weiteren Voraussetzungen - in allen Zweigen der Sozialversicherung das Vorliegen einer Beschäftigung. Zwar unterfällt die Tätigkeit innerhalb eines Arbeitsverhältnisses traditionell den Schutzbereich des Sozialversicherungsrechts, jedoch sind der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers und der sozialrechtliche Begriff der Beschäftigung nicht identisch.

In Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit bestimmt die Legaldefinition des §§ 7 Abs. 1 SGB IV, dass Beschäftigung nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ist. Der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt ebenfalls als Beschäftigung, § 7 Abs. 2 SGB IV.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de