Die dritte Industrielle Revolution war seit Mitte des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen durch die „Computerisierung“ der Wirtschaft geprägt. Nun, im Zeitalter der vierten Industriellen Revolution verbinden sich die Konzepte der klassischen Informationstechnik mit sehr schnellen und disruptiven Technologieentwicklungen Beispiele dafür sind das Internet der Dinge, das industrielle Internet, Prozessautomationen mithilfe von Robotern, sich autonom bewegende Fahrzeuge, künstliche Intelligenz, 3D-Drucker, cyber-physikalische Systeme und sogenannte „Wearables“, die untereinander vernetzt sind. Indem diese Technologien beginnen zusammenzuwachsen, sind immer mehr Branchen und Unternehmen von der vierten Industriellen Revolution betroffen.
Dies führt zunächst zu einiger Verwirrung, denn Unternehmen und ihren einzelnen Bereichen stellen sich viele neue und grundlegende Fragen. Welche Unternehmensbereiche sind also betroffen und wie wirkt sich die vierte Industrielle Revolution auf sie aus?
Forschung & Entwicklung
Egal ob in der Medizin oder bei Mobilitätsdienstleistungen – Kunden verlangen nach Personalisierung. Selbst bei Massenprodukten wird eine individuelle Ansprache erwartet. So hat zum Beispiel ein Hersteller von Kaffeemaschinen einen Web-Konfigurator programmiert. Dieser sammelt reale Verkaufsdaten und analysiert sie hinsichtlich der Bereitschaft, wofür Kunden bereit sind mehr zu zahlen. Die Ergebnisse führen dann zu einer stärkeren Anpassung der Produkte an diese Kundenbedürfnisse – mithilfe von 3D-Druckern.
Auch lassen sich angefeuert durch Big Data und eine individualisierbare Massenfertigung aus Kundenpräferenzen neue Produkte und Services generieren. Unternehmen müssen diese neue Art des Denkens in alle Aspekte ihrer Forschung und Produktentwicklung einfließen lassen – sei es bei internen Teams oder bei externen Partnern. In der Tat ist dabei Selbstentwickeln und Selbstmachen nicht immer die richtige Option. Oft müssen externes Know-how und externe Dienstleistungen zugekauft werden, um früher als der Mitbewerb am Markt zu sein. Der richtige Mix aus eigenen Ressourcen und externen Partnern ist deshalb oft erfolgskritisch.
Engineering
In komplexen und miteinander verbundenen Produktionsnetzwerken ist ein bereichsübergreifender und gemeinschaftlicher Engineering-Ansatz ein Muss. Das auf seiner Basis formierte Ökosystem verläuft sowohl entlang der Wertschöpfungskette, als auch quer durch die verschiedenen Produkt- und Kundenlebenszyklen. Da sich Rollen und Schnittstellen der Designer, Service-Provider, Lieferanten und Kunden fortlaufend ändern, wird das Engineering zukünftig nahtlos mit dem Design, der Entwicklung und der Herstellung neuer Produkte und Services verknüpft sein.
Der unmittelbare Austausch wird neue Synergien zwischen der Produktentwicklung und den Produktionssystemen schaffen. Aus technischer Sicht setzt das neue Zusammenarbeitsmodell voraus, dass alle produktionsbezogenen Daten und Informationen jederzeit im gesamten Produktlebenszyklus verfügbar sind.
Fertigung
Um eine nachhaltige Fertigung zu erzielen, verbinden Unternehmen ihre virtuelle und reale Produktion mithilfe von innovativer Software, Automatisierung und Datenintegration. Dies gilt sowohl für die Produktion als auch für Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette. Die Produktionsprozesse und Produktionsautomatisierungen werden als integrierte Prozesse in enger Zusammenarbeit mit den Lieferanten und Partnern gestaltet und in Auftrag gegeben. Eine Erhöhung der Produktionsflexibilität, die wirtschaftliche Produktion kleiner Losgrößen, eine automatisierte Logistik sowie intelligente Maschinen und Produkte helfen dabei, die Markteinführungszeit zu reduzieren und damit Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Auch können zum Beispiel Pumpenhersteller oder andere Maschinenbauer virtuelle Werkzeuge einsetzen, um Produktionsprozesse und den aktuellen Standort einzelner Bauteile kontinuierlich transparent zu machen. Dies wiederum ermöglicht kürzere Lagerzeiten und eine höhere Produktivität.
Informationstechnologie
Heutzutage gehören die IT-Systeme, besonders in Fertigungsbetrieben, bereits zum Herz eines Unternehmens. Doch zukünftig werden diese Systeme noch enger mit den Subsystemen und den Netzwerken der Lieferanten und Kunden verknüpft sein. Der Zusammenschluss aus IT und OT (Operations Technology) wird sich deshalb als neuer Standard durchsetzen. Das heißt: Die Geschäftsprozessautomatisierung und Büroautomation konvergieren mit der Industrieprozessautomatisierung und der Fabrikautomation.
Infolgedessen müssen interagierende Netzwerke für physische Komponenten und IT-Komponenten gemeinsam entwickelt werden. Das Ergebnis sind cyber-physikalische Systeme, welche den Grundstein für neue und Smart Services legen.
Dabei ist es die Aufgabe von CIOs und der IT-Funktionen, eine Balance zwischen Inhouse-Ressourcen und sogenannten „sourced skills“ zu finden, die diesen komplexen Anforderungen gerecht wird. Eine verstärkte Einbeziehung externer Leistungen begegnet auch den Gefahren einer zunehmenden „Schatten-IT“, bei der sich die Mitarbeiter eigenständig besorgen, was die eigene IT nicht oder nur unzureichend bietet. So hat zum Beispiel der CIO eines Hafenbetreibers mehrere Initiativen gestartet, die Effizienz des Hafenbetriebs zu steigern. Vor allem sammelte und analysierte er Daten über Schiffsbewegungen und konnte auf diese Weise das Anlanden der Schiffe und der geladenen Container optimieren.
Zum Video: Was Industrie 4.0 für einzelne Unternehmensbereiche bedeutet
Belegschaft & HR
Generell wird die Beschäftigung im kommenden Jahrzehnt weiter zunehmen, da neue Modelle der Zusammenarbeit für neue Jobs sorgen werden – auch wenn dafür andere Skills als heute gefragt sein werden. Kurzfristig jedoch führt eine beschleunigte Automatisierung dazu, dass Jobs für gering qualifizierte Mitarbeiter, deren Arbeit aus einfachsten und sich wiederholenden Abläufen besteht, wegfallen. Andererseits führt die steigende Nutzung von Software, Connectivity und Analytik zu einer höheren Nachfrage nach Experten mit Fähigkeiten im Bereich der Software-Entwicklung und IT-Technologie.
Fertiger haben deshalb damit begonnen, auf die Industrie spezialisierte Datenanalysten einzustellen, die in der Lage sind, komplexe Datenanalysen durchzuführen, Roboter zu programmieren und Prozesse zu verbessern. Diese Umgestaltung der Mitarbeiterstruktur ist eine der Schlüsselherausforderungen für einen nachhaltigen Erfolg der vierten Industriellen Revolution.
Revolutionen sind, schon per Definition, dynamisch und zerstörerisch. Die vierte Industrielle Revolution, in der wir uns gerade befinden, schafft deshalb gerade fast grenzenlose Möglichkeiten – und zwar für Unternehmen, die sich schnell anpassen können und sich den Wandel zu eigen machen. Unternehmen hingegen, die zögern und diesen Wandel als nachrangig betrachten, laufen Gefahr, am Ende komplett verschwunden zu sein.