Personalentwicklung meets Corona

Upskilling heißt das Zauberwort

18.03.2021 von Kurt Jeschke  IDG ExpertenNetzwerk
Viele Unternehmen müssen ihre Personalentwicklungsmaßnahmen anpassen, nachdem COVID-19 Digitalisierung und New Work in den letzten zwölf Monaten deutlich beschleunigt hat. Stichwort: Upskilling.
Den ersten Knopf alleine schließen - ein Erfolgserlebnis aus eigener Kraft. Im Berufsleben neue Skills zu erlernen, geht allerdings meistens nicht ohne Unterstützung.
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Webmeeting statt Jour fixe im Büro, Homeoffice statt Schreibtisch am Arbeitsplatz. Für viele Unternehmen sind daraus strukturelle Probleme entstanden. Arbeits- und Entscheidungsprozesse werden kollaborativer und virtualisierter. Von Mitarbeitenden und Führungskräften werden ganz schnell ganz neue Fähigkeiten benötigt, damit Effizienz und Produktivität nicht leiden. Doch ebenso schnell sind Mitarbeitende überfordert und der Arbeitsmarkt hält nicht genug qualifiziertes Personal bereit.

Zwei aktuelle Untersuchungen der IUBH Internationalen Hochschule zeigen, wo der Handlungsbedarf liegt. So zeigt die Trendstudie "Upskilling 2020" (PDF-Download) wesentliche Aspekte des Wandels am Arbeitsmarkt auf. Die zentrale Erkenntnis: Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz werden dafür sorgen, dass sich viele der heutigen Berufsfelder dramatisch verändern. Noch schlimmer: Etwa 30 Prozent aller heutigen beruflichen Tätigkeiten werden - so Experten - bis 2030 nicht mehr existieren. Für 2050 wird ein Anteil von 50 Prozent prognostiziert.

Personalentwicklung: Neue Kompetenzen Fehlanzeige

Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind gravierend. Allein in der IT waren laut Branchenverband Bitkom trotz Shutdown Mitte Dezember 2020 rund 86.000 Stellen unbesetzt. Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen im Fachkräftemangel das größte Geschäftsrisiko sieht. Hinzu kommt: Während einerseits Berufe verschwinden, kommen andererseits ganz neue Berufe oder Qualifikationen hinzu. Die Industrie- und Handelskammern haben deshalb bereits Mitte 2020 die IT-Berufe neu gefasst. Dabei sind etwa der Kaufmann für IT-Systemmanagement und der IT-Kaufmann für Digitalisierungsmanagement entstanden. Und Hochschulen bieten inzwischen Bachelor- und Masterstudiengänge für Artificial Intelligence, Data Science, Digitale Transformation oder Cybersecurity an.

Geschäftsführung wie Mitarbeitende wissen, wo das Upskilling ansetzen sollte.
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Ein Hauptproblem für viele Unternehmen besteht aber darin, dass die Arbeitsplätze mit nicht mehr benötigten Qualifikationen schneller wegfallen als Mitarbeitende in Rente gehen, während neue Qualifikationen gefragt sind, für die es bisher nur wenig ausgebildetes Personal gibt. Der Ball liegt also bei den Unternehmen, die immer mehr unter Druck geraten. Denn der seit Jahren bekannte und beklagte Fachkräftemangel intensiviert sich.

Upskilling: Konsequente Personalentwicklung

Aber es gibt eine Lösung. Sie lautet Upskilling. Nur wer es schafft, vorhandene Mitarbeitende durch Weiter- und Höherqualifizierung in die neuen Arbeitswelten mitzunehmen, wird erfolgreich sein. Bedarfsgerecht qualifizierte und in ausreichender Personenzahl verfügbare Fach- und Führungskräfte entscheiden über Wachstum oder Exit. Die Trendstudie der IUBH zeigt, dass über 80 Prozent der Unternehmen heute oder in naher Zukunft konkrete Lösungen im Umgang mit den Skill Gaps ihrer Mitarbeitenden benötigen.

Ein Vorteil: Die meisten Unternehmen und Mitarbeitenden wissen, welche Skills fehlen und welche neuen Skills sie in Zukunft benötigen werden. Ein Nachteil: Die richtige Auswahl nach Format, Inhalt und Didaktik ist durch einen intransparenten Bildungsmarkt erschwert.

Lesetipp: IT-Jobs - Die sieben wichtigsten IT-Skills

Dabei sind es sowohl Hard Skills als auch Soft Skills, die in den neuen Berufen gefordert sind. Ob IT & Technik, Marketing & Kommunikation oder Management & Wirtschaft: Umbrüche bei den Führungskompetenzen (z.B. das Führen virtueller Teams), Arbeitsmethoden (z.B. Agilität), einzusetzenden Instrumenten (z.B. bei Datenintegration und Data Analytics) und Wertschöpfungsketten (z.B. bei Digitalen Businessmodellen) finden in vielen Bereichen statt und stellen Unternehmen ständig vor neue Herausforderungen.

Bei den Soft Skills stehen entsprechend Kompetenzen in den Bereichen digitales Mindset, Problemlösungs- und Konfliktmanagement sowie neue Formen von Teamwork und des Lernens im Vordergrund.

10 unentbehrliche IT-Skills
1. Kommunikation
Von vielen als "weicher " Faktor belächelt, sollte die Fähigkeit, mit anderen Menschen verbal zu interagieren, auch im "harten" IT-Geschäft nicht vernachlässigt werden. Die Welt im Datenzentrum verändert sich noch rascher als anderswo. Hier eine strukturierte Umgebung aufrechtzuerhalten erfordert Kommunikation - nicht nur mit dem Business, sondern auch innerhalb der IT-Organisation.
2. Service-Management
Viele Unternehmen beziehen bereits Teile ihrer IT-Services aus der Cloud. Diese Auslagerung verlangt von den IT-Verantwortlichen ein Umdenken in Sachen Service-Management. Sie müssen das komplexe Zusammenspiel von Kapazität und Nachfrage in einer nicht länger fest umrissenen Infrastruktur im Griff haben.
3. Unified Computing
Das "Unified Computing System" von Cisco, die "Blade System Matrix" von HP und die Cloud-Computing-Strategie von IBM stehen laut Rockwell Bonecutter, Data-Center-Experte bei Accenture, beispielhaft für einen Trend, der auch noch die kommenden Jahre kennzeichnen werde.
4. Projekt-Management
Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden die Unternehmen auch ihre verschobenen IT-Projekte in Angriff nehmen. Aber sie werden darauf achten, dass sich die Investitionen am Ende auch auszahlen. Deshalb sind die Fähigkeiten zur Business-Analyse und zum effizienten Projekt-Management gefragt.
5. Ressourcen-Management
In einen Zusammenhang mit dem Thema Green IT gehört die Beherrschung der Wechselwirkungen zwischen IT- und Facilities-Management. Keine Kapazitätsplanung kommt heute ohne eine Betrachtung des Energieverbrauchs und der Wärmeabstrahlung aus. IT-Teams brauchen also dringend jemanden, der diese Faktoren auf dem Schirm hat und in der Lage ist, dieselbe Sprache wie die Facilities-Experten zu sprechen, also einen "Ressourcen-Manager". Auch der Data-Center-Chef selbst darf diese Aspekte nicht aus den Augen verlieren.
6. Engineering
Die Leute, die heute am verweifeltsten gesucht werden, sind, so Pricewaterhouse-Coopers, Mechanik- und Elektro-Ingenieure, die sich mit modernem IT-Equipment auskennen. Heutige Rechenzentrumskonzepte, beispielsweise virtualisierte Server, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Elektrik und Kühlsysteme fundamental von denen der vergangenen Jahre.
7. Netzwerk-Know-how
Wenn ein Rechenzentrum ohne Menschen vor Ort auskommt (die Stichworte heißen hier "lights out" und "remote"), dann nur, weil es über ein Netz gesteuert wird. Folgerichtig braucht ein IT-Manager moderner Prägung ein solides Wissen hinsichtlich Netzkonfigurationen, - hardware, und -schwachstellen. Zudem sollte er Mitarbeiter einstellen, die über solches Know-how verfügen.
8. Finanzanalyse
Gerade in einer Wirtschaftskrise wird von einem IT-Verantwortlichen wirtschaftliches Denken verlangt. Er muss beispielsweise in der Lage sein, die Applikationen nach ihrer Bedeutung für das Business zu priorisieren und auf dieser Basis zu entscheiden, welche Lösung einen eigenen Server benötigt und welche beispielsweise in die Cloud ausgelagert werden kann.
9. Green IT
Mögen manche auch die Augen verdrehen - kein Unternehmen kommt an dem Mandat für eine "nachhaltige" Technologie vorbei.
10. Virtualisierung
Die Basistechnik für eine moderne IT-Infrastruktur ist eine Trumpfkarte für den, der sich mit ihr auskennt. Die Unternehmen packen immer mehr IT-Komponenten in flexible, leicht zu wartende und günstig zu betreibende, sprich: virtualisierte Umgebungen.

Der Future Digital Skills Report der IUBH Hochschule vom Januar 2021 vertieft diese Befunde und zeigt die wichtigsten digitalen Schlüsselkompetenzen auf, um die sich Unternehmen kümmern sollten. Dazu gehören an erster Stelle auch heute noch Basisfertigkeiten für die Grundlagen digitaler Arbeit, wie:

Daneben nehmen Softwarequalifizierung, Künstliche Intelligenz, Managementfähigkeiten, Marketing und Informatik die vordersten Plätze auf der Wunschliste ein.

Mitarbeitende - auch das zeigt der Digital Skills Report - halten die Personalentwicklung durch Weiter- und Höherqualifizierung (neudeutsch Upskilling) übrigens für eine Bringschuld des Unternehmens. Wie sehr der Schuh hier drückt, zeigen die Befragungsergebnisse der jüngsten Studie, bei denen mehr als 500 Teilnehmende Rede und Antwort standen. Fast 40 Prozent der Befragten geben ihren persönlichen Weiterbildungsbedarf als hoch oder sehr hoch an. Aus Sicht der Führungskräfte ist dieser Wert sogar noch höher: Mehr als die Hälfte (52,3 Prozent) geht von einem hohen oder sehr hohen Weiterbildungsbedarf der eigenen Mitarbeitenden aus. Das lässt den Schluss zu, dass innovative, flexible und punktgenaue Upskilling-Angebote des Arbeitgebers auf viel Interesse und hohe Akzeptanz bei Mitarbeitenden treffen dürften. Das ist eine gute Ausgangssituation für Qualifizierungsmaßnahmen, sofern sie die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigen.

Personalentwicklungsmaßnahmen: Digitalisierung zeigt den Weg

Bleibt die Frage, wie die Personalentwicklung diese Weiterbildung in den Arbeitsalltag integrieren kann. Auch hier zeigt die Digitalisierung den Weg. Innovative Bildungslösungen ermöglichen heute flexibles, also zeit- und ortsunabhängiges Lernen über Computer, Smartphone oder Tablet. Die Angebote funktionieren vor allem dann gut, wenn die Mitarbeitenden bestimmen können, wie, wann und wo sie sich mit welchen Themen auseinandersetzen möchten. Kleine Einheiten mit knappen Lernkontrollen und interaktivem Feedback bilden die eine Seite der Medaille, die Möglichkeit der direkten Anwendung des Gelernten etwa im Rahmen von Digitalisierungsstrategien im Unternehmen bilden die andere. So kann Gelerntes gleich in der Praxis vertieft werden, am besten im Team, weil hier Wissen und Einsichten schnell geteilt werden.

Lesetipp: Learning Nuggets - Weiterbildung - on the fly

Wenn Unternehmen die Ziele ihrer Personalentwicklung zudem transparent machen, mit jeder Fach- und Führungskraft persönliche Ziele vereinbart und regelmäßig besprochen werden, wird jeder Einzelne für sich und sein Unternehmen Verantwortung übernehmen. Nur so wird relevantes Wissen aufgebaut, werden Arbeitsplätze gesichert und damit der digitale Wandel aktiv mitgestaltet.

Zusätzliche Aktivierungen durch den regelmäßigen Kontakt zu Zukunftsthemen und Trends (etwa im Rahmen von digitalen Kurzvorträgen) sowie technologischen Neuerungen und Tools schaffen darüber hinaus einen positiven Nährboden für Wunsch und Willen nach regelmäßiger Weiterbildung. Obwohl also in Unternehmen immer mehr Qualifikationen fehlen, war wohl die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen, nie höher als heute. Arbeitgeber, die dieses Eisen heute schmieden, lösen mit einer aktiven Personalentwicklung 4.0 nicht nur ihren Skill Gap. Sie motivieren und binden gleichzeitig aktive und engagierte Mitarbeitende - eine klassische Win-Win-Situation. (bw)