Ärger des Jahres

Pannenstatistik 2007: Die kleinen und großen Verlierer des Jahres

14.12.2007
Eigentlich war 2007 ein richtig gutes Jahr. Die Konjunktur brummte, im ITK-Markt war die Hölle los. Doch bekanntlich gehört die Sympathie den Verlierern. Lesen Sie alles über die kleinen und großen Flops, Pannen und Absteiger des fast abgelaufenen Jahres - und warum SAP und T-Systems dazu gehören.

1. Second Life

Der Eindruck täuscht: Sehr viel ist in Second Life nicht geboten.
Foto:

Zugegeben, auch wir waren dem Rausch zeitweilig verfallen. Die Zahlen waren aber auch zu beeindruckend: Binnen anderthalb Jahren hatte sich Second Life von einer kleinen Community zu einer Plattform für Millionen entwickelt. Doch mit der Masse kamen auch die Probleme.

Christiano Diaz, in Second Life als Christiano Midnight unterwegs, startete im Frühjahr das Project "Open Letter", in dem er den Ärger mit der virtuellen Plattform von Linden Lab adressierte. Das explosionsartige Wachstum führte zu technischen Problemen. Gestört fühlten sich vor allem Anwender, die Second Life professionell nutzen und die Plattform für Marketing-Aktionen oder Geschäfte hernehmen wollten.

Zu den Streitpunkten zählten die fehlende Stabilität, die Langsamkeit der Transaktionen, offene Rechtsfragen und die fehlende Datensicherheit, die als "verheerendes Problem" bezeichnet wurde: "Wir haben nicht die Möglichkeit, unsere eigenen Datenbestände durch Backups zu schützen", hieß es in dem Schreiben. Hier sei der Nutzer ganz auf den Betreiber angewiesen. "So kann es nicht weitergehen", schrieb Diaz an Linden Lab, "wir werden finanzielle Verluste als Feature von Second Life nicht hinnehmen. Als Service-Provider liegt es in Ihrer Verantwortung sicherzustellen, dass keine Daten verloren gehen. Sie lassen uns hier im Stich!"

Der amerikanische Science-Fiction-Autor Neal Stephenson stellte schließlich die Grundsatzfrage: Sind dreidimensionale Ansichten im Internet überhaupt sinnvoll? "Die meisten Inhalte des Internets basieren auf Dokumenten wie Texten, Fotos, Videos und Audio. Die sind extrem benutzerfreundlich, so wie sie sind", sagte Stephenson. Abschreiben solle man das Thema Dreidimensionalität nicht, aber eine 3D-Landschaft biete sich eigentlich nur für soziale Interaktion im Netz und die Darstellung von Waren an.

Viele Menschen haben Second Life besucht, viele waren relativ enttäuscht von dem, was sie vorfanden. Eine virtuelle Welt, die die langweilige Seite der realen kopiert, lockt die von Games und Fiction verwöhnte Anwenderschaft eben nicht auf Dauer. Betreiber Linden Lab musste dann auch melden, dass allein im Juli knapp 6.000 kostenpflichtige Premium-Accounts geschlossen wurden. Das bedeutete einen Rückgang von rund sechs Prozent gegenüber Juni.

2. Galileo

So sehen sie aus, die geplanten Galileo-Satelitten.

Ausufernde Kosten und zeitliche Verzögerungen kennzeichnen das europäische Satellitennavigations-System Galileo, mit dem sich die EU-Staaten unabhängiger vom amerikanischen GPS machen wollen. Bereits 1,5 Milliarden Euro sind in die Entwicklung geflossen, weitere 3,4 Milliarden Euro stellt die EU bis zum Endausbau 2013 bereit. Darüber, wie die Finanzierungslücke von 2,4 Milliarden Euro geschlossen werden soll, stritten die Eurokraten lange. Sie kamen schließlich zu einem Kompromiss, in dessen Rahmen nicht ausgegebene Agrargelder in Höhe von 1,6 Milliarden Euro umgeleitet werden sollen.

Der Rest soll aus anderen Töpfen kommen, betroffen sind vor allem die Deutschen. Als größter Nettozahler der EU muss die Bundesregierung mit Mehrbelastungen für den nationalen Haushalt von bis zu 500 Millionen Euro rechnen. Sie stimmte deshalb – allein auf weiter Flur – gegen den Kompromiss, ließ es aber nicht auf ein Veto ankommen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Immerhin wurden die Aufträge der EU-Kommission neu verteilt, so dass die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche an Europas größtem Technologievorhaben besser beteiligt wurde. Die Finanzierung für Galileo scheint also vorerst gesichert, allerdings hat die Diskussion unter den Förderern gezeigt, auf welch dünnem Eis das Vorhaben fußt.

3. IPTV

IPTV gehört auch in Zukunft nur die Zukunft.
Foto:

Teuer und ohne ersichtlichen Mehrwert: Ob IPTV zu dem Renner wird, den sich etwa die Deutsche Telekom erhofft, scheint alles andere als sicher. "IPTV halte ich im Moment für uninteressant. Die Kunden haben schon Kabel", sagte United-Internet-Chef Ralf Dommermuth der "Financial Times Deutschland". Auch Harald Summa, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Internet-Wirtschaft eco, mag die "Euphorie nicht uneingeschränkt teilen". Einige Experten sehen gar schon Parallelen zu dem Flop, den die Branche mit der milliardenteuren Mobilfunktechnik UMTS erlebte. "Die meisten Fernsehzuschauer fühlen sich durch Kabel, Satellit oder Antenne offenbar ausreichend mit TV-Programmen versorgt", argwöhnte der "Spiegel".

Nach Ansicht von Bernhard Steimel, Geschäftsführer der Düsseldorfer Beratungsfirma Mind Business Consultants, ist fraglich, woher die Einnahmen kommen sollen: "Nur ein Sechstel der Kabeldirektkunden können ihren Anschluss substituieren, die übrigen müssten die Abo-Gebühr für IPTV zusätzlich bezahlen. Auch ist die Annahme riskant, dass wesentliche Einnahmen aus den Erlösen einer Pay-TV-Gebühr kommen. In Deutschland sind die Barrieren für diesen Markt seit Jahren sehr hoch - die schwache Penetration bestätigt das", sagte Steimel.

Kommerzielles Fernsehen via Internet-Protokoll wird vorerst keinen Boom erleben, so die Prognosen von Capgemini Consulting. Waren Schätzungen bislang von 2,5 Millionen Nutzern im Jahr 2012 ausgegangen, so korrigierten die Analysten diesen Wert jetzt auf 1,7 Millionen Kunden. Die Zahl der Anbieter sei klein, und die Breitbandverbindungen der Kunden werde mit großen Datenmengen noch nicht fertig. Hinzu komme, dass viele Konsumenten keinen Mehrwert im IPTV-Angebot erkennen könnten.

4. Windows Vista

Der jüngste Spross in der Windows-Familie habe alle Verkaufserwartungen übertroffen, jubelte Microsoft – Marktbeobachter sehen das ziemlich anders. In Unternehmen hat Vista rund ein Jahr nach seiner Einführung noch nicht Fuß gefasst. "Der hauptsächliche Grund, warum unsere Kunden nicht migrieren möchten, ist doch, dass es dadurch keinen Mehrwert für das Unternehmen gibt", fand Konstantin Mroncz, Geschäftsführer von Train + Consult, klare Worte. Für ihn mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Migration von XP zu Vista von der Agenda vieler IT-Abteilungen verschwunden sei.

Gründe dafür gibt es reichlich. So etwa die hohen Hardwareanforderungen von Vista, die dazu führen, dass im Zuge einer Umstellung der größte Teil des vorhandenen Rechnerbestands entsorgt und teuer ersetzt werden muss. In weiten Teilen ungeklärt sind zudem immer noch die leidigen Kompatibilitätsprobleme des Betriebssystems zu Dritthersteller-Anwendungen. Von der neuen Oberfläche, die gerade im klassischen Anwenderumfeld regelmäßig für Verwirrung bei den Benutzern sorgt, ganz zu schweigen. Alles in allem liegt die Hürde für eine Umstellung also sehr hoch.

Die Analysten von Gartner beobachten denn auch einen nur schleppenden Umstieg der Anwender auf das neue Microsoft-System. "Viele Unternehmen hinken den uns gegenüber geäußerten Vista-Plänen ungefähr ein Jahr hinterher", erklärte etwa Gartner-Mann Michael Silver im "Microsoft Watch" von Joe Wilcox. Habe man vor einem Jahr noch mit einer großen Migrationswelle im zweiten Quartal 2008 gerechnet, so gehe man jetzt eher von Anfang 2009 aus. Zu diesem Zeitpunkt wird aber schon der Nachfolger "Windows 7" erwartet. Da Microsoft aber zu Verzögerungen neige, sollten Unternehmen vorsichtshalber doch einen Umstieg auf Vista prüfen, heißt es bei Gartner.

Forrester-Analyst Benjamin Gray glaubt zwar nach wie vor an den großen Vista-Migrationssturm, mag diesen aber nicht mehr datieren. Die von seinem Haus im dritten Quartal 2007 aufgenommene Windows-Statistik ergibt, dass lediglich sieben Prozent der rund tausend in Nordamerika und Europa befragten Unternehmen noch in diesem Jahr mit dem Vista-Deployment beginnen wollen, ein Viertel plant dies für 2008. Umgekehrt gaben von den Europäern 54 Prozent an, keine Vista-Pläne zu haben oder noch unschlüssig zu sein. Ähnlich sieht es in Nordamerika aus.

5. Nokia, Samsung, Motorola und die anderen Handybauer.

Seit dem iPhone stellen Handynutzer andere Ansprüche.

Nein, wir reden hier nicht von Geschäftszahlen - die sehen etwa bei Nokia glänzend aus (bei Motorola allerdings ganz und gar nicht). Wir reden von Apple und seinem iPhone, das trotz eingeschränkter Funktionalität einen bislang nicht gekannten Wirbel entfacht hat. Das iPhone ist schön, sexy und – per Touchscreen - leicht bedienbar. Für die Handy-Industrie besonders schmerzlich: Apple hat es geschafft, dass Netzbetreiber sich um die Rechte der Exklusivvermarktung schlagen und Steve Jobs, dem laut "Fortune" mächtigsten Manager des Jahres 2007, sogar einen erklecklichen Teil ihres mit dem iPhone erzielten Umsatzes überweisen.

Für das iPhone spricht zu allererst das elegante Design: Während andere Handys unzählige Nummern- oder gar Buchstabentasten benötigen, genügt dem Gerät eine einzige Taste sowie ein großer, berührungsempfindlicher Bildschirm. Ein weiterer Pluspunkt ist die kinderleichte Benutzerführung über das Multi-Touch-Display. Nicht nur, dass man alle Funktionen mit dem Finger ansteuern kann. Mit Daumen und Zeigefinger lassen sich zudem Fotos oder ganze Websites auf dem Bildschirm in der Größe verändern und bei Bedarf heranzoomen. Die Bedienung verblüfft mit solcher Einfachheit, dass Marktbeobachter nicht ohne Grund erwarten, dass das mobile Internet mit dem iPhone in Deutschland massentauglich wird. Zu den netten Details zählen außerdem die automatische horizontale und vertikale Bildschirmausrichtung sowie die Anpassung der Display-Beleuchtung an das Umgebungslicht.

Elegantem Design, guter Verarbeitung und einfacher Bedienbarkeit stehen aber auch ein paar gravierende Nachteile gegenüber, die die Kunden erstaunlich gelassen hinnehmen. Dazu zählt etwa die ausgesprochen teure Vertragsbindung, die - für Apple nicht ungewöhnliche - fehlende Offenheit (Speicher, Datenformate, Drittapplikationen), der vorläufige Verzicht auf UMTS-Unterstützung, die schwache Kamera (zwei Megapixel), ein Mangel an Dritt-Applikationen sowie E-Mail- und Office-Funktionalität und der fehlende Speicherkartensteckplatz.

Die Handyhersteller mussten feststellen: Käufer interessieren sich nicht nur für Funktionalität, sie sprechen auch auf Ästhetik und Design an. Das Handy ist ein Kultgerät geworden, es schmückt seinen Besitzer wie das Prada-Täschchen und die Designerbrille von Dolce & Gabbana. Mit anderen Worten: Jetzt muss am Image gefeilt werden!

6. SAP

Gute Zahlen, aber sonst wenig zu lachen hatte SAP-Chef Henning Kagermann.

Kein Zweifel, SAP ist grundsätzlich in einer prima Verfassung. Der größte europäische Softwarekonzern weist ordentliche Zahlen aus, die Produkte werden gekauft, die Übernahme von Business Objects ist nicht dumm und mit dem neuen SaaS-Produkt "Business byDesign" zeigen sich die Walldorfer zukunftsfähig. Und trotzdem: Was war das für eine Nummer mit Shai Agassi? Der Mann, der als Nachfolger von Henning Kagermann schon festzustehen schien, verlässt bei Nacht und Nebel das Unternehmen. Und das auch noch unter dem Jubel vieler SAP-Beschäftigter! Für Beobachter war das schon befremdlich. Die Gerüchteküche brodelte: Hatte es Ärger zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Entwicklungszentrum gegeben? Stimmt es, dass sich SAP-Gründer Hasso Plattner wieder verstärkt ins Tagesgeschäft einmischt? "Gerüchte sind Gerüchte, nicht mehr", wiegelte Kagermann auf der Kundenveranstaltung Sapphire ab.

Doch im abgelaufenen Jahr gab es auch handfeste, für SAP wenig schmeichelhafte Fakten. Oracle verklagte das Unternehmen Anfang März 2007 wegen Industriespionage und unlauterem Wettbewerb. SAPs Tochtergesellschaft TomorrowNow soll sich wiederholt via Internet illegal Zugang zu Oracles Supportbereich verschafft und dort Material und Software heruntergeladen haben. Kagermann musst am 2. Juli tatsächlich zugeben, dass an den Vorwürfen etwas dran ist. TomorrowNow hat sich Wartungsdokumente des Rivalen auf unerlaubte Weise beschafft. SAP hat inzwischen aufgeräumt und das Tomorrow-Now-Management entlassen. Was bleibt, ist aber die laufende Klage von Oracle, die die Walldorfer viel Kraft kosten wird und deren materielle Auswirkungen noch nicht absehbar sind.

7. SCO

Während man bei SAP allenfalls von temporären Krisen sprechen kann, war 2007 für SCO ein Katastrophenjahr. Der Konzern, der sich mit seinen Urheberansprüchen an Linux jede Menge Feinde gemacht hatte, musste Gläubigerschutz gemäß Paragraph elf des US-Konkursrechts stellen, nachdem ihm zuvor die Basis seiner Linux-Klagestrategie entzogen worden war. Ende August hatte ein US-Richter entschieden, dass nicht SCO, sondern Novell rechtmäßiger Besitzer der Unix-Urheberrechte ist.

Nun wendete sich das Blatt: SCO hatte auf Basis der vermeintlichen Linux-Besitzansprüche Copyright-Verträge mit Herstellern wie Sun, Microsoft und anderen geschlossen, die möglicherweise nicht gesetzmäßig waren. Ein Gutteil der SCO-Einkommen aus Lizenzverträgen mit großen IT-Playern müsste demnach Novell zustehen. Der Anbieter von Suse-Linux kalkuliert den Betrag auf zirka 30 Millionen Dollar, der Börsenwert von SCO beträgt aber nur noch gut vier Millionen Dollar.

8. Der Techie

Was waren das noch für Zeiten, als IT-Spezialisten auf Händen getragen wurden, weil sie schier unersetzlich waren. Viele von ihnen saßen im goldenen Käfig, arbeiteten abgeschirmt von den Alltagssorgen des Daily Business und beschwerten sich über dumme Anwender, die technisch unbedarft waren oder ihre Anforderungen nicht vernünftig formulieren können. Das ist inzwischen vorbei. IT-Manager erwarten von ihren Technikern Beratungskompetenz, sie müssen die Sprache der Fachbereiche beherrschen und sich dabei auf internationalem Parkett bewegen können. Und nicht nur das: Am besten, der ITler antizipiert, was der Business-Kollege morgen braucht.

Wer sich nicht entwickelt, bleibt sitzen.

Programmiertätigkeiten müssen nicht mehr im eigenen Haus erledigt werden, ganz Projekte wandern in die Hände Dritter. Eine ständig wachsende Zahl gut ausgebildeter und preiswerter Dienstleister im Nahen und Fernen Osten konkurriert mit den hiesigen Technikexperten.

Nicht zu ersetzen ist indes das interne Know-how, das an der Schnittstelle zwischen IT und Business benötigt wird. Die IT hat heute großen Einfluss auf die Unternehmensprozesse. Sie initiiert, moderiert, kommuniziert, hat Know-how und setzt um. In Zukunft wird sie aber auch Einfluss auf die Konzernstrukturen und sogar auf die Produkte nehmen.

Auf einer hochkarätig besetzten CIO-Veranstaltung der COMPUTERWOCHE in Zürich empfahlen die IT-Lenker großer Konzerne, die sich in Arbeitsgruppen zusammengefunden hatten, Pärchen aus Mitarbeitern von IT und Fachbereichen zu bilden. Einige IT-Kollegen mit den entsprechenden Fähigkeiten und Interessen müssten mit dem Business dauerhaft Kontakt halten. Diese Leute könnten zeigen, dass sie wissen, wie sich ein Business Case positiv beeinflussen lässt. Je nach Größe des Unternehmens sei es auch denkbar, in der IT eine ganze Gruppe von Beschäftigten zu bilden und diese zu "Agenten des Business" zu machen. Sie dürften mit der Technik direkt nichts zu tun haben.

Keine Toleranz gibt es künftig auch für den abgehobenen IT-Jargon, der Business-Mitarbeiter ausgrenzt. IT-Mitarbeiter müssen in der Lage sein, technische Sachverhalte in die Sprache des Business zu übersetzen. Außerdem sollten sie Trends frühzeitig erkennen und einschätzen können – selbst wenn diese nicht zu 100 Prozent exakt absehbar sind.

9. AMD

Wann ist er da, der Heilsbringer für AMD?

Während Intel seine ersten Vierkern-Prozessoren bereits Ende 2006 vorgestellt hatte, kam AMD mit seinen Quad-Core-Prozessoren ("Barcelona") 2007 nicht aus dem Quark. Zwar wurden die Chips mit den vier Kernen nach einigen Verzögerungen im September offiziell vorgestellt, doch vor knapp zwei Wochen musste der in Dresden produzierende Konzern erneut wegen technischer Unregelmäßigkeiten eine Verschiebung des Lieferzeitpunkts auf das nächste Jahr bekannt geben. Die Aufholjagd zum weltgrößten Chiphersteller Intel dürfte Experten zufolge schwer werden. Intels Chips bestehen allerdings bislang noch aus zwei Doppelkernen, AMD bringt in seinen Prozessoren vier einzelne Kerne auf einem Stück Silizium unter. Bei speziellen Anwendungen soll diese Architektur für mehr Rechenleistung sorgen.

Gespannt warten Experten nun darauf, was die neuen Chips der "Opteron"-Reihe für Server wirklich können. Versprochen wurden besonders energiesparende und leistungsstarke CPUs, die in großen Serveranlagen problemlos mit Doppelkern-Chips zusammenarbeiten, so dass sich die Anlagen einfach nachrüsten lassen.

Allerdings hat es AMD so weit kommen lassen, dass die neuen Quad-Core-Modelle um jeden Preis ein Erfolg werden müssen. In den ersten neun Monaten 2007 verbuchte AMD ein negatives Geschäftsergebnis von 1,6 Milliarden Dollar. Immerhin sind die Umsätze in dieser Phase gestiegen. Die Aktie fiel auf einen Wert unter neun Dollar – innerhalb der letzten zwölf Monate hatte sie auch schon bei 23 Dollar notiert. Gerüchte um eine Ablösung von CEO Hector Ruiz machten die Runde. Hinzu kam jetzt vor wenigen Tagen die Ankündigung, AMD habe mit 5,6 Milliarden Dollar deutlich zu viel für den im Oktober 2006 übernommenen Grafikchip-Hersteller ATI bezahlt. Ein größerer Betrag sei nun abzuschreiben – wie groß der sein könnte, blieb im Dunkeln.

AMD hatte dem Rivalen Intel bis Mitte 2006 eine Menge Marktanteile abgenommen, doch dann schlug das Imperium mit einer Reihe neuer Produkte zurück. Intel verstrickte AMD zudem in einen Preiskampf, den der kleinere Rivale naturgemäß weniger gut aushalten konnte als der weltweit mächtigste Chiphersteller. Über zwei Wandelanleihen besorgte sich AMD Milliardenbeträge, außerdem erhielt der Konzern 622 Millionen Dollar von einem Investor aus Abu Dhabi. Von einer Vergabe der Prozessorfertigung an einen Auftragsfertiger in Fernost war mehrmals die Rede, ohne dass allerdings konkrete Fakten auf den Tisch kamen.

Trotz allem schreiben Analysten den Intel-Herausforderer keineswegs ab. Finanzanalyst Cody Acree von Stifel Nicolaus sagte, es sei offensichtlich, "dass es trotz Fehlern bei AMD auch große Erfolge gegeben hat. AMD ist in einer viel, viel stärkeren Position als die meiste Zeit seiner Firmengeschichte über." Außerdem ist noch nicht entschieden, wie der Prozess zwischen AMD und Intel ausgeht. Seit 2005 wirft AMD Intel vor, seine Monopolstellung im Markt missbraucht zu haben. Intel unterhalte diverse Verträge mit Herstellern und Lieferanten, die dazu dienten, AMD außen vor zu halten, glaubt das AMD-Management. Derzeit laufen weltweite Ermittlungen gegen Intel zu diesen Vorwürfen, auch die Europäische Union ermittelt. Intel hatte im März bekannt geben müssen, wichtige E-Mails "verloren zu haben", die möglicherweise als Beweismittel in dieser Angelegenheit hätten dienen können.

10. T-Systems

Wie die Deutsche Telekom im ablaufenden Jahr mit ihrer IT-Servicetochter T-Systems umsprang – immerhin dem größten deutschen IT-Dienstleister mit mehr als 50.000 Mitarbeitern und 8,8 Milliarden Euro Umsatz in den ersten drei Quartalen 2007 -, war alles andere als würdig. Weil es der IT-Servicegesellschaft an Internationalität fehlt und die Offshore-Kapazitäten nur ungenügend ausgebaut sind, wurde nach einem potenten Partner vom Schlage IBM, EDS oder Accenture gefahndet. Allerdings bislang ohne jeden Erfolg. T-Systems war ständig als Klotz am Bein des frisch verliebten Telekom-Chefs René Obermann in den Schlagzeilen: Ein Sanierungsfall, den keiner kaufen will.

Obermann hatte T-Systems anlässlich der Bilanzpressekonferenz im März grundsätzlich in Frage gestellt. Die Deutsche Telekom strebe die weltweite Marktführerschaft im Geschäft mit integrierten IT- und TK-Leistungen für Großunternehmen an. Dazu prüfe man die Option, T-Systems in eine strategische Partnerschaft mit einem Global Player einzubringen. T-Systems müsse international besser aufgestellt sein. Gemeinsam mit einem Partner könnten Skaleneffekte genutzt und bessere Angebote unterbreitet werden. An eine Heuschrecke werde man den Dienstleister definitiv nicht verkaufen, hieß es.

Da T-Systems einen relativ hohen Anteil an Commodity-Leistungen sowohl im IT- als auch im TK-Portfolio hat, ist es doppelt schmerzhaft, dass dem Konzern der Offshoring-Trend davon fuhr. Um diese Dienste profitabel anbieten zu können, werden aber Skaleneffekte und Offshore-Kapazitäten benötigt. Hier sind die Wettbewerber besser aufgestellt als T-Systems. Konsequenz: Der Umsatz schrumpfte in den ersten neuen Monaten des laufenden Geschäftsjahres um sieben Prozent, das Deutschland-Geschäft sogar um 10,3 Prozent. Das Ebitda-Ergebnis (Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) brach um 18,3 Prozent auf 800 Millionen Euro ein.

Soll retten, was zu retten ist: Reinhard Clemens, der neue Mann an der Spitze.

Nach Einschätzung von Branchenkennern sind Konflikte um eine bevorstehende Sanierung sowie das Hin und Her um die Suche nach einem Partner für die Großkundensparte der Telekom-Tochter nicht gut bekommen. Obermann bestätigte erst vor wenigen Wochen, es würden weiterhin Gespräche mit "verschiedenen potenziellen Interessenten" für den Bereich geführt. Wohin es den Telekom-Chef wirklich zieht, ist jedoch weitgehend unklar. Zwischendurch kam auch das Gerücht auf, die Telekom wolle sich EDS einverleiben und so zu einem der weltweit größten ITK-Dienstleister aufsteigen.

T-Systems-Chef Lothar Pauly musste Mitte des Jahres gehen – was im Konzern ein Aufatmen zur Folge gehabt haben soll, wie zu hören war. Unterdessen wurde Reinhard Clemens geholt, zuvor Chef von EDS Deutschland. Egal, wie es mit T-Systems weitergeht, ihm steht eine Menge Arbeit bevor. (hv)