Grundwissen Arbeitsrecht, Teil 14

Lohn ohne Arbeit - was zu beachten ist

30.06.2010 von Renate Oettinger
Im 14. Teil der Serie von Michael Henn und Christian Lentföhr zu den wichtigsten Themen des Arbeitsrechts erfahren Sie, was es aus juristischer Sicht mit dem "Lohn ohne Arbeit" auf sich hat.

Folgende rechtliche Besonderheiten sind zu beachten:

1. Annahmeverzug des Arbeitgebers

Wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug geraten ist, steht dem Arbeitnehmer gemäß § 615 S. 1 BGB sein Vergütungsanspruch auch ohne Nachleistung seiner Dienste zu. Nach § 615 S. 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer jedoch anrechnen lassen, was er aufgrund der Nichtleistung erspart bzw. erworben oder "böswillig zu erwerben unterlassen" hat. Bei letzterer Alternative ist je nach Einzelfall die Zumutbarkeit des unterlassenen Erwerbs im Licht des Art.12 GG abzuwägen.

Quelle: Fotolia, Alterfalter
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Um böswilliges Unterlassen eines anderweitigen Verdienstes handelt es sich, wenn der Arbeitnehmer grundlos zumutbare Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm überhaupt zumutbare Arbeit angeboten wird. Dabei kommt es regelmäßig nicht unbedingt auf eine Arbeitslosmeldung an. Im Rahmen des Annahmeverzugs besteht keine allgemeine Obliegenheit des Arbeitnehmers, den Vermittlungsdienst der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch zu nehmen, jedenfalls sofern der Arbeitnehmer trotz Arbeitslosmeldung ohnehin nicht vermittelbar gewesen wäre (BAG Urteile vom 16.05.2000 zu 9 AZR 202/99 und 203/99).

Für Lohnansprüche während eines Kündigungsschutzprozesses gilt die spezielle Regelung des § 11 KSchG über die Anrechnung entgangenen Zwischenverdienstes.

2. Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs wegen Annahmeverzugs

Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs wegen Annahmeverzugs gemäß § 615 i.V.m. §§ 293 ff. BGB sind:

- Bestehen eines noch nicht wirksam beendeten Arbeitsverhältnisses, bzw. bei faktischem Arbeitsverhältnis: noch keine Berufung des Arbeitgebers auf Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses

- Die Erfüllung des Arbeitsverhältnisses muss möglich sein.

- Die Arbeitsleistung muss gemäß §§ 294-296 BGB vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber angeboten sein. Im Folgenden ist zusammengefasst die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu für arbeitsrechtliche Fälle dargestellt.

- Annahmeverzug setzt die Nichtannahme der angebotenen geschuldeten Arbeitsleistung voraus.

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht auf nicht geschuldete Tätigkeiten verweisen. Der Arbeitgeber gerät auch dann in Annahmeverzug, wenn er ohne Verschulden versehentlich annimmt, der Arbeitnehmer sei leistungsunfähig.

Das Arbeitsangebot muss grundsätzlich nach § 294 BGB tatsächlich in eigener Person zur rechten Zeit am rechten Ort erfolgen.

Nach § 295 BGB ist ein wörtliches Arbeitsangebot ausreichend in folgenden Fällen:

Wenn eine Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers erforderlich wäre, gilt die Aufforderung des Arbeitgebers zu dessen Mitwirkungshandlung durch einen leistungswilligen Arbeitnehmer gemäß § 295 S. 2 BGB als Arbeitsangebot.

Ein wörtliches Angebot reicht auch aus, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, dass er die Arbeitsleistung nicht annehmen werde. Eine derartige Erklärung des Arbeitgebers wird z.B. auch in einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung bei sofortiger Dienstfreistellung gesehen.

Offenkundiges Beharren auf Annahmeverweigerung

Die Rechtsprechung hält ein wörtliches Angebot für entbehrlich, wenn der Arbeitgeber offenkundig auf der Annahmeverweigerung beharrt, wie z.B. stets, wenn ein Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach einer Kündigung nicht annimmt.

Ein wörtliches Angebot i.S.d. § 295 BGB ist eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Der Arbeitnehmer kann auch durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage (Zugang bei Klagezustellung) bzw. Kündigungswiderspruch dem Arbeitgeber seine Leistungsbereitschaft deutlich machen.

Auch ohne wörtliches Angebot kommt ein Arbeitgeber gemäß § 296 BGB in Annahmeverzug ab Beendigungstermin aufgrund einer unwirksamen Kündigung. Im Sinne des § 296 BGB wird nach der derzeitigen Rechtsprechung und Literatur im Normalfall davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber bei einer unwirksamen Kündigung rechtswidrig die kalendermäßig bestimmte Mitwirkungspflicht der Zuweisung von Arbeit nicht rechtzeitig vorgenommen hat.

3. Einstweilige Weiterbeschäftigung

Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Arbeitgeber bei einer von ihm ausgesprochenen unwirksamen Kündigung gehalten, wegen § 296 BGB von sich aus den Arbeitnehmer zur Wiederaufnahme der Arbeit nach kündigungsgemäßem Beendigungszeitpunkt aufzufordern, wenn er seinerseits die Folgen des Annahmeverzugs vermeiden wolle. Der Arbeitgeber müsse hierbei nicht die Kündigung als solche zurücknehmen und dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis anbieten, sondern könne unter Aufrechterhaltung der Kündigung die einstweilige Weiterbeschäftigung im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses bzw. bis zum Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses anbieten. In diesen Fällen des Weiterbeschäftigungsangebots nimmt das BAG an, dass eine Ablehnung des Arbeitnehmers ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S.2 BGB darstellen könne, wenn auch an sich der Annahmeverzug nicht beseitigt werde, da der Arbeitgeber keine Erfüllung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses angeboten habe.

Differenziert wird die Auswirkung des Weiterbeschäftigungsangebots des Arbeitgebers bei aufrechterhaltener Kündigung auf die Beurteilung deren Begründetheit im Kündigungsschutzprozess gehandhabt:

Widerlegung

Bei betriebsbedingten und im Einzelfall auch verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen sowie bei außerordentlichen Kündigungen widerlegt der Arbeitgeber in der Regel die Kündigungsbegründung mit einem Weiterbeschäftigungsangebot. Bei personenbedingten und je nach Einzelfall nicht der einstweiligen Weiterbeschäftigung entgegenstehenden ordentlichen verhaltensbedingten Kündigungen wird eine derartige Selbstwiderlegung in der Regel nicht angenommen.

Im umgekehrten Fall der zwischenzeitlichen Rücknahme der Kündigung würde diese Willensäußerung allein noch nicht zur Beseitigung bisherigen Annahmeverzugs ausreichen, sondern bedarf es darüber hinaus der ausdrücklichen Zuweisung von Arbeit.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de