ITSM

Die besten Tools fürs IT Service Management

16.02.2015 von Werner Kurzlechner und Andreas Th. Fischer
Wir zeigen, welche ITSM-Tools Ihr Geld wert sind, welche Features Pflicht sind und worauf Unternehmen bei der Auswahl achten sollten.
Welche Bedeutung hat ITIL im eigenen Unternehmen? Das sollte man wissen, bevor man ein ITSM-Tool auswählt.
Foto: Wright Studio - shutterstock.com

Ein Auto macht nur dann Freude, wenn man es auch fahren kann - und nicht jeder ist dafür geboren, am Steuer eines Sportwagens zu sitzen. Beruhigend ist es außerdem für jeden Autofahrer, eine gute Werkstatt in der Nähe zu wissen. Diese Bilder bleiben hängen, wenn man mit Mathieu Poujol über den Markt für IT Service Management (ITSM) spricht. Er war früher Middleware-Experte bei Sitsi (PAC) und ist nun Vice-Président Security, Cloud & Infrastructure bei der teknowlogy Group in Köln.

"Man sollte sich bewusst machen, dass das ITSM-Tool erst einmal nicht wichtig ist", erläutert Poujol. "Wichtig sind die Hände, die damit umgehen." Das ratsame Vorgehen bei der ITSM-Auswahl bringt der Experte in diese Reihenfolge: Erstens Klarheit über den konkreten eigenen Bedarf gewinnen, zweitens den benötigten Support sicherstellen, drittens erst die Auswahl des optimalen Tools. Die Bedeutung des Supports betont Poujol immer wieder - im obigen Bild ist es, logisch, die Werkstatt.

Support geht vor Tool-Features

Für Anwender in Deutschland kann das konkret zum Beispiel das bedeuten: Ein Anbieter wie Cherwell Software, der im März 2021 von Ivanti übernommen wurde, bietet zweifelsohne hervorragende ITSM-Tools an. Cherwell Software sitzt aber in Colorado Springs, kümmert sich primär um den amerikanischen Markt und könnte deshalb für einen deutschen Anwender zu schwer zu greifen sein. Das alles wiederum schließt überhaupt nicht aus, dass gerade Cherwell für das ein oder andere Unternehmen hierzulande das optimale Paket im Angebot hat.

Das hat mit der enormen Vielfalt des Marktes für ITSM zu tun, und damit, dass der unter Punkt Eins angeführte eigene Bedarf alleine schon das ist, was Theodor Fontane als "weites Feld" bezeichnete. Wie prägend sind die eigenen IT-Legacy-Anwendungen? Wie wichtig ist ITIL im eigenen Unternehmen bereits geworden? Wie umfassend und schnell strebt man in die Cloud? Wie stark hängt man an spezifischen Branchenumständen? Das sind nur einige der Fragen, die Poujol in diesem Zusammenhang aufwirft. Dazu kommt die Mammutaufgabe, vor der viele Unternehmen seit dem Beginn der Corona-Pandemie stehen: Sie mussten von heute auf morgen einen großen Teil der Büroangestellten zur Arbeit im Homeoffice befähigen.

Probleme in ITSM-Projekten
Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail
Wenn ein IT-Services-Management umgesetzt werden soll, kommt es immer wieder zu denselben Schwierigkeiten. Wie lassen sie sich umgehen oder beseitigen?
1. Aufgelaufene Kosten sind kein Argument
Wenn Entscheidungen zum weiteren Verlauf eines Projekts anstehen, werden die bereits investierten Kosten gern als Argument genannt. Das ist nicht zielführend. Es gilt, an den entscheidenden Stellen des Projekts einen zukunftsbezogenen Business Case zu erstellen.
2. Kein Projekt ohne ausreichende Ressourcen
Nicht nur ITSM-Vorhaben werden häufig ad hoc gestartet. Das heißt: Es sind noch keine ausreichenden Ressourcen verfügbar. Das liegt oft daran, dass die Berechtigungen zur Ausgabe des Projektmandats überhaupt unklar sind. Abhilfe kann die Einführung eines Projekt-Management-Prozesses schaffen. Dabei sollte unbedingt eine Zuständigkeitsmatrix erstellt werden. Sie gibt an, welche "Rollen" einen Projektauftrag erteilen können - und zwar differenziert nach Projektgröße und -typ.
3. Grundverständnis geht vor Lösungsansatz
Bei der Projektplanung wird zu schnell über konkrete Lösungsansätze und dafür erforderliche Aktivitäten gesprochen - ohne dass ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der genauen Ziele besteht. Die Projektplanung sollte konsequent auf die zu liefernden Ergebnisse ausgerichtet sein. Dabei sind diese Ergebnisse möglichst exakt und in einer messbaren Kategorie zu beschreiben (Spezifikation des Ergebnisses, Form, Umfang, Qualität etc.).
4. Besser Kanban als Bildschirm oder Beamer
Umfangreiche Projektpläne lassen sich nicht am Bildschirm oder über Beamer visualisieren. Stattdessen ist es sinnvoll, die Kanban-Methode zu nutzen. Das heißt: Visualisierung auf großen Wänden und Verwendung von Karten für die einzelnen Tasks. Das hilft, komplexe Zusammenhänge für alle Beteiligten auf den unterschiedlichen Hierarchiestufen darzustellen.
5. Jeder muss seine Rolle im Projekt kennen
Viele Ansprechpartner sind sich ihrer Rolle in den Projekten nicht bewusst. Sie sollten aktiv in die Vorhaben eingebunden werden - über Use-Case-Definitionen und die gemeinsame Entwicklung eines Kommunikationsplans.
6. Der Informationsfluss darf nicht stocken
Zu Projektbeginn ist das Team meist relativ gut informiert. Aber mit zunehmender Dauer sowie außerhalb des eigentlichen Projekts fehlt es häufig an Informationen. Um dem abzuhelfen, ist es sinnvoll, zu Projektbeginn eine Stakeholder-Analyse zu erstellen, aus der sich Form und Umfang der nötigen Informationen ableiten lassen. Dort kann auch definiert werden, wie die Akteure eingebunden werden sollen. Auf dieser Basis lässt sich ein Stakeholder-spezifisches Kommunikationskonzept aufsetzen.
7. Wenn der Fachbereich keinen Input liefert
Immer wieder krankt ein Projekt auch daran, dass der vereinbarte Input aus den Fachabteilungen ausbleibt. Da helfen zwei Maßnahmen. Zum einen müssen eindeutige Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Zum anderen muss den Fachbereichen, auch durch Visualisierung über den Produktstrukturplan, eindrücklich klargemacht werden, wie abhängig das Gesamtprojekt von ihrem Input ist und welche Folgen die ausbleibende Lieferung hat.
8. Es geht einfach nicht ohne formale Anträge
eue Projekte und Serviceänderungen werden "on the fly" und ohne Spezifikationen direkt an einen Mitarbeiter der IT geleitet. Was ist dagegen zu tun? Es muss ein strukturiertes Verfahren zur Projektantragsstellung und -freigabe etabliert werden, verbunden mit der Definition von Verantwortlichkeiten zur Steuerung dieses Prozesses - beispielsweise durch einen IT-Koordinator.
9. Arbeitspakete beugen Verzögerungen vor
Mit den Kunden sind klare Termine vereinbart, die aber werden immerzu verschoben. Das schreit nach einem Workshop zur Definition der Arbeitspakete mit Abschätzung der Dauer durch Experten. Dabei ist eine genaue Priorisierung vorzunehmen, der Abstimmungsprozess zu überdenken und der Dokumentationsbedarf zu klären.
10. Alle müssen den Status des Projekts kennen
Während des Projekts ist häufig unbekannt, wo es eigentlich gerade steht. Damit alle Bescheid wissen, empfehlen sich eine kleine Website sowie ein Newsletter mit Reporting. Auf diese Weise kann jeder Stakeholder die Statusinformationen jederzeit abrufen.

Ein weites Feld also. Das scheint unerlässlich vorauszuschicken, wenn im Folgenden eine sehr kleine Auswahl der aktuell wichtigsten ITSM-Tools vorgestellt werden soll. Bei diesem Unterfangen landet man vielleicht zwangsläufig in brennenden Nesseln. Die Reaktionen auf einen äußerst kenntnisreichen COMPUTERWOCHE-Artikel, der die besten Werkzeuge vorstellte, waren jedenfalls teilweise giftig. "Da gibt es Tools, die deutlich mehr können und ebenso verbreitet sind, aber hier nicht auftauchen!", schrieb ein User. Ein anderer bemerkte: "Eine Menge Anbieter, die Analysten und Tool-Experten in ähnlichen Studien zum Thema als relevant vorstellen, fehlen in der vorliegenden Übersicht völlig." Die Kritik der Leser ist vollauf berechtigt, aber diese Mängel erscheinen in diesem weiten Feld unvermeidbar - das sollte das obige Beispiel Cherwell illustrieren.

"Wichtiger als das Tool sind die Hände, die damit umgehen", sagt Mathieu Poujol. Er war früher Principal Consultant bei PAC und ist nun Vice President und Head of Cyber Security bei der teknowlogy Group
Foto: PAC

Der Bedarf an fortgeschrittenen Tools fürs IT Service Support Management (ITSSM) wird mit zunehmender Reife der IT-Abteilungen augenscheinlich, sind etwa die Analysten von Gartner überzeugt. Noch sei die Nachfrage nach Basis-Tools aber signifikant. Deshalb empfehle man - also die Marktforscher - ausdrücklich auch die Evaluierung guter Anbieter abseits des selbst erstellten Quadranten. Auch Gartner sichert sich also gegen die Fährnisse des ITSM-Dschungels ab - abgesehen vom eigenwilligen Etikett ITSSM, das im Kern durchaus den herkömmlichen ITSM-Markt bezeichnet.

Im Folgenden finden Sie eine Auswahl der wichtigsten Tools. Ergänzend werden auch Bewertungen von Forrester Research zum ITSM-Segment Software-as-a-Service (SaaS) zu Rate gezogen. Die Cloud ist im Übrigen sowieso ein Indikator für den höchst unterschiedlichen Charakter der einzelnen Lösungen. Mathieu Poujol etwa bezeichnet IBM als den Rolls Royce unter den ITSM-Anbietern - umfassendes Angebot, hohe Qualität, aber einen Teil des hohen Preise zahle man eben auch für die Marke. ServiceNow hingegen sei sehr stark besonders im Cloud-Segment - eine Art Sherpa, der einen nicht durch den Himalaya, sondern sicher in die Wolke führe.

Lokalisierung unterschätzt

Poujol unterteilt den Markt in Schwergewichte, die ob ihrer Wucht tendenziell Best-in-Class-Ansprüche befriedigen: IBM, BMC Software und CA Technologies, das 2018 von Broadcom übernommen wurde, waren frher die wichtigsten Anbieter. Gartner ordnet in seinem im Oktober 2022 veröffentlichten Magic Quadrant ServiceNow, BMC, Atlassian sowie Ivanti in die höchste Kategorie der Marktführer ein; Cherwell taucht in der Übersicht gar nicht mehr auf, während Freshworks und ManageEngine als Herausforderer und EasyVista, Micro Focus, IFS und SysAid als Nischen-Player eingestuft werden.

Von ITSM zu ESM

Im Februar 2021 hat Research in Action (RIA) eine Studie zum ITSM-Markt veröffentlicht, die unter anderem beim Anbieter Efecte nach einer kurzen Registrierung kostenlos heruntergeladen werden kann. Für die Untersuchung wurden mehr als 10.000 IT- und Business-Führungskräfte befragt, um Einblicke in ihre Planungen, Investitionen und aktuelle Herausforderungen zu erhalten. 750 von ihnen stammen aus Deutschland. Wie die Marktforscher in ihrer Analyse schreiben, sehen sie seit Jahren eine Evolution vom ITSM hin zum Enterprise Service Management (ESM), da viele Unternehmen ihre Prozess-Modellierungsfähigkeiten zunehmend auf andere Geschäftsprozesse anwenden wollen.

Bei Großunternehmen in Deutschland sei diese Transformation zu ESM bereits bei 70 Prozent der Befragten abgeschlossen. Im Mittelstand sei das nur bei 42 Prozent jetzt beziehungsweise in den kommenden zwölf Monaten der Fall, schreibt Thomas Mendel, Geschäftsführer von Research in Motion. In einer Matrix zeigt er, welche ITSM- und ESM-Anbieter zu den "Marktführern" gehören. Aktuell sind es Serviceware, Omninet, Matrix42, Micro Focus, Efecte, Freshworks, Servicenow sowie Kyberna. Als "Herausforderer" stuft Mendel die Unternehmen Microsoft, IET Solutions, Manageengine sowie mehrere Open-Source-Lösungen ein. Dazu kommen als "Umsetzungsführer" Realtech, BMC und Deskcenter.

Auf den folgenden Seiten stellen wir eine Auswahl bedeutender ITSM-Tools ausführlich vor.

Der Rolls Royce: IBM Smart Cloud Control Desk

"Die ITSM-Tools der großen Anbieter tendieren dazu, ziemlich komplex zu sein", so Poujol. "IBM ist mit seiner Tivoli-Familie sehr stark zum Beispiel in der Finanzbranche und in der Outsourcing-Kontrolle aufgestellt." Gleichwohl handelt es sich ja um den Rolls Royce unter den Angeboten, und der ist in der Tat komplex aufgebaut. "Mit den IBM ITSM-Lösungen erhalten Sie eine zentrale, vereinheitlichte Plattform, um verschiedene bewährte Prozesse für das Service-Management zu verwalten", wirbt IBM für sein Angebot. "Ihr Unternehmen kann damit über konventionelle, manuelle Prozesse hinausgehen, mit denen die Planung und Terminierung über IT-bezogene und operative Geschäftsbereiche hinweg nicht angemessen unterstützt werden können." Es gibt bei IBM nicht das eine ITSM-Angebot, sondern eine Vielzahl an Produkten. Eine zentrale Bedeutung hat dabei das IBM Control Desk.

"IBM Control Desk (früher IBM SmartCloud Control Desk) kombiniert Asset- und Service Management-Angebote, die Firmen das Management von Services ermöglichen, die über IT- und Nicht-IT-Anlagen geliefert werden", fasst Gartner zusammen. "Control Desk bietet einen Ankerpunkt, den IT-Abteilungen zur Integration mit dem IBM Cloud & Smarter Infrastructure-Paket nutzen können", so die Analysten weiter. Die Anwender gewinnen laut Gartner eine ganzheitliche Sicht auf die unterstützte Umgebung.

Ein Standpunkt, volle Kontrolle über die IT und andere Geräte: IBM SmartCloud Control Desk.
Foto: IBM

Vertrieben wird IBMs ITSM-Angebot vor allem innerhalb des weltweit großen Kundenstamms. Aggressives Marketing gegenüber der ITSM-Konkurrenz findet laut Gartner kaum statt. Die Stärken des Angebots liegen wenig überraschend in der Breite an Funktionalitäten etwa beim Asset und Client Management. Als Problem macht Gartner Integrationsdefizite auf Anwenderseite mit anderen IBM-Produkten wie IBM Connections aus. Und auch das von PAC angesprochenen Komplexitätsproblem sieht Gartner: "Die Komplexität von IBMs ITSSM-Angebot bedingt eine steile Lernkurve." Ungeübte Anwender könnten dadurch überfordert sein. Forrester lobt explizit, dass ein problemloser Wechsel zwischen der On-Premise- und der SaaS-Variante von Control Desk möglich ist: "Beide Versionen teilen die gleiche Code-Basis."

Die Big Data-Option: HP Service Manager/Service Anywhere

Bei HP ist das IT Service Management eine Komponente eines integrierten Servive & Portfolio Managements, das der Konzern mittlerweile als HP TechPulse vermarktet. Dieses umfasst den gesamten Service-Lifecycle, vom Konfigurationsmanagement über Service Management, Projekt- und Portfoliomanagement bis hin zum Software-Asset-Management. Bei der Bereitstellung verfolgt HP eine zweigleisige Strategie: Abhängig von Funktionen und Voraussetzungen werden Teile des Portfolios klassisch beim Kunden vor Ort implementiert, andere aus der Cloud bereitgestellt. In jüngster Zeit bestehe die Herausforderung darin, Business-User zufriedenzustellen, die die hohen Ansprüche an Bedienbarkeit aus der Consumer-Sphäre übertragen, heißt es von Seiten des Anbieters. Es gelte, Komplexität zu verstecken.

"Für heutige Nutzer ist das klassische Ticket-System veraltet", so HP weiter. "Sie wollen Tools, die sie nicht als Tools wahrnehmen und die sich so einfach bedienen lassen wie Consumer-Apps." Unter dem Label "Social Insights" wolle man die Integration von Chat-Funktionen und mobilen Applikationen bei der Kommunikation mit der IT-Abteilung erleichtern. Ein weiterer Trend sei der Einsatz von Big Data auch beim Service Management. "User sollen bei Fragen und Problemen nicht auf Google suchen, sondern zuerst mit dem eigenen IT-Support sprechen", heißt es vom Anbieter. "Auch das wird erleichtert durch die zusätzlichen Interaktionskanäle, die HPs ITSM-Plattform bietet."

Macht ITSM von HP attraktiver: das Tool HP Propel.
Foto: HP

Auf den Big Data-Trend reagierte HP bereits mit der Übernahme von Autonomy. Laut Gartner wurden sowohl diese Qualitäten wie auch jene von Vertica in die ITSM-Strategie integriert. Die Kunden können nach Einschätzung der Analysten Search & Analytics zur Verbesserung von Feldern wie Incident Management, Knowledge Management oder Social Collaboration nutzen. Das sei ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal im ITSM-Markt, so Gartner.

PAC lobt explizit die Einführung eines Service-Katalogs. Hinzu kommt eine neue Qualität beim Request Management durch das Tool HP Propel. Gartner stellt angesichts dieser Entwicklungen fest, dass HP ein einfaches und benutzerfreundliches IT Service Support-Angebot bereitstelle. Als weltweit aktiver Software-Riese mangelt es auch nicht an Support. Anders gesagt: Eine gute HP-Werkstatt findet man auch in Deutschland.

Der Ferrari: BMC Software und sein Dreierpack

BMC Software wird im Gartner-Quadrant hingegen nur vom Aufsteiger ServiceNow übertroffen und ist somit im ITSM-Segment die klare Nummer Eins der großen Drei. PAC befindet, BMC bietet ein sehr komplettes Angebot - eine der fraglos besten Lösungen für Firmen, die ein gewisses Maß an Komplexität vertragen. Wahrscheinlich der Ferrari des ITSM-Marktes, meint Mathieu Poujol.

Tendenziell mit Großunternehmen im Visier bedient der Anbieter aus Texas den Markt mit mehreren Produkten: BMC Hely ITSM (früher Remedy ITSM) ist in der Cloud ebenso wie als Lizenzsoftware verfügbar und richtet sich an Organisationen mit überdurchschnittlichem IT-Reifegrad. Für weniger Reife und manchmal auch kleinere Kunden gibt es die On-Premise-Lösung BMC Footprints und das auf Salesforce.com aufsetzende SaaS-Modell BMC Remedyforce. Insbesondere Remedyforce hat BMC mittlerweile mit neuen Lösungen ergänzt: BMC MyIT ist eine integrierte Self Service-App, die personalisierte Service-Optionen für jedes Geräte bietet. BMC Appzone ermöglicht das Management von Business-Tools via App-Store.

So sieht das User-Erlebnis von BMC Remedy with Smart IT aus.
Foto: BMC Software

Die Einführung dieser beiden Innovationen unterstreicht laut Gartner, dass BMC den Bedarf reifer IT-Abteilungen mit ausgeprägtem Service Alignment verstanden hat. "BMC strebt nach Verbesserungen der Produktivität von Business-Nutzern und bietet ein Kundenerlebnis, das mehr zufrieden stellt als bisher", urteilt Gartner. BMC sei äußert breit aufgestellt und spreche auf unterschiedlichem Bedienbarkeits- und Funktionsniveau diverse Marktsegmente an. Als herausragender Anbieter von IT Operations Management verfüge man auch abseits von ITSM über einen guten Ruf und arbeite beharrlich an der Integration des Produktportfolios.

Der globale ITSM-Marktführer verliert laut Gartner aber auch seit Jahren Marktanteile. Zwar lande BMC in den meisten Fällen auf der Shortlist großer Unternehmen, ziehe aber ebenfalls oft wegen des hohen Preisniveaus und der ausgeprägten Komplexität den Kürzeren. Die breite Produktpalette verunsichere die Anwender auch, die nämlich nicht immer wissen, welches BMC-Produkt für sie geeignet sein könnte. Die angespannte Wirtschaftslage lasse außerdem momentan wenig Spielraum für Übernahmen.

Forrester wiederum lobt an BMC die konkurrenzfähigen Preise und den straffen Entwicklungszeitplan, den das Unternehmen an den Tag lege. Anwendern werde zudem die Möglichkeit gegeben, neue Applikationen zu bauen. Das Premium-SaaS-Angebot sei sowohl über Web- als auch über Mobile-Plattformen erreichbar, enthalte standardmäßig Social-Media-Optionen und warte mit flexiblen Lizenzierungs- und Datenmodellen auf.

Das Unternehmen nennt folgende Vorteile für BMC Helix ITSM:

Der Golf: ServiceNow IT Service Automation

ServiceNow - der Anbieter aus Kalifornien ist in Gartners Magic Quadrant so etwas wie der ITSM-Überflieger. Auch wenn es die Suite ServiceNow IT Service Automation bereits seit 2004 gibt, reüssiert die heute als Now Platform vertriebene als SaaS-Lösung unverkennbar. Das dürfte an der übersichtlichen Produktstrategie liegen, die gleichwohl über das Einfallstor ITSM auf andere Software-Segmente abzielt. Der Einstieg in die ServiceNow-Welt ist einfach. Poujol vergleicht das Angebot daher mit einem VW Golf - nicht schwer zu fahren also. Neuerungen gibt es regelmäßig. So hat das Unternehmen unter andferem den KI-Spezialisten Loom Systems übernommen. Damit erweitert ServiceNow sein IT-Service-Management-Portfolio durch KI-gestützte AIOps-Tools (Artificial Intelligence for IT operations).

Überflieger ServiceNow besticht mit einer aufgeräumten Darstellung der verfügbaren Module.
Foto: ServiceNow

Auch interessant: ServiceNow baut Partner-Ökosystem auf

ServiceNow kam ursprünglich aus dem Helpdesk-Umfeld, hat seinen Schwerpunkt aber seit geraumer Zeit neben ITSM auf dem Enterprise Service Management. "Damit geht ServiceNow über das eigentliche ITSM hinaus, indem es das IT-Modell auch auf andere Bereiche im Unternehmen überträgt - etwa in Form von Automatisierung in den Bereichen Personalabteilung, Marketing oder Facility Management", sagt der Vendor über sich selbst. ServiceNow bietet eine Suite an, die als Single System of Record alle Service-Belange bündelt.

Gartner bemängelt an ServiceNow, dass On-Premise-Kunden genauso viel bezahlen müssen wie SaaS-Nutzer, obwohl sie nicht von automatischen Upgrades profitieren. Zudem seien Veränderungen des Preismodells aus Anwenderperspektive verwirrend gewesen. Im Übrigen müssten sich Nutzer, die ihr IT Operations Management vertiefen wollen, auf den möglicherweise nötigen Erwerb weiterer Produkte einstellen. Dafür habe ServiceNow bewiesen, mit einer hochverfügbaren SaaS-Architektur mit stabilen Instanzen ausgerüstet zu sein. Die Sales- und Marketing-Möglichkeiten des Anbieters seien sehr stark, ein immer dichter gewobenes Partner-Netzwerk in aller Welt helfe neben der Implementierung auch bei der Weiterentwicklung der Lösung, so Gartner.

Die Brücke: Ivanti Service Desk/Fuse

Neue Wege beschreitet auch Ivanti. Seit einiger Zeit wird bereits mit "Fuse" als Teil der Total User Management Suite ein benutzerfreundliches Self Service-Portal angeboten, das die Kluft zwischen IT und Usern überbrücken soll. Mit Hilfe des Portals könne die IT der Belegschaft unmittelbaren Zugriff auf Anwendungen, Helpdesk und weitere IT-Services anbieten, so der Anbieter aus Salt Lake City. Im Frühjahr 2021 hat Ivanti zudem Cherwell übernommen.

Die Cherwell-Produkte für das IT Service Management sollen nun die "Neurons"-Plattform von Ivanti ergänzen. Ivanti hat versprochen, sowohl die Cherwell- als auch die Ivanti-Service-Management-Plattformen weiterhin zu pflegen und in sie zu investieren. Übernommene Produkte fortzuführen, ist bei dem durch zahlreiche Übernahmen und Unternehmensfusionen im Wesentlichen aus Landesk (das unter anderem Wavelink, Shavlik und Appsense übernahm) und Heat Software (das wiederum aus der Fusion von Frontrange Solutions und Lumension Security hervorging) entstandenen Unternehmen schon Tradition. Es gelang allerdings in der Vergangenheit mal mehr, mal weniger gut.

Bei Total User Management handelt es sich um ein Lizenzierungskonzept, das alle Ivanti-Produkte bündelt. Abgerechnet wird allein nach der User-Zahl im Unternehmen. In diesem Paket enthalten ist auch die klassische ITSM-Lösung des Hauses, Ivanti Service Desk.

Ein Blick auf das LANDESK-Selbstbedienungsportal Fuse, das seit Frühjahr erhältlich ist.
Foto: Landesk

Gartner verweist darauf, dass Ivanti seine traditionelle Stärke beim Client Management habe. Abseits dessen falle es dem Anbieter manchmal schwer, besondere Stärken gegenüber der Konkurrenz herauszustreichen. Zudem schwächle man im Vergleich mit anderen Wettbewerbern mit dualem Lizenzierungskonzept im SaaS-Markt. Problematisch sei auch, dass der Zugriff über Internet oder mobile Endgeräte mit kleineren Einschränkungen bei den Funktionalitäten verbunden sei, so Gartner. Dafür sei die Integration mit Client Management und Mobile Device Management umso einfacher.

Im ITSM-Segment zielt Ivanti auf Business User und Endpoints ab. Von Gartner gibt es ein Kompliment dafür, dass das Service Desk einfach zu implementieren und zu konfigurieren sei. Die Zusammenarbeit mit Partnern und anderen Softwarehäusern klappe gut und immer besser. PAC verweist außerdem darauf, dass Ivanti für einen amerikanischen Anbieter über eine lange Tradition in Deutschland verfüge und hierzulande vergleichsweise präsent sei. Für das SaaS-Angebot Ivanti Service Desk as a Service hebt Forrester hervor, dass die Lösung extrem wenig Programmieraufwand mit sich bringe und tief mit anderen Ivanti-Lösungen verzahnt sei.

"Der Wind bläst gerade in ihre Richtung", sagt der ehemalige PAC-Analyst Mathieu Poujol über den Anbieter aus Kalifornien. Und findet das nicht unverdient, weil FrontRange insbesondere für mittelgroße Anwender eine gute Lösung anzubieten vermöge. Interessant sei das Tool FrontRange Heat Service Management als Alternative vor allem für Firmen, die auch den Namen ServiceNow auf ihrer Shortlist stehen haben. In Deutschland sei der Anbieter präsentiert und stark im Client & Service Desk Management. Laut PAC entwickelt der Anbieter zudem immer mehr Anziehungskraft für Nicht-IT-Manager, wegen der Unkompliziertheit der Lösungen. Investiert habe FrontRange in Forschung und Entwicklung, was dem Produktportfolio zu Gute komme, urteilt Gartner. Gewichen sei außerdem die einstige Schlafmützigkeit bei den neuen Versionen. Mittlerweile dürfe man sich durchaus auf zwei bis drei Releases jährlich einstellen.

Das Windfahrzeug: FrontRange Heat Service Management

Der Umfang an Neuerungen bei FrontRange ist dabei in der Tat groß. Der Anbieter selbst betont Funktionen in den Bereichen Business Intelligence und Integration. Die Gesamtkonfiguration habe man durch eine ansprecherendere und intuitivere Benutzeroberfläche verbessert. Weitere Beispiele für Tool-Optimierung sind: XML-Import, verbesserte Unterstützung für Managed Service Provider, Ad-hoc Report und erweiterte Benutzerauthentifizierung. Das angesprochene BI-Tool hat den Namen "Analytic Metrics" und verfügt über ein Finanzmanagement-Modul, das einen Vergleich von Basiskosten und Budgets ermöglicht.

Dient ebenfalls dem Self Service: der Service-Katalog von FrontRange.
Foto: FrontRange

Wie andere Anbieter auch bietet FrontRange seine ITSM-Lösung sowohl On-Premise als auch aus der Wolke an. Gartner hält das Verhältnis dabei für schlecht ausbalanciert. Das ist so zu verstehen, dass das Lizenzgeschäft noch größere SaaS-Erfolge verhindert. In der Tat habe sich mit der neuesten Version aber die Integration der einzelnen Module verbessert.

Gartner konstatiert auch, dass FrontRange durch flexiblere Lizenzierung Marktanteile gewonnen habe. Eine Achillesferse sehen die Analysten indes auf der Preisebene. Der Anbieter sei zwar preistechnisch wettbewerbsfähig. Aber eben auch nicht so billig wie andere Wettbewerber, weshalb FrontRange bei Mittelständlern am Ende doch oft von der Shortlist falle. Zudem wirke das Preismodell teilweise konfus.

Discovery, Client Management und Mobile Devise Management sind in Heat integriert. Forrester Research stellt fest, dass das einen zentralisierten Ansatz beim IT Asset Management ermöglicht, und zwar über den gesamten Life Cycle hinweg. Auch Telefonie-Tools seien in der Plattform mit drin.

Der Smart: TOPdesk

TOPdesk aus Delft in den Niederlanden wurde vor über 25 Jahren von zwei Studenten gegründet. Konzipiert ist die TOPdesk-Lösung, die keinen weiteren eigenständigen Produktnamen hat, als vollständig webbasiertes Einsteiger-Tool. Die Lösung lasse sich nur schwer mit einem breiten Satz an IT Operations Management-Funktionalitäten integrieren, bemängelte Gartner in einer früheren Analyse. Im Vergleich mit anderen Wettbewerbern schwach seien Change, Configuration und Release Management. Der dritte Makel in den Augen Gartners ist der Direktvertrieb. TOPdesk habe ein kleineres Partnernetzwerk als andere, sein Wachstumspotenzial sei weitgehend auf Europa beschränkt.

Wäre TOPdesk ein Auto, dann mit Sicherheit keine Limousine und kein Sportwagen. Aber ein zuverlässiges Fahrzeug für die, die einfach nur von A nach B kommen wollen. Werkstatt? Um die Ecke. Die Deutschlandzentrale befindet sich in Kaiserslautern, die Support-Orientierung ist ausgeprägt. "Ein eher kleiner Anbieter, der seine Kunden vollständig glücklich machen kann", meint Mathieu Poujol. Stärker als andere sei TOPdesk auf Service und Kundenanforderungen geeicht.

Schneller Einstieg: Das SelfServiceDesk von TOPdesk.
Foto: TOPdesk

Auch die Anmerkungen von Gartner lesen sich vielversprechend, wenn man nicht zwingend die bestmögliche Release Management-Option haben muss, die der Markt hergibt. "TOPdesk kann schnell implementiert werden, ist einfach zu managen und muss nicht speziell angepasst werden", heißt es in der Studie. Die Kundenzufriedenheit sei hoch, die Zielgruppe umfasse vor allem IT-Abteilungen, die eine ganzheitliche Lösung für IT, Facilities und HR suchen. Der zu zahlende Preis richte sich nach der Zahl der unterstützten Business User.

Erhältlich ist TOPdesk in einer Enterprise- und in einer Professional-Edition, und das jeweils als Lizenzsoftware oder als SaaS-Angebot. Als besonders beliebt stuft der Anbieter seine Module Incidentmanagement, Formular Designer, SelfServiceDesk und - in offenkundiger Abweichung von Gartner - Changemanagement ein.

Attraktive Alternativen: IFS, EasyVista, Efecte und Atlassian

Wie angedeutet ist das Feld der ITSM-Tools viel weiter, als es diese Auswahl widerspiegeln kann. Gartner zählt neben dem stark auf den amerikanischen Markt fokussierten Anbieter Cherwell (mittlerweile: Ivanti) auch Axios Systems (jetzt IFS) sowie Efecte zu den Top-Anbietern. Der reine ITSM-Spezialist sei stark mit ITIL Best Practices verbunden und wisse mit einem viel beachteten IT-Service-Katalog aufzuwarten. Auf Augenhöhe mit den hier näher beleuchteten Lösungen sieht Gartner auch EasyVista. Der in New York ansässige Anbieter scheint in Europa besser aufgestellt zu sein als in der Heimat. Im Fokus befinden sich insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Auch nach PAC-Einschätzung wird diese Zielgruppe von EasyVista sehr gut bedient. Von den meisten Wettbewerbern hebe sich der Anbieter schon deshalb ab, weil man gar nicht erst mit den Produkten der großen Drei konkurrieren wolle.

Ein rasanter Aufsteiger im ITSM_Bereich ist Atlassian. "Vor kurzem haben wir die Zahl von 45.000 Jira Service Management-Kunden überschritten, was es zu einem unserer am schnellsten wachsenden Produkte macht", sagte Mitbegründer und Co-CEO Mike Cannon-Brookes bei der Bekanntgabe der Einnahmen für das zweite Fiskal-Quartal 2023. Jira Service Management gilt als günstiger, effizienter und flexibler als traditionelle Lösungen.

"Dem ITSM-System muss es egal sein, wo sich die Prozesse und Daten befinden, der User darf davon nichts mitbekommen", sagt Wolfgang Heinhaus, Analyst bei der ISG (Information Services Group). "Die Systeme müssen eine einheitliche Oberfläche haben, leicht zu bedienen, flexibel und modular aufgebaut sein." Gegenwärtig nicht benötigte Module sollten integriert werden können, wenn Bedarf entsteht, so Heinhaus. Die goldene Regel von Mathieu Poujol vor allem für kleine und mittlere Firmen aus Deutschland lautet: "Sie sollten nach einem Tool suchen, das hierzulande starken Support hat." (sh/rs/afi)