Digital Collaboration

Do’s und Don‘ts bei der Tool-Auswahl

27.11.2023 von Frank Weishaupt
Hybride Zusammenarbeit bedingt gute Voraussetzungen im Unternehmen. Warum die Umsetzung oft misslingt und wie digitale Collaboration gelingt, lesen Sie hier.
Unternehmen müssen ganzheitlich geeignete Lösungen für hybride Arbeitsumgebung finden, wenn sie ihre Mitarbeitenden nicht an die digital besser aufgestellte Konkurrenz verlieren wollen.
Foto: Viktoria Kurpas - shutterstock.com

Viele Mitarbeitende haben in den letzten Jahren die Vorteile der digitalen Zusammenarbeit erkannt und sind nun kaum noch bereit, auf diese zu verzichten. Laut einer Umfrage von Owl Labs aus dem Jahr 2022 haben sich einige Beschäftige (26 Prozent) so sehr an die Arbeit von zu Hause gewöhnt, dass sie ein Jobangebot sogar ablehnen würden, wenn der potenzielle Arbeitgeber keinen flexiblen Arbeitsort ermöglicht.

Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, kommen also um das Thema hybride Arbeit nicht herum. Im zunehmend undurchsichtigen Dschungel der Collaboration-Tools besteht jedoch die Gefahr, dass sie ihre Collaboration-Projekte an die Wand fahren, wenn sie sich nicht mit den klassischen Fallstricken hybrider Arbeit auseinandersetzen.

Typische Fehler bei der Collaboration-Auswahl

1. Fehlende Bedarfsanalyse

Wenn Unternehmen feststellen, dass sie auf dem Weg zur digitalen Transformation hinterherhinken, treffen sie häufig unüberlegte und kurzfristige IT-Entscheidungen. Tools werden dann teilweise ohne eine gründliche Bewertung der tatsächlichen Bedarfe angeschafft, oft ohne die Mitarbeitenden einzubeziehen. Auch die tatsächlichen Arbeitsprozesse werden vor Anschaffung nicht immer gewissenhaft erfasst: Wie oft arbeiten Teams im Büro oder von zu Hause? Für welche Aufgaben ist es sinnvoll, wenn das ganze Team vor Ort ist? Was kann grundsätzlich im Home-Office erledigt werden? Für welche Art von Meetings brauche ich Tools für hybride Zusammenarbeit (sprich, eine Gruppe vor Ort Anwesender arbeitet mit einzelnen Remote-Mitarbeitenden zusammen)? Nur so lässt sich die Anzahl der regelmäßig an Meetings teilnehmenden Personen feststellen und die Bedürfnisse ausloten, damit sinnvolle Investitionsentscheidungen getroffen werden können.

2. Mangelnder Dialog mit der Belegschaft

Neben der bereits erwähnten Umfrage hat Owl Labs im März dieses Jahres zudem erhoben, wie Unternehmen aktuell mit ihren Collaborations-Tools für die hybride Zusammenarbeit zurechtkommen. Laut dieser Erhebung hat die Mehrheit der befragten Mitarbeitenden (58 Prozent) keinen Einfluss auf IT-Entscheidungen. Gleichzeitig berichten über ein Drittel (35 Prozent) der Hybrid-Arbeitenden von Überforderung durch zu viele Collaboration-Werkzeuge und mehr als die Hälfte (55 Prozent) von regelmäßigen IT-Problemen.

Unternehmen scheinen außerdem dazu zu neigen, insbesondere Frauen bei den IT-Entscheidungen für hybride Zusammenarbeit zu übergehen. Der Umfrage nach hat nur knapp ein Drittel (31 Prozent) der befragten Frauen Einfluss auf die Tool-Auswahl, gegenüber 43 Prozent der befragten Männer. Das Ergebnis: Frauen empfinden die bereitgestellte IT in Bezug auf ihre Bedürfnisse häufiger unpassend (17 Prozent) als Männer (12 Prozent).

3. Unpassende IT

Unpassende Collaboration-Technik kann dazu führen, dass Arbeitsprozesse erschwert werden oder IT-Investitionen vergeudet sind, weil Tools nicht genutzt werden. Das ist vor allem dann problematisch, wenn Mitarbeitende zum Beispiel gerne wieder ins Büro kommen wollen, die Ausstattung im Büro ihnen aber einen Nachteil bei der hybriden Zusammenarbeit mit zu Hause arbeitenden Kolleg:innen bietet.

Einen wichtigen Faktor stellt dabei der Konferenzraum dar. Laut den Ergebnissen von Owl Labs bevorzugt demnach die Mehrheit der Befragten (62 Prozent) bei hybriden Meetings im Büro vom eigenen Laptop aus teilzunehmen, statt sich gemeinsam mit anwesenden Kolleg:innen vom Konferenzraum aus zuzuschalten. Befürchtete lange Einrichtungszeiten, technische Schwierigkeiten oder fehlende Technologie sind hier offenbar ein Hindernis. Das Problem: Die Teilnahme vom eigenen Laptop, während gleichzeitig andere Teammitglieder aus demselben Raum über ihren eigenen Laptop zugeschaltet sind, bringt dann wieder neue Probleme der Akustik mit sich. Mangelnde Technik macht die hybride Zusammenarbeit im Büro also unbequem, obwohl sie eigentlich das Gemeinschaftsgefühl stärken sollte.

Wie Unternehmen ein gutes Arbeitsklima für Teamwork schaffen
Tipps zur Arbeitsplatzgestaltung und Kollaboration
Arbeitnehmer sind besonders produktiv und innovativ, wenn das Arbeitsklima stimmt. Unternehmen sollten deshalb für ein angenehmes Arbeitsumfeld sowie perfekte Bedingungen in Sachen Kommunikation und Teamwork sorgen. Acht Tipps worauf Sie achten sollten.
Mitarbeiterbedürfnisse sichern
Fragen Sie, was Ihre Mitarbeitenden wollen und brauchen, um gut arbeiten zu können.
Wünsche erfüllen
Setzen Sie erkennbar möglichst viele der Mitarbeiterwünsche um.
Infrastruktur bereitstellen
Sorgen Sie für eine gute Infrastruktur im und um Ihr Firmengebäude (Kita, Eltern-Kind-Raum, Parkplätze, E-Ladestationen, Arbeitsplatz-Ausstattung…)
Flexibles Arbeiten unterstützen
Seien Sie möglichst flexibel in Sachen Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten.
Hybrides Arbeiten ermöglichen
Achten Sie darauf, dass Ihre Räumlichkeiten und Arbeitsplätze hybrides Arbeiten möglich machen.
Begegnungszonen einrichten
Schaffen Sie ausreichend Begegnungsflächen für Gespräche unter den Beschäftigten. Das fördert den Ideenaustausch und fördert Innovationen.
Freizeitangebote machen
Sorgen Sie für Möglichkeiten zur gemeinsamen Freizeitgestaltung. Das stärkt die Motivation, schafft Teamspirit und macht den Kopf wieder frei.
Perfekte Arbeitsatmosphäre bieten
Fördern Sie alles, was Ihren Mitarbeitenden den Job und Arbeitsplatz angenehm macht (viele Pflanzen, höhenverstellbare Schreibtische, flexible Gestaltungsmöglichkeiten…).

So gelingen Collaboration-Projekte

Die erfolgreiche Integration digitaler Tools erfordert eine umfassende Planung und strategische Umsetzung. Nur so lassen sich in einer zunehmend vernetzten Welt die Vorteile digitaler Collaboration-Tools voll ausschöpfen und die Effizienz und Produktivität der Mitarbeitenden verbessern. Folgende Tipps sollten Sie beachten.

1. In IT investieren, die das Gemeinschaftsgefühl stärkt

Technik, die sich fürs Home-Office oder One-on-One-Meetings anbietet, ist nicht automatisch auf hybride Zusammenarbeit im Büro übertragbar. Die in den letzten Jahren neu entstandene Situation, nämlich dass eine Gruppe von Mitarbeitenden im Büro arbeitet, während die andere remote tätig ist, oft im Wechsel, bringt neue Anforderungen an unsere Arbeitsplätze mit sich. Die Flexibilität der neuen Arbeitskultur muss sich folglich in der verwendeten Technik widerspiegeln: Starre Front-of-Room-Kameras, die nicht mit den Bewegungen der Teilnehmenden zusammenwirken, stehen einer produktiven Meeting-Atmosphäre dabei oftmals im Weg. Adaptive Lösungen, die sich mithilfe von KI aktiv an die Bedürfnisse ihrer Benutzer:innen anpassen, schaffen hier Abhilfe. Intelligente Technik, die automatisch auf die gerade sprechende Person fokussiert und auf natürliche Art und Weise die beste Ansicht dieser Person zeigt, stärken das Gemeinschaftsgefühl in Konferenzen und Ideen können in Echtzeit ausgetauscht werden. Tools wie digitale Whiteboards und 360-Grad-Videokameras können eine effektive und integrative Zusammenarbeit in einer hybriden Arbeitsumgebung fördern.

2. Hilfe in Anspruch nehmen

Hybride Arbeit ist kein Selbstläufer. In einer von Digitalisierung geprägten Arbeitswelt werden die Anforderungen an die technischen Fähigkeiten und Kenntnisse des Managements wie der Mitarbeitenden immer höher. Es ist in Ordnung, hierbei überfordert zu sein oder Support zu benötigen. Um die Auswahl der Collaboration-Tools besser zu koordinieren und Arbeitsplätze - egal ob im Büro oder hybrid - für die digitale Zusammenarbeit auszustatten, kann es helfen, wenn Unternehmen ihre IT-Teams mit Mitarbeitenden unterstützen, die sich speziell auf Anliegen rund um hybride Arbeit fokussieren können. Diese können als Bindeglied zwischen den verschiedenen Abteilungen für effektive und gleichberechtigte IT-Entscheidungen sorgen.

3. Schulungen gegen Vorurteile anbieten

Soll die digitale Collaboration langfristig gelingen, reicht es nicht aus, wenn Unternehmen lediglich die geeigneten Collaboration-Tools bereitstellen. Vorurteile gegenüber zu Hause Arbeitenden (sog. "Proximity Bias") ist nach wie vor in vielen Köpfen von Führungskräften verankert. Schulungen speziell für das Management hybrider Teams können hier Abhilfe schaffen. Damit alle Mitarbeitenden die Collaboration-Technik effektiv nutzen können, sollten Unternehmen daher regelmäßige Schulungsprogramme anbieten und ihreBeschäftigten mit den Funktionen und Best Practices der Technologie vertraut machen. Dadurch können mögliche Schwierigkeiten beim Einsatz vermieden und die Effizienz gesteigert werden.

Expertenstimmen "Hybrid Work & Collaboration"
Hans-Jürgen Jobst, Avaya
„Während Corona haben wir schon gestaunt, wie wenig remote-arbeitsfähig manche Organisationen waren. Viele hatten Desktop-orientierte Computer, keine VPN-Zugänge und waren kaum digitalisiert. Mittlerweile ist dies bei vielen geregelt und die Tools haben sich gefunden. Doch die Digitalisierung ist nach wie vor ein großes Thema, zum Beispiel bei Workflows im CRM, um mit seinem Rechner und einem Remote-Zugang tatsächlich von überall aus arbeiten zu können.“
Matthias Berchtold, Cisco
„Vor der Pandemie gab es ‚ein‘ Büro. Mit Ausbruch von Corona gab es plötzlich 1000 kleine Büros, verstreut in den Wohnungen und Häusern der Mitarbeiter. Viele Unternehmen versuchen nun mit der gleichen Arbeitsweise wieder das große Büro zu etablieren. Und das funktioniert aus mehreren Gründen nicht: Zu Hause schmeckt der Kaffee besser, meist ist das Internet stabiler, die Atmosphäre angenehmer und der Arbeitsweg entfällt. Es muss also nicht das alte Büro wiederkommen, sondern ein Hub, in dem Zusammenkunft und kreativer Austausch möglich sind und eine Unternehmenskultur entstehen kann.“
Marius Jarzyna, DeskNow
„In meinen Augen ist Hybrid Work zu über 90 Prozent Mitarbeiter-getrieben. Die Unternehmen haben in vielerlei Hinsicht noch nicht verstanden, wo die Vorteile sind und welche Möglichkeiten damit einhergehen. Wir beobachten dies immer wieder in Kundenprojekten: In 75 Prozent unserer Anfragen wurde die HR-Abteilung direkt von den Mitarbeitern angesprochen. Man müsse hybrid werden, um neue Fachkräfte zu bekommen.“
Michael Mirwald, diconium
„Es geht bei Remote Work nicht nur darum, die Technik bereitzustellen. Unternehmen legen im Office so viel Wert auf Ergonomie am Arbeitsplatz. Im Homeoffice ist das alles vergessen und die Leute sitzen wie Gollum vorm Computer. Zur Befähigung sollte also auch gehören, den Mitarbeitern zu Hause einen ordentlichen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Sei es mit der Bereitstellung von Bürostühlen oder auch Yoga-Programmen, damit die Leute in ihren vier Wänden eben nicht so ungesund arbeiten.“
Marie Pötter, DXC
„Wir müssen uns davon lösen, dass Kultur im Büro stattfindet. Wenn man starke Unternehmenswerte hat, die von der Unternehmensführung klar definiert, gut kommuniziert und entsprechend gelebt werden, entsteht viel mehr die Identität im Unternehmen. Und so kommt den Führungskräften auch eine besondere Rolle zu, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für New Work zu schaffen und zum Leben zu bringen, denn sie müssen situativ auf die einzelnen Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen können.“
Ralf Kettnaker, Iron Mountain
„Die Infrastruktur, um Remote zu arbeiten, ist vielerorts vorhanden. Teilweise fehlen aber adäquate Lösungen, wie der digitale Posteingang. Es benötigt schlaue Strategien, um die Arbeit so zu verteilen, dass die Mitarbeiter:innen auch alle Informationen bekommen, die sie für ihre Arbeit benötigen. Und es braucht Strukturen, die den Umgang mit geteilten Dokumenten festlegen. Nicht nur, um in zehn Jahren nicht unter einem Datenberg zu verschwinden, sondern um Effizienz und Compliance sicherzustellen.“
Holger Dörnemann, Nexthink
„Wir haben uns in der Pandemie intensiv mit Kunden beschäftigt, die nicht auf Homeoffice eingestellt waren. Für einige war das aus Sicherheitsgründen nie ein Thema (Verteidigungssektor, Verarbeitung sensibler Daten). Neben der kulturellen Thematik darf man auch die technische Realisierung nicht außen vor lassen. Technik muss daheim wie im Büro einwandfrei und sicher funktionieren. Nichts ist schlimmer als im Homeoffice zu sitzen und nichts funktioniert oder man bietet Angriffsfläche für Hacker – die meisten Unternehmen sehen heute, dass gutes und sicheres IT-Erlebnis trotz gestiegener Komplexität Pflicht und nicht nur Kür ist.“
Jens Reichardt, SPIRIT/21
„Nicht jeder Mitarbeitende hat eine hohe Affinität zu Remote Work. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die breite Masse abzuholen. Technik macht dies zwar möglich, löst aber die Grundproblematik nicht. Denn auch beim Arbeiten von zuhause oder unterwegs geht es vor allem um Menschen, die sich austauschen und interagieren wollen. Wenn hybride Arbeitsmodelle dauerhaft funktionieren sollen, reicht es deshalb nicht aus, die notwendigen technischen und ergonomischen Voraussetzungen zu schaffen. Ebenso wichtig ist es, Führungsstil und Kommunikationskultur weiterzuentwickeln und die Büroräume an das veränderte Nutzungsverhalten anzupassen.“
Jens Weller, toplink
„Bei uns sind alle Meetings hybrid ausgelegt, während es bei Workshops eine Präsenzverpflichtung gibt. Da legen wir wirklich Wert darauf, die Mundwinkel zu sehen, die nach untern klappen, oder die unruhigen Beine, wenn eben jemand etwas nicht mit dem Mund sagt. Körpersprache kann ein wichtiges Signal sein, das Aufmerksamkeit benötigt. Und deshalb kann es nicht nur Remote geben, sondern es braucht auch Touchpoints, an denen man sich Zusammenfinden und alle Sinne gebrauchen kann.“

Digital Collaboration als Wettbewerbsvorteil

Die Veränderung unserer Arbeitswelt wird in den nächsten Jahren weiter Fahrt aufnehmen. Wenn Unternehmen ihre Mitarbeitenden dabei nicht an digital besser aufgestellte Konkurrenz verlieren wollen, müssen sie ganzheitlich geeignete Lösungen für die hybride Arbeitsumgebung finden. Durch klassische Fehler wie Tool-Overload, fehlende Teilhabe und Benachteiligung bestimmter Mitarbeitergruppen bei der IT-Auswahl behindern sie sich dabei jedoch oft selbst. Setzen Arbeitgeberstattdessen auf eine bedarfsorientierte, partizipative und faire Herangehensweise bei der Tool-Auswahl, können sie die digitale Kollaboration erfolgreich vorantreiben.