Nokia

Der Marktführer als Underdog

17.11.2008 von Manfred Bremmer
Obwohl Nokia als Pionier im Smartphone-Markt gilt, spielt der Hersteller im Business-Segment kaum eine Rolle.

Anders als es der Anteil von knapp 50 Prozent im weltweiten Smartphone-Markt vermuten lässt, sind Nokia-Geräte in Unternehmen nur wenig präsent. Dem finnischen Hersteller ist es trotz seiner Größe nicht annähernd gelungen, im Enterprise-Geschäft so bedeutend zu werden wie im Endkundenmarkt. Mögliche Gründe dafür gibt es viele: So hat sich die Company lange nicht auf Business-Kunden konzentriert und dann zu wenig und zu spät unternommen - insbesondere im US-amerikanischen Markt. IDC-Analyst Dan Bieler gibt außerdem zu bedenken, dass Nokia - aus der Hardware- und TK-Ecke kommend und sehr Device-fokussiert - Schwierigkeiten hat, die Wellenlänge von Unternehmen zu treffen, die ihre Geschäftsprozesse mobilisieren wollen. "Da prallen zwei verschiedene Welten aufeinander." Andererseits sei es die Stärke des konkurrierenden Windows-Mobile-Anbieters Microsoft, als Software- und Systemexperte die Sprache des Business zu sprechen, während Research in Motion (RIM) schon früh mit seinem Mobile-E-Mail-Dienst Blackberry die Herzen der Manager höher schlagen ließ.

E-Series
Nokia E71
Nokia Business-Smartphone E71
Tastatur Nokia E71
Für spitze Finger und scharfe Augen: Die Tastatur des E71.
Nokia E61
Ahnengalerie: Die E-Mail-Maschine Nokia E61.
Nokia E51: Business-Barren ohne Kamera
Mit dem kleinen E51 hat das neue Nokia E71 nicht nur das Design, sondern auch den Prozessor gemeinsam.
Nokia E61i
Ahnengalerie: Im vergangenen Jahr brachte Nokia das etwas aufgestylte E61i heraus.

Debut als Smartphone-Pionier

Dabei hatte Nokia bereits 1996 das weltweit erste Smartphone präsentiert, das scheinbar ideal auf die Belange der Geschäftswelt ausgelegt war - so dokumentiert es zumindest ein Bericht in der damaligen COMPUTERWOCHE (Heft 18/1996):

"Der 'Communicator' Nokia 9000 vereint so ziemlich alles in einem Gerät, was der viel beschäftigte Manager brauchen könnte: Telefon, Fax, einen Internet-Zugang mit Mail, WWW, Telnet und Terminal, Short Message Service (SMS), Adressbuch sowie Terminkalender sind in diesem 397 Gramm leichten Handy vereint."

Nokia entwickelte seine Communicator-Reihe zwar kontinuierlich weiter - ein wichtiger Punkt war dabei der Umstieg auf ARM-Architektur und das Symbian OS mit dem Modell 9210 -, der Großangriff auf Geschäftskunden fand jedoch viel später statt. Erst im September 2005 präsentierte der Hersteller den E-Mail-Push-Dienst "Nokia Business Center". Kurze Zeit später wurde dieser dann durch die Übernahme des US-amerikanischen Spezialisten Intellisync zu einer integrierten Synchronisations- und Device-Management-Lösung erweitert. Obwohl die "Intellisync Mobile Suite" neben Symbian-Geräten auch Smartphones der Konkurrenz mehr oder weniger umfassend unterstützt, schlug die Suite nicht richtig ein. Wer überwiegend Geräte mit Windows Mobile oder Blackberry OS einsetzt, nutzt offenbar eher die dazugehörigen Synchronisations- und Verwaltungslösungen oder wählt ein herstellerunabhängiges System.

Vielseitig, aber nicht ohne Makel: Nokias Symbian-Plattform.

Diese Erkenntnis und der wachsende Fokus auf das Privatkundengeschäft haben Nokia inzwischen dazu bewogen, die Intellisync-Produkte nicht mehr als eigenständige Lösung anzubieten und den Support in zwei Jahren einzustellen.

Schwere Wahl der Migrationslösung

Als Konsequenz müssen sich Intellisync-Kunden damit allmählich für eine Migrationslösung entscheiden, wobei es mehr (Sybase iAnywhere, Excitor, Synchronica) oder weniger (Ubitexx) sinnvolle Alternativen am Markt gibt. Für Unternehmen, die unabhängig davon Nokia-Geräte einsetzen wollen, ändert sich indes wenig. Eine kleine Einschränkung gibt es allerdings: Mit der Einführung der Business-Smartphones E66 und E71 vor wenigen Monaten stellte Nokia die Unterstützung für die offenbar nur wenig genutzte Software "Blackberry Connect" ein. Stattdessen wurde Microsofts Exchange ActiveSync zum Push-E-Mail-Client der Wahl erkoren - mit seinen bekannten Stärken, aber auch Schwächen. Unter anderem gucken Nutzer einer nicht von Microsoft stammenden Groupware in die Röhre; zu bemängeln sind auch die im Vergleich zur Blackberry-Lösung höheren Übertragungsvolumen bei niedrigerer Sicherheitsstufe.

Ansonsten können Unternehmen weiterhin aus einer breiten Produktpalette wählen, zu der dank der relativ einheitlichen S60-Plattform neben Geräten der E-Series auch eine Vielzahl eigentlicher Consumer-Smartphones zählen. Auf neue Modelle darf man gespannt sein, angeblich befinden sich einige Business-Geräte in der Pipeline, die wie das kürzlich vorgestellte Nokia 5800 Xpress Music mit einem Touchscreen ausgestattet werden sollen.

Das Aus der Intellisync-Plattform verhagelt Symbian die Wertung.

Auch was die Softwareauswahl betrifft, herrscht kaum Mangel, das Programm "Quickoffice" zum Einsehen und (bei Geräten mit Volltastatur) Bearbeiten von Word-, Excel- und Powerpoint-Dokumenten gehört zur Grundausstattung, ebenso der Acrobat Reader PDF. Ein integrierter SIP-Client erleichtert die Nutzung als VoIP-Telefon. Gleichzeitig stellen etwa die wichtigsten Anbieter von Unified-Communications-Lösungen einen Client für Symbian-Handys bereit. Daneben profitieren Business-Nutzer auch von Nokias Popularität im Privatkunden-Umfeld. Einige der zum Teil kostenlosen Anwendungen sind auch im Unternehmensumfeld nutzbar, viele dienen zumindest zur Unterhaltung auf Geschäftsreisen. Angesichts der Pläne Nokias, die mittlerweile vollständig im eigenen Besitz befindliche Symbian-Plattform unter eine Open-Source-Lizenz zu stellen, dürfte die Bedeutung für Entwickler weiter wachsen.

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