Grundwissen Arbeitsrecht, Teil 13

Das Wichtigste zum Arbeitslohn

11.06.2010 von Renate Oettinger
Im 13. Teil der Serie von Michael Henn und Christian Lentföhr zu den wichtigsten Themen des Arbeitsrechts erfahren Sie, was aus juristischer Sicht beim Arbeitslohn zu beachten ist.

Beim Arbeitslohn müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Folgendes beachten:

1. Vergütungspflicht

Gemäß § 611 I BGB hat der Arbeitgeber als arbeitsvertragliche Hauptpflicht, die "vereinbarte Vergütung" zu gewähren. Nach § 612 I BGB wird die Vereinbarung einer Vergütung unwiderlegbar vermutet, wenn den Umständen nach die Dienstleistung nur gegen Vergütung zu erwarten ist, also eine Gefälligkeitstätigkeit bzw. einen unentgeltlichen Auftrag übersteigt.

2. Grundlohn

Wenn die Vergütungshöhe nicht vertraglich bestimmt wurde, ist gemäß § 612 II BGB die "übliche Vergütung" als vereinbart anzusehen. Diese orientiert sich im Einzelfall an den vergleichbaren Arbeitsverhältnissen. Unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Geltungsbereich eines Tarifvertrags, so dürfen dessen Mindestsätze nicht unterschritten werden.

In § 612 III BGB findet sich der Grundsatz der geschlechtsunabhängigen Lohngleichheit i.S.d. Art. 141 EGV wieder.

Gemäß Urteil des BAG vom 13.02.2002 (5 AZR 713/00) ist keine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes gegeben, wenn bei individuell vereinbarten Löhnen lediglich einzelne Arbeitnehmer besser gestellt werden. Ein Anspruch auf angepasste Vergütung aufgrund Gleichbehandlungsgrundsatzes wäre nur bei willkürlicher Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Erwägungen gegeben.

Quelle: Fotolia, Andreas F.
Foto: Fotolia, Andreas F.

Fehlt für die Vergütung von Überstunden eine kollektivrechtliche oder einzelvertragliche Regelung, wird regelmäßig in Auslegung des Einzelarbeitsvertrags von einer Vergütungspflicht nach § 612 BGB für Überstunden ausgegangen. Nach Rechtsprechung des BAG (AZ: 2 AZR 547/99) steht es einem Arbeitgeber frei, wenn er bisher Überstunden pauschal bezahlt hat, eine Änderungskündigung zu erklären mit dem Ziel, nur noch eine bestimmte Zahl von Überstunden nach tatsächlichem Anfall abzurechnen und darüber hinausgehende Mehrarbeit durch Freizeit auszugleichen. Inwieweit dies im Licht der §§ 307 ff BGB weiterhin wirksam möglich sein wird, bleibt in der Rechtsprechung abzuwarten.

Die Vergütung ist grundsätzlich als Geldlohn (z.B. per Überweisung, Scheck oder bar) zu leisten, falls nicht ausdrücklich vertraglich etwas anderes vereinbart sein sollte (z.B. Dienstwagen, Kost und Wohnung).

3. Sonstige Vergütungen

Neben dem Grundlohn gibt es zusätzliche Vergütungsbestandteile wie z.B.

- Prämien (für besonders zu belohnende Pflichterfüllung wie z.B. Anwesenheits-, Pünktlichkeits-, Ersparnisprämie oder Mengen- und Qualitätsprämien)

- Mehrarbeits- und Überstundenzuschläge (je nach Vereinbarung)

- Provisionen und Tantiemen

- Vermögenswirksame Leistungen

- Betriebliche Altersversorgung

- Zulagen (Lohnzuschläge z.B. wegen Teuerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten, wegen besonderer persönlicher Belastungen des Arbeitnehmers wie Todesfall oder Kindesgeburt bzw. Umzugskosten bei entsprechender Vereinbarung, wegen Besonderheiten der Tätigkeit wie insoweit Schmutz- und Gefahrenzulagen)

Bei Gratifikationen ist Folgendes zu beachten:

Gratifikationen sind zusätzlich zu den sonstigen Bezügen gezahlte Sonderzuwendungen je nach vom Arbeitgeber hierfür zum Anlass genommenen Umständen wie z.B. Weihnachtsgratifikation, zusätzlich zum Urlaubsentgelt gezahltes Urlaubsgeld, Jubiläumszahlung, Heirats- und Geburtsbeihilfe etc. Stellt der Arbeitgeber die Gratifikationszahlung unter Freiwilligkeitsvorbehalt, hat der Arbeitnehmer für das folgende Jahr keinen Anspruch hierauf. Ansonsten kann sich bei dreimaliger Gratifikationszahlung ohne Freiwilligkeitsvorbehalt ein vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund betrieblicher Übung ergeben bzw. ein Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Gratifikationen werden zumindest auch aufgrund der Motivation des Arbeitgebers geleistet, den Arbeitnehmer weiterhin an den Betrieb zu binden und Betriebstreue zu honorieren. Ist ein Vertrag so auszulegen, dass ausdrücklich ein festes, ausschließlich tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung abgeltendes 13. Monatsgehalt ohne Gratifikationscharakter vereinbart wurde, so handelt es sich hier um Entgelt im engeren Sinn. Bei Entgeltcharakter für geleistete Arbeit kann der Arbeitgeber anteilig um Zeiten kürzen, für die kein Lohnanspruch bestand, so z.B. bei Elternzeit, nicht jedoch bei Mutterschutzzeiten.

Eine zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbrachte Sonderzuwendung kann nach § 4a EFZG bis zu einem Viertel des durchschnittlichen Tagesverdienstes pro Krankheitstag gekürzt werden. Nach BAG-Urteil vom 07.08.02 (10 AZR 709/01) kann bei einer ohne Rechtspflicht und ohne Rechtsbindung für die Zukunft freiwillig gewährten Weihnachtszuwendung der Arbeitgeber in den Grenzen des § 4a EFZG solche Arbeitnehmer ausnehmen, die im Bezugszeitraum Fehlzeiten aufweisen. Das BAG hat des weiteren den Ausschluss einer in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin von einer Firmen-Jubiläumszuwendung für wirksam erachtet.

4. Rückzahlungsklauseln

Rückzahlungsklauseln, die den Arbeitnehmer unter Verletzung dessen Grundrechts auf freie Wahl bzw. Aufgabe seines Arbeitsplatzes nach Art.12 GG übermäßig an den Betrieb binden, sind unwirksam. Die Rechtsprechung hat anhand des Falls einer mit dem Dezembergehalt auszuzahlenden Jahressonderzuwendung folgende Grundsätze zu Rückzahlungsklauseln entwickelt:

- Rückzahlungsklausel bzgl. Gratifikationen bis ca. 100,00 Euro und ca. 25 Prozent darüber, also bis ca. 125,00 Euro ist unwirksam

- Bindung des Arbeitnehmers bis zum 31.03. des Folgejahres ist zulässig bei Gratifikation bis zu 1 Monatsgehalt (= noch nicht ganz ein Monatsgehalt)

- bei Gratifikation von zwischen einem und zwei Monatsgehältern keine Bindung über 30.06. hinaus

- bei Gratifikation von zwei Monatsverdiensten bei Staffelung bis zu einem halben Monatsverdienst Bindung über 30.06. hinaus zulässig

- Nach Urteil des BAG vom 14.11.2001 ist eine Rückzahlungsklausel, wonach sich der Arbeitgeber bei einer Kündigung die Rückzahlung vorbehält, auch für den Fall der betriebsbedingten Kündigung wirksam.

- Eine Verpflichtung, dass eine Zuwendung unter bestimmten Voraussetzungen "in voller Höhe" zurückzuzahlen ist, umfasst die Rückzahlungsverpflichtung auch bzgl. der vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführten Lohnsteuer (BAG, Urteil vom 05.04.2000 zu 10 AZR 257/99).

5. Fälligkeit

Fällig ist die Vergütung gemäß § 614 BGB grundsätzlich nach erbrachter Dienstleistung, falls nichts anderweitiges vereinbart ist. Gemäß der §§ 107, 108 GewO ist das Arbeitsentgelt in Euro auszuzahlen und dem Arbeitnehmer eine Abrechnung zu erteilen. Verzugszinsen für Entgeltansprüche bemessen sich nach dem Bruttoentgelt. Der Lohnanspruch des Arbeitnehmers unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren nach § 195 BGB.

6. Schwarzgeldabreden

Schwarzgeldabreden, also eine Abrede, die Vergütung ohne Berücksichtigung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auszuzahlen, führt gemäß Urteil des BAG vom 24.03.04 (5AZR233/03) - im Unterschied zum freien Dienstverhältnis - nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrags.

7. Verfall von Ansprüchen

Ein Verfall von Ansprüchen kann sich auch aus tarifvertraglichen (wie z.B. § 70 BAT) oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen ergeben. So hat das BAG in seinem Urteil vom 27.02.02 (9 AZR 543/00) z.B. eine vertragliche Ausschlussklausel als nicht sittenwidrig und somit als wirksam anerkannt, nach der Ansprüche innerhalb von zwei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich und innerhalb eines Monats nach ihrer Ablehnung durch die Gegenseite oder nach Ablauf einer Frist von 14 Tagen ohne Äußerung der Gegenseite gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Es bleibt noch höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG abzuwarten, inwieweit Ausschlussklauseln, insbesondere vorformulierte zweistufige Ausschlussklauseln, die nach Ablehnung eine fristgemäße Klageerhebung - also eine strengere Form als die Schriftform - verlangen, mit § 309 Nr. 13 BGB bzw. § 307 BGB als vereinbar aufgrund arbeitsrechtlicher Besonderheiten gewertet werden.

8. Pfändung von Arbeitseinkommen

Eine Pfändung von Arbeitseinkommen st nur innerhalb der Grenzen der §§ 850a ff ZPO zulässig. Der Arbeitgeber kann gemäß § 394 BGB nur innerhalb der Pfändungsgrenzen mit Gegenansprüchen gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers aufrechnen. Entsprechend ist die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts des Arbeitgebers ausgeschlossen, sofern es den Effekt einer Aufrechnung hat und diese unzulässig wäre.

9. Insolvenzansprüche

Bei Insolvenz des Arbeitgebers sind Lohn- und Gehaltsforderungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung "gewöhnliche" Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO.

Soweit sie aus den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnung stammen, besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld gemäß § 183 I SGB III gegenüber der Bundesagentur für Arbeit. Entgeltforderungen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, gelten als vorweg zu befriedigende Masseverbindlichkeiten nach § 55 I Nr.2 InsO, welche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen wären. (oe)

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de