Realitätscheck Unified Communications

Was bringt Unified Communications?

14.02.2012 von Sabine Schäfer und Dr. Helmut Schäfer
Um UC zu rechtfertigen, wird gern das Kostenargument vorgebracht. Aber dieser Vorteil ist nicht so eindeutig, wie es scheint.
Foto: Fotolia/ktsdesign

Wer in den späten 90er Jahren die ersten größeren VoIP-Implementierungen (Voice over IP) wagte, kam rasch zu vorzeigbaren Ergebnissen: Zunächst half die geringe Produktvielfalt: Ein sehr großer Anbieter dominierte den Markt. Hatte man sich für Ciscos "Call Manager" (vorher: "Selsius") entschieden, so bestand die Aufgabe im Wesentlichen darin, den Rufnummernplan aufzustellen und die VoIP-Gateways zu konfigurieren.

Rasch noch ein paar Benutzer mit VoIP-Telefonen im amerikanischen "Look, Feel and Ring" erschreckt, diese auf die Ethernet-Etagenverteiler aufgeschaltet - fertig! Anschließend rechnete man dem begeisterten Management vor, wieviele PBX-Lizenzen für die Nebenstellenvermittlung und wieviele Telefon-Support-Mitarbeiter das Unternehmen nun sparte. Damit war wenigstens auf den oberen Etagen die Akzeptanz gesichert.

Mittlerweile sind aus überschaubaren VOIP Produkten komplexe Unified-Communications-Portfolios geworden. Eine Phalanx von Anbietern kämpft um den Markt der multimedialen, mehrkanaligen Kommunikation. Er ist lukrativ, weil im Zuge der Unternehmensumstellung auf UC beachtliche Kollateralumsätze winken und eine langjährige Bindung des Kunden zu erwarten ist. Der Anwender sollte jedoch einen Blick auf die UC-Wirklichkeit werfen, bevor er sich monetär und zeitlich verausgabt.

Die großen Lösungen für Unternehmen

Nehmen wir an, das Unternehmen hat die UC-Dienste im eigenen Hause implementiert, bezieht sie also nicht aus einer Dienstleister-Cloud. Zu den für Unternehmen geeigneten UC-Lösungen zählen - in alphabetischer Reihenfolge - die Unified-Communications-Portfolios von Avaya, Cisco Systems, Microsoft und Siemens Enterprise Communications.

Hinzu kommen einige Aspiranten. Die meisten UC-Lösungen entwickeln sich aus Netz- und Telefonieprodukten heraus, so bei Alcatel, Avaya, Cisco und Siemens. Andere, beispielsweise die von IBM und Microsoft, kommen aus der Groupware-Entwicklung. Der Grad der Integration und Vollständigkeit ist unterschiedlich weit entwickelt. Allerdings sind vier gemeinsame Richtungen erkennbar.

  1. Alles auf IP: Verbindungssteuerung (SIP) und Medienströme sind IP-formatierte Paketströme - zumindest im Intranet und Internet. Folglich lassen sich Daten, Sprache, Musik und Video gleichermaßen komprimieren, per Switch/Router oder auf Anwendungsebene routen, analysieren, filtern und archivieren.

  2. Zentrale IP-Vermittlungssysteme: Die vielen PBXe werden durch eine kleine Zahl zentraler IP-Vermittlungs-Cluster (mit Notfallsystemen in fernen Außenstellen) abgelöst.

  3. Eine Oberfläche - viele Kanäle: Klassische Echtzeitdienste erscheinen mit Video- und Anwendungskonferenz sowie Instant Messaging angereichert unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche. Teilweise sind auch E-Mail, Voice Mail, SMS/MMS und Fax in einer Unified-Messaging-Komponente integriert.

  4. Teamarbeit: Die Einbindung von Verzeichnisdiensten, Verfügbarkeitsinformationen und sozialen Netzwerkkanälen unterstreicht das Generalziel: die Unterstützung spontaner Gruppenarbeit und dynamischer Teambildung.

Wo und wie lassen sich Kosten sparen?

Häufig führen Einsparungen die Liste der Argumente für UC an. Kostensenkend wirkt sich beispielsweise aus, dass die dedizierte Sprachinfrastruktur innerhalb des Unternehmens zusammen mit ihren kostspieligen Rangieroperationen wegfällt.

Ein anderer Faktor ist die Vereinheitlichung des Supports: Weil Werkzeuge und Wissensvoraussetzungen im Daten- und Sprach-Support ähnlich sind, wird der klassische "Telefoner" verzichtbar. Es gibt nur noch IP-Support-Mitarbeiter. Die sind zwar pro Kopf teurer, aber aus der Verkleinerung der Betriebsmannschaft resultiert oft eine Einsparung. - vor allem dank Zentralisierung.

Schützenhilfe erhält das Kostensenkungsargument durch die Ablösung der im Regelfall 20 bis 200 Nebenstellenvermittlungsanlagen im Unternehmen. Allerdings sind die meist schon abgeschrieben, so dass real nur noch der Wegfall Betriebskosten bleibt.

Einsparungen lassen sich auch bei den Reisekosten erziehen: Mit einer ausgereiften und sorgfältig eingeführten UC-Lösung werden viele Reisen überflüssig. Hinzu kommen geringere Reisefolgekosten, besonders beim Roaming - durch kombinierte WLAN/3G/4G-Smartphones, Call-Back-Lösungen, Least Cost Routing etc.

Die Gesamtkostenbetrachtung muss selbstverständlich auch die aus Parallelbetrieb, Mehrwertdiensten, Komplexität und Schutzmaßnahmen resultierenden Aufwendungen berücksichtigen. Sie ist deutlich komplexer als es zunächst scheint - selbst dann, wenn Effizienzgewinne und soziale Folgekosten unberücksichtigt bleiben.

Die Gegenüberstellung von klassischer Telefonielösung und UC ist keineswegs der Versuch, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Es handelt sich eher um den Vergleich von Apfel und Obstkorb. Schon deshalb ist das Kostenargument problematisch.

Der Mehrwert für das Unternehmen

Insgesamt sind alle Befürworter des UC-Einsatzes besser beraten, den Mehrwert für das Unternehmen unter Aspekten der Funktion, der Zeitersparnis, des Komforts und der Mobilität herauszuarbeiten. Denn bieten einige UC-Lösungen Beachtliches.

Nummerngewählte Gespräche, Click-to-Call-Verbindungen, Instant Messaging, Video- oder Anwendungskonferenzen - technisch gesehen sind alle diese Kommunikationsmodi in UC-Lösungen völlig unabhängig vom Ort der Teilnehmer nutzbar. Lediglich die Fähigkeiten des Endgeräts (Display, Video- und Audiokanäle) sowie die Qualität der Netzverbindung (Bandbreite, Laufzeit, Paketverluste) entscheiden, was geht und wie es geht.

Sechs Gründe für Unified Communications as a Servi
Geringe Anfangsinvestitionen
Mietbare UC-Lösungen befreien den Mittelstand von hohen Investitionskosten und minimieren Lizenzgebühren sowie den Aufwand für Planung und Aufbau des Systems. Wer seine IP-Kommunikation als Service bezieht, muss sich zudem um die Kompatibilität mit der eigenen Hardware keine Sorgen machen.
Flexibel zugeschnittene Services
Der Dienstanbieter stellt seinen Kunden die UC-Funktionen so granular wie möglich zur Verfügung. Diese können sich dann das für sie passende Paket selbst schnüren. Gezahlt wird dabei nur der genutzte Funktionsumfang. Dieser kann aber auch jederzeit erweitert werden, beispielsweise um Präsenzinformationen, Groupware, Integration der Mobiltelefone und Push-Mail.
Immer up to date
Gehostete Unified Communications bieten naht- und kostenlose Upgrademöglichkeiten zu den aktuellsten Softwareversionen und direkten Zugriff auf neu verfügbaren Technologien.
Kleinere IT-Teams im Unternehmen
Unternehmen müssen kein zusätzliches Personal für die Administration der Systeme abstellen. Der Dienstanbieter für die Verfügbarkeit von Instant Messaging und gemeinsamen Kalendern sowie von VoIP-Services rund um die Uhr verantwortlich.

Die Lösungsvarianten

Vom Klassik-Duo zur integrierten Telefonie - nur ein kleiner Schritt?
Foto: Schäfer/Secudion, Intercom Consulting

Zwei Klassiker beherrschen auch heute noch die Masse der Schreibtische im Unternehmen: zum einen der Telefonhandapparat, zweidrähtig oder per DECT mit der Nebenstellenvermittlungsanlage (PBX) verbunden, zum anderen der PC oder Laptop beziehungsweise das Notebook. Im Zuge der Ausbreitung von UC-Lösungen können den Mitarbeitern konfektionierte Endgerätekombinationen angeboten werden, die ihre Arbeit wirkungsvoller unterstützen.

Die Kombination aus VoIP-Telefon und Notebook ist diesem Duo äußerlich ähnlich. Wichtiger Unterschied: Das Telefon ist in die LAN-Verbindung eingeschleift. Über einen eingebauten LAN/IP-Switch verbindet es den PC mit dem LAN-Anschluss. Das macht die Etagenverkabelung für das Telefon überflüssig. Vor allem aber ist diese Kombination funktional reicher als das Klassik-Duo. Zum Beispiel werden Telefongespräche durch Klickverbindung oder Nummernwahl/Kurzwahl hergestellt, während Video- oder Anwendungskonferenzen über den angeschlossenen (PC-)Bildschirm laufen.

Für den PC-orientierten Mitarbeiter im Büro oder Home Office ist das reine Softphone die bessere Wahl. Hier erscheint das Telefon als Anwendungsfenster, also als Emulation einer Kombination aus Audio-, Video- und Konferenz-Telefon auf dem PC. Als Ein-/Ausgabegeräte lassen sich Mikrofon und Lautsprecher des PCs - oder besser eine angeschlossene Sprechgarnitur - nutzen.

Daneben gibt es noch das Smartphone/Tablet mit Cradle und "High-Definition"-Peripherie (Bildschirm, Sprechgarnitur, Eingabegeräte) auf dem Schreibtisch. Mit ihm lassen sich die Office-Funktionen von Microsoft, Google oder anderen Anbietern per Browser nutzen.

In allen drei Varianten spielt das Mitarbeiter-Handy eine Rolle - sei es als vom Unternehmen bereitgestelltes Arbeitsmittel oder als betrieblich und privat genutztes Mitarbeitergerät. Letzteres ist ebenfalls in die UC-Lösung zu integrieren, falls sich das Unternehmen der Byod-Philosophie (Bring Your Own Device) verschrieben hat.

Verfügbarkeit wird transparent

Der klassische Telefonanruf erfolgt blind: wir wissen nicht, ob die angerufene Teamkollegin da ist und Zeit hat. Nützlich also, zu wissen, ob ein gewünschter Kommunikationspartner gerade verfügbar ist und, falls ja, auf welchem seiner Endgeräte. Abhilfe schafft der in UC-Lösungen integrierte "Presence Service". Er prüft regelmäßig oder bei Bedarf den Belegtzustand der Endgeräte eines Teilnehmers, aber beispielsweise auch Kalendereinträge.

Die Anbieter preisen den Presence Service als die 40-Liter-Holstein-Kuh im UC-Stall. Gewiss ist die Verfügbarkeitsanzeige sinnvoll. Wenn die Chefin seit Stunden intensiv beschäftigt ist, sollte man jetzt besser nicht seine Gehaltswünsche vor ihr ausbreiten. Allerdings steht und fällt der Wert dieser Präsenzinformation mit der Sorgfalt, die auf die Pflege der Statusanzeigen verwendet und mit der Art und Weise, wie damit umgegangen wird.

An Effizienz gewinnt die betriebliche Kommunikation, wenn die Präsenzinformation auch die systematische Suche nach verfügbaren Personen erlaubt, die beispielsweise eine gerade benötigte technische, administrative oder juristische Kompetenz haben. So lässt sich Fachwissen zeitgerecht in technische Diskussionen oder juristische Verhandlungen einbeziehen. Das setzt jedoch voraus, dass Verzeichnis- beziehungsweise Organigramminformationen des Unternehmens in die Präsenzanzeige eingebunden sind.

Die Integration der Echtzeitdienste Chat, Telefonie und Konferenzen mit Basisfunktionen wie E-Mail und Kalender ist eine weitere Stärke vieler UC-Lösungen - vor allem wegen der Akzeptanz dieser Basiswerkzeuge. Hier lassen sich mobil wie stationär Datenbestände mit den wichtigsten Kommunikationspartnern ("Kontakte", "Buddies") pflegen sowie Termine und Einladungen zu Telefon-, Video- oder Anwendungskonferenzen verwalten.

Unnötige Transferzeiten schwinden

Büroarbeit ist zunehmend Fernarbeit, auch innerhalb des Firmengeländes. Weil zum Beispiel einige Meeting-Teilnehmer ohnehin ständig unterwegs sind, die Wege zu weit und die Räume zu knapp sind, werden physische Treffen seltener. Das virtuelle Meeting per Telefon- oder Videokonferenz ist in vielen Unternehmen schon die Norm. UC-Lösungen beschleunigem diesen Trend. Sie helfen damit, Transferzeiten auf dem Gelände zu vermeiden.

Faktisch wird für den Mitarbeiter die Erfahrung mit virtuellen Konferenzen am Büroarbeitsplatz zur Qualitätsreferenz für die UC-Lösung. Und Heimarbeiter fühlen sich Büro-integriert, wenn sie von ihrem UC-Arbeitsplatz zuhause qualitativ und funktional genau so an Konferenzen teilhaben können wie im Büro.

Eine Mitarbeiterin, die viel reist, ist für die Unternehmenskommunikation auf ihr mobiles Endgerät angewiesen. Smartphone, Tablet oder Notebook sollten also annährend dieselbe Qualität aufweisen wie das Equipment im Büro. Die großen UC-Lösungen bieten hier für die gängigen Mobilplattformen, derzeit also für Android, iOS4 und RIM OS, recht komfortable UC-Clients. Besonderes Augenmerk sollte außerdem den Mechanismen zur Qualitätssteigerung (Bandbreitenreservierung, Codecs, Freisprecheinrichtungen) und zur Senkung der Roaming-Kosten (Wegewahl) gelten.

Die Klippen der UC-Lösungen I

Foto: Fotolia/Vectorangel

Die heute verfügbaren Unified-Communications-Portfolios bieten also teilweise beträchtlichen Mehrwert für die Unternehmenskommunikation. Arbeitszeit und spezifische Fähigkeiten - insbesondere der Teleabeiter und der ständig mobilen Mitarbeiter - lassen sich besser ausschöpfen. Die Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen wird effizienter, die Bildung spontaner Arbeitsgruppen einfacher.

Allerdings gilt es bei Auswahl, Auslieferung in die Fläche und Betrieb eine Reihe von Klippen zu umschiffen. Sie fallen vor allem in die Rubriken Komfort (Benutzerakzeptanz), Komplexität und Kosten.

1. Jugendliche Dynamik und Altlasten

Die UC-Portfolios enthalten viele Elemente der jüngsten Technikgeneration. Softphones wie auch die Einbindung mobiler Geräte sind aktuelle Entwicklungen. Dasselbe gilt für die Virtualisierung von UC-Servern und eine Reihe anderer Leistungsmerkmale. Hier ist mit den üblichen Startproblemen zu rechnen: Funktionslücken, mangelndes Know-how (Fehlkonfigurationen, lange Fehlersuche), Instabilitäten und Unverträglichkeiten sowie häufige Release-Wechsel. In der Folge dauert alles länger, vorübergehend gibt es weniger Komfort als erwartet, und die Kosten steigen.

Auf der anderen Seite kaschieren manche Portfolios ihre gravierenden Funktionslücken schon auch mal mit Vorläuferprodukten aus alten Zeiten. Im Zweifel sollte der Kunde unbedingt die zugrundeliegenden Protokolle sowie die Integration in die UC-Betriebswerkzeuge prüfen. Das hilft, Fehlinvestitionen in solche Altlastkomponenten zu vermeiden.

2. Strukturelle Komplexität

Der Funktionsreichtum der großen und weit entwickelten UC-Lösungen, zum Beispiel Cisco Unified Communications oder Microsoft Lync, schlägt sich in einer oft unterschätzten Komplexität der Server-Infrastruktur nieder. Sie wird noch dadurch vergrößert, dass es sich bei vielen der Server-Instanzen eigentlich um redundante Server-Pools/-Cluster handelt. Die Bedienung großer Benutzerzahlen und die notwendige Verfügbarkeit verlangen das. Eine funktional reiche, global ausgerollte UC-Lösung kann sich ohne weiteres auf über 100 Server-Instanzen auswachsen.

3. Betriebliche Komplexität

Selbst wenn Server-Instanzen virtualisiert werden - es bleibt der Aufwand für Konfiguration, Wartung, Qualitätsüberwachung und Fehlersuche. Ausrollen und Betrieb einer UC Lösung stellen die IT vor beachtliche Herausforderungen. Sie beginnen mit der oft erforderlichen Aufrüstung der Endgeräte: Benötigt das Softphone Windows 7? Reicht Dual Core mit 2 GHz für HD Video?

Sie setzen sich fort in Ausbaumaßnahmen im Netzbereich und bei den Sicherheitsergänzungen. Und sie greifen tief in die Server-Infrastruktur ein: Es entstehen Zusatzlasten durch Präsenzdienste, Videoströme, Zugriff auf Mail-Server, Verzeichnisdienste etc. Hinzu kommen Maßnahmen zur Akzeptanzsicherung und Prüfung. Insbesondere die qualitative Überwachung des Echtzeitverkehrs mit Drilldown im Fehlerfall ist alles andere als eine triviale Aufgabe!

Für die Auswahl einer UC-Lösung ist also wichtig, inwieweit sie über effiziente Werkzeuge zur Vereinfachung der Auslieferung und zur Aufrechterhaltung des Betriebs verfügt. Gibt es Mechanismen zur automatischen gegenseitigen Kontaktaufnahme zwischen UC-Komponenten? Und zur Autokonfiguration? Zur Konfiguration von Gerätegruppen mittels Richtlinen ("Policies")?

Zur Installation und Inbetriebnahme großer Mengen von Endgeräten? Erlauben die Testwerkzeuge zeitgeplante spezifische Gerätetests genauso wie End-to-end-Tests mit einstellbaren Lasten? Lassen sich Änderungen der Rufnummernpläne vorab simulieren? Werden Ton- und Bildqualitäten live überwacht, Trends ermittelt sowie intelligente Fehleranalysen und Handlungsanweisungen bereitgestellt?

Diese und verwandte Kriterien sollten bei der Auswahl einer UC Lösung im Vordergrund stehen. Die Benutzer erwarten eine der klassischen Telefonie gleichwertige Stabilität und Übertragungsqualität. Rückschritte sind inakzeptabel.

Die Klippen der UC-Lösungen II

4. Defizite im Mobilbereich

UC-Funktionen müssen auf einer möglichst breiten Gerätevielfalt mit gleicher oder wenigstens ähnlicher Benutzeroberfläche angeboten werden. Hier unterscheiden sich die am Markt verfügbaren Lösungen immens. Gerade die Einbindung der Mobilgeräte ist teilweise noch recht dürftig. Gründe hierfür liegen in der Vielfalt der Plattformen, der Interaktionstechniken (Maus, Touch, Multitouch, Sprachsteuerung etc.) und der Netze (Bluetooth, 802.11a/b/g/n, UMTS, HSDPA, WiMAX, 4G) sowie in der raschen Veränderung der Hardwareleistung.

Die Unterstützung vieler Plattformen ist vor allem dann ein Muss, wenn sich ein Unternehmen für den Byod-Ansatz entschieden hat. Sieht die Mitarbeiterin ihr sehr geschätztes Blackberry, iPhone oder Android-basiertes Smartphone oder Tablet nicht unterstützt, so ist von ihr wenig Akzeptanz zu erwarten. Vielleicht wird das nicht eingebundene private Mobilgerät - dank ihrer Flatrate - auch für die dienstliche SMS oder Emails nutzen und Unternehmen hierdurch Dokumentations- und Sicherheitslücken bescheren.

Hilfreich ist es, wenn der UC-Anbieter mit einer Positivliste attraktiver und zentral verwaltbare Mobilgeräte aufwarten kann. Bislang sind diese Listen bei einigen Anbietern noch sehr kurz. Funktionen wie mobiler Zugriff auf Verzeichnisdienste, Kontaktlistenabgleich, Präsenzanzeige und Simultanruf auf Festnetznummer und Mobilnummer sollten für die führenden Mobilplattformen verfügbar sein.

Kostensenkend wirkt sich ein automatisches WLAN/3G-Roaming aus. Im 3G-Roaming-Modus des rufenden Mitarbeiters gibt es die Option zentraler Rufaufbau. Hier übernimmt die UC-Zentrale den Verbindungsaufbau für das Mobilgerät, gegebenenfalls unter Ausnutzung von IP-Wegen für die Fernstrecke. Da es im Ausland meist deutlich billiger ist, angerufen zu werden als selbst anzurufen, hilft diese Funktion beim Sparen. Eventuell erwünschter Nebeneffekt: Der aus dem Ausland anrufende mobile Mitarbeiter kann im Display mit seiner betrieblichen Nebenstellennummer erscheinen.

Die Hersteller der großen UC-Lösungen unterscheiden sich in puncto "Mobiles UC" stark. Während der eine oder andere Anbieter zumindest eine plattformspezifische Einbindung der wichtigsten Mobilbetriebsysteme vorzeigen kann, haben andere diesen Bereich bislang vernachlässigt. Es lohnt sich, bei der Produktauswahl darauf zu achten.

5. UC-Interoperabilität

In Sachen Interoperabilität hat sich in den vergangenen zwölf Jahren Einiges getan. Einige der Kernprotokolle für Verbindungsaufbau und Übertragung basieren auf IETF-Industriestandards. Beispiele sind SIP für die Verbindungssteuerung, RTP für die Audio-/Video-Übertragung, sowie Simple und XMPP für den Austausch von Präsenzinformationen und Instant Messages. UC-Lösungen, die Simple unterstützen, sollten in der Lage sein, untereinander Präsenzinformationen und Kurznachrichten auszutauschen.

Andererseits steht die Interoperabilität der eigenen Lösung nicht zwingend weit oben auf der Agenda des Anbieters. Ein solcher Mangel an Kooperation hat für das Kundenunternehmen gravierende Folgen: Föderationen mit unterschiedlichen Geschäftspartnern werden schwierig, wenn nur eine der beteiligten UC-Lösungen nicht mitspielt. Und kommt es zu einer Fursion oder Übernahmen, kostet es richtig Geld, falls die beiden Unternehmen auf unterschiedliche UC-Lösungen gesetzt haben.

6. Eingriffe in die IT-Sicherheit

Es gibt Anbieter, die allen Ernstes vorschlagen, man möge doch bitte ihren UC-Servern die Prüfung durch den Enterprise-Virenscanner ersparen - wegen der leistungsmindernden Wirkung. Hinzu kommt ,dass verschiedenen Signalisier- und Medienströme - überwiegend auf dem zustandslosen UDP-Protokoll reitend - den Durchlass durch die externen und internen Firewalls des Unternehmens verlangen.

Ist das Unternehmen in der Lage, die Folgen einer ziemlich ausufernden Öffnungspolitik an abzuschätzen und mitzutragen? Werden IP-basierende Medienströme wenigstens im Außenbereich des Unternehmens verschlüsselt? Ist die Verschlüsselung zum einen standfest genug, zum anderen auch regional legitim?

Damit zum Beispiel Mitarbeiter auf Reisen die UC-Dienste nutzen können, sind zumindest einige davon in der DMZ (Demilitarisierte Zone) einzurichten. Wie lassen die Dienste sowie die externen Clients authentisieren, zum Beispiel mittels Zertifikaten?

IT-Sicherheit im UC-Umfeld einzurichten, zu prüfen und zu betreiben erhöht sowohl die Komplexität wie auch die Kosten. Klassische leitungsvermittelte Telefonie kannte weder Verschlüsselung noch Authentisierung oder Firewalls.

Die Klippen der UC-Lösungen III

7. Datenschutz:

Falls das Unternehmen den Betrieb der UC-Lösung in fremde Hände geben möchte, wirft das weitere Sicherheitsfragen auf. Sie berühren die Persönlichkeitsinteressen der Mitarbeiter und unterliegen bekanntlich in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlichen gesetzlichen Auflagen.

Dazu ein Beispiel: Die in Chats, Video- oder Anwendungskonferenzen sowie in Telefonaten ausgetauschten Informationen existieren als decodierte Bild- und Tonströme am Endgerät oder davor als IP-Pakete; außerdem sind sie selbst beziehungsweise ihre Verbindungsdatensätze ("CDR") , teilweise auf den UC-Servern und Gateways abgreifbar. Hier ist gerade beim Outsourcing die Frage zu beantworten, inwieweit Dritte auf solche Informationen zugreifen dürfen, zum Beispiel für Fehlersuche oder Archivierung.

Für die UC Akzeptanz - und das Betriebsklima - ist es sehr förderlich, wenn Betriebsrat und Mitarbeiter sorgfältig und proaktiv darüber aufgeklärt werden, welche Informationskanäle aufgezeichnet und ausgewertet werden. Die Belegschaft wird es zu schätzen wissen, wenn zum Beispiel auch Chats die dem gesprochenen Wort unterstellte und in einigen Ländern besonders geschützte Vertraulichkeit behalten, wenn Präsenzinformationen nicht aufgezeichnet werden etc.

8. Lufthoheit über den Schreibtischen

Office Integration, zum Beispiel die Klick-Verbindung aus einer Tabellenkalkulation heraus oder die Präsenzanzeige der Autoren in einer Präsentation, ist ein Komfortfaktor, dem an einem Teil der Arbeitsplätze hohe Bedeutung beigemessen wird. Deshalb ist das PC-basierte Softphone eine zentrale Komponente in praktisch allen großen UC-Lösungen.

Andererseits erodiert die Office-PC-Hochburg zusehens - zum Beispiel durch folgende Entwicklungen:

UC verändert also die Lufthoheit über den Firmenschreibtischen. Die Bedeutung von Handapparat und Office-PC schwindet. Der Trend geht zu Mobilität, Telearbeit, rasch ladbaren dedizierten Apps, sozialen Netzen, interaktiver Echtzeitkommunikation und Browser-GUI - auf der Geräteseite um arbeitsplatzresidente Hochleistungsperipherie ergänzt.

Die Klippen der UC-Lösungen IV

9. UC lebt vom End-to-end-Netzpfad

Die Qualität der im Unternehmen ausgerollten UC-Dienste setzt sich aus vielen Teilaspekten zusammen: Bedienbarkeit, Support, Verfügbarkeit, aber auch Sprach- und Bildqualität, Interaktivität von Anwendungskonferenzen und Stabilität. Diese Faktoren sind eng mit der Qualität der IP-Infrastruktur verwoben: Gibt es QoS-Mechanismen (Quality of Service)?

Bleiben diese bei Netzübergängen von Anfang bis Ende konsistent erhalten? Arbeiten WAN-Bandbreiten-Management und Routing zusammen? Sind Codec-Übersetzer richtig bemessen und positioniert? Welche Ressourcen hat eine Niederlassung bei Ausfall der WAN-Strecke zur Zentrale in petto? Werden VPN-Tunnels genügend rasch aufgebaut? Ist die Softphone-Qualität auch dann noch gut, wenn die Benutzerin simultan einen minutenlangen Compiler-Lauf oder eine FEM-Berechnung fährt.

UC-Dienste sind teilweise sehr ressourcenzehrend. Ohne unterstützende Maßnahmen im Netz skaliert die UC-Lösung nicht. Liegt die erzielte Qualität unter den Erwartungen, so droht der Projekt-GAU, das heißt: der Rollback.

10. Gesamtkosten spät abschätzbar

Die teilweise hohen Kollateralkosten der UC-Einführung entstehen durch Parallelbetrieb in der Startphase, häufige Release-Wechsel und Bug-Fixes, Netzaufrüstung, neue Server-Kapazitäten, einen etwaigen höheren Strombedarf der leistungsfähigeren Endgeräte, Software-Upgrades, Trainings, externe Hilfe, Schutzmaßnahmen, bandbreitenintensive Dienste und mehr Mobilkommunikation.

Hinzu kommen in der Startphase oft längere Fehlerbehebungszeiten - vor allem, wenn die UC-Lösung nicht aus einem Guss ist, sondern mehrere Kontributoren hat. Eine Gesamtkostenabschätzung erscheint deshalb erst nach einer längeren Stabilisierungsphase sinnvoll.

Komfort, Komplexität und Kosten

Die klassischen Vermittlungssysteme im Unternehmen entwickeln sich technologisch nicht oder nur marginal weiter. Zudem treiben die etablierten PBX-Anbieter teilweise den IT-Verantwortlichen durch teure Wartungsverträge und kurzsichtige End-of-Life-Policies regelrecht ins UC-Lager. Die Ablösung der traditionellen Telefonanlagen durch UC-Lösungen ist also eigentlich nur noch eine Frage der Zeit.

Größerer Arbeitskomfort und effizientere Kommunikation schaffen ein Gegengewicht gegen die höheren Kosten der Aufbauphase. Allerdings werden RoI und TCO von so vielen Faktoren bestimmt, dass ihre Berechnung einem großen "Gestaltungsspielraum" unterliegt. Das Unternehmen ist daher gut beraten, sich in der UC-Diskussion zunächst auf die Dimensionen Komfort und Komplexität zu konzentrieren. (qua)