Windows Mobile

Vielseitig, aber lahm

17.11.2008 von Jürgen Hill
Gerätevielfalt und die Anbindung an Unternehmenssysteme sprechen für Windows Mobile. In Sachen Performance und Usability sind aber andere Plattformen dem Microsoft-Sprössling überlegen.

Bis zu den Ankündigungen von Apple und Google, eigene Handy-Betriebssysteme zu entwickeln, schien für Microsoft der Smartphone-Markt in Ordnung zu sein. Nach den eher peinlichen ersten Gehversuchen mit Windows for Smartphones konnte die Company dann ihre Marktanteile ausbauen. RIM und Nokia waren dabei in der Vergangenheit die einzig ernst zu nehmenden Wettbewerber im Enterprise-Umfeld. Gegenüber diesen Konkurrenten konnte der Konzern die Pfründe Partnerschaften und Softwareentwicklung in die Waagschale werfen. Microsofts Partnerschaft mit verschiedenen Hardwareherstellern hat für den Anwender den Vorteil, dass er vom einfachen Smartphone über Minicomputer im Kleinstformat bis hin zu Speziallösungen etwa für Industrie- und Logistikeinsatz aus einer Vielzahl von Modellen das jeweils geeignete Gerät auswählen kann.

Vielfalt durch Partner

…über "Kleinstcomputer" mit teilweise aufschiebbarer Tastatur (Sony Ericsson Xperia 1) bis….

Ein weiterer Pluspunkt der Microsoft-Plattform - das aktuelle Windows Mobile basiert auf Windows CE 5.0 - ist die Verwandtschaft mit der Windows-Welt. Wer eigene Anwendungen programmieren will, kann dabei auf bekannte Werkzeuge wie Visual Studio, Visual C++, Visual C# oder Visual Basic zurückgreifen. Und .NET liegt in der mobilen Variante als .NET Compact Framework vor. Damit können im optimalen Fall große Teile des eigenen Programmcodes in der mobilen Welt weiterverwendet werden. Für die Anpassungen an die Besonderheiten von Windows Mobile existiert ein SDK sowie ein Softwareemulator zum Testen der Anwendungen. Wer den Aufwand scheut, der kann zudem auf eine große Auswahl an kostenloser und kommerzieller Software zurückgreifen und diese anders als bei anderen Smartphone-Anbietern nach Belieben - wie auf einem Windows-PC - auf seinem Mobile Device installieren. Von kleinen Tools über VPN-Clients, VoIP- und SIP-Programmen, Clients für Enterprise-Applikationen bis hin zu Navigationslösungen ist auf dem Markt fast alles zu finden. Und von Haus aus wirbt Microsoft mit dem eigenen Windows Mobile Office und suggeriert so einen Brückenschlag zwischen Desktop und Smartphone. Allerdings ist das Werbeversprechen mit Vorsicht zu genießen, denn in der Praxis gehen beim Austausch durchaus auch Formatbestandteile von Dokumenten verloren.

Großes Applikationsangebot

Um diese Vielfalt im Enterprise-Umfeld in geordnete Bahnen zu lenken - sprich administrieren zu können, steht den IT-Verantwortlichen der "System Center Mobile Device Manager 2008" (SCMDM) zur Verfügung. Über ihn kann Software auch über die Luftschnittstelle an die Geräte verteilt oder ein Gerät im Falle eines Verlusts auch aus der Ferne gelöscht werden. Mit seiner Hilfe lassen sich auch die Sicherheitsrichtlinien (etwa kein Bluetooth-Einsatz) durchsetzen sowie diskreditierte Geräte vom Unternehmenszugriff aussperren.

….hin zu Speziallösungen (hier Motorola MC 75) für Industrie und Logistik reicht das Endgeräteportfolio.
Foto: Motorola

Bis hierher könnte man glauben, dass Windows Mobile endlich die ersehnte Eintrittskarte in eine sorgenfreie Mobility-Welt ist. Doch die Sache hat einen entscheidenden Haken - das Ganze funktioniert nur reibungslos, wenn der Anwender sich auch sonst für Microsoft entschieden hat. So setzt etwa SCMDM einen Active Directory Domain Controller und einen SQL Server sowie unter anderem einen 64-Bit Windows Server mit Device Management Server voraus.

Microsofts Push-Verfahren

Und in Sachen Mobile E-Mail hält Microsoft gleich die nächste Giftpille parat: Nur das eigene Exchange wird unterstützt, Notes- und Groupwise-Benutzer lässt in Redmond im Regen stehen.

In puncto Push-Mail ist das aber nicht das einzige Manko im Vergleich zur Blackberry-Lösung. Microsofts Push-Mechanismus - korrekt als DirectPush ActiveSync zu bezeichnen - weist selbst heute nach den anfänglich abenteuerlichen Experimenten mit SMS als "Always up to date" (AUTD) noch systemimmanente Schwachstellen auf. Zwar benötigt Microsoft im Gegensatz zum Blackberry kein Network Operating Center (NOC), dafür weist der Ansatz unter Kosten- und Sicherheitsaspekten schwere Nachteile auf. So verursacht der Exchange-Zugriff via ActiveSync im Vergleich zum Blackberry ein deutlich höheres Datenvolumen. Diverse Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass DirectPush für das Übertragen einer 5 KB großen Nachricht ein Datenvolumen von 12,4 KB erzeugt, während der Blackberry dank Komprimierung nur 3,2 KB transferiert. Hochgerechnet auf einen Monat kommen Blackberry-Nutzer im Schnitt mit einem Datenvolumen von 2 MB aus, während für DirectPush 50 MB zu veranschlagen sind.

Im Business-Umfeld schlägt hier schnell die Kostenfalle zu, wenn der Geschäftsreisende im europäischen Ausland die immer noch horrenden Daten-Roaming-Gebühren bezahlen muss. Zudem hat das hohe Datenvolumen eine ganz praktische Konsequenz: Auf mobilen Endgeräten ist der Datentransfer noch immer eine der stromfressendsten Aktivitäten, so dass die Standby-Zeiten mit aktiviertem ActiveSync drastisch sinken.

Sicherheitsfragen

Gegen ActiveSync sprechen auch einige Sicherheitsaspekte. So muss der IT-Administrator auf seiner Firewall den Port 443 für eingehende Verbindungen öffnen - also vom Internet frei ansprechbar machen. Erschwerend kommt hinzu, dass Microsoft empfiehlt, an der Firewall den Timeout für eine entsprechende Verbindung auf 30 Minuten heraufzusetzen. Dies scheint erforderlich, weil sich das Device per https am Exchange Server meldet und nach neuer Post fragt. Findet keine Übertragung statt, könnte diese Verbindung wieder abgebaut werden. Durch die Verlängerung des Timeout bleibt diese nun für 30 Minuten bestehen, damit der Exchange Server eingehende Post automatisch direkt an das Endgerät weiterleiten kann. Nach Ablauf des Timeouts muss sich das Endgerät erneut am Server anmelden, was wiederum Datenverkehr erzeugt. Der Sicherheitsproblematik ist sich Microsoft auch bewusst, weshalb die Company zusätzlich den "Internet Security & Acceleration Server" empfiehlt.

Zähflüssige Bedienung

Neben diesen grundlegenden Sicherheitsaspekten offenbart Windows Mobile in der aktuellen Generation 6.1 noch ein weiteres Problem - das Betriebssystem reagiert auf den aktuellen Smartphone-Modellen schlichtweg lahm. So schön Neuerungen wie ein per Touchpad gesteuerter kleiner Mauszeiger (etwa beim Samsung SGH-i900 Omnia) oder eine Kamera mit OCR-Software zum Erfassen von Business Cards (im DSTW1 von General Mobile) sind, für diese Individualität und das mittlerweile durchaus schicke Design zahlt der Anwender einen hohen Preis: Das Gros der aktuellen Windows-Mobile-Geräte, so der Eindruck auf Presseveranstaltungen, arbeitet im Vergleich zu einem alten Windows-Mobile-2003-SE zäh und nicht flüssig. Ein weiteres Manko sind die in einem Test in der Redaktion erzielten Akkulaufzeiten: Sie sind meilenweit von den Herstellerangaben entfernt, was aber auch auf die teilweise schwierigen UMTS-Empfangsbedingungen zurückzuführen ist.

Warten auf Windows Mobile 7

Lässt man einmal die Enterprise-Features beiseite, dann ist Windows Mobile derzeit im Vergleich zur Konkurrenz nicht auf der Höhe der Zeit. Besserung ist hier erst mit Windows Mobile 7 in Sicht. Das neue Betriebssystem soll die Scharten in Sachen Usability auswetzen und zudem schneller werden. Unbestätigten Meldungen zufolge sah Microsofts Roadmap vor, dass der Neuling Anfang Januar auf der CES 2009 in Las Vegas offiziell präsentiert wird und dann auf dem Mobile World Congress im Februar erste Geräte zu sehen sind. Mittlerweile kursieren im Internet aber Gerüchte, dass Windows Mobile 7 erst im zweiten Halbjahr 2009 fertig sei. Stimmt dies, dann wäre es ein herber Rückschlag für Microsoft, denn im Konkurrenzkampf mit Apple oder Android braucht der Konzern zumindest im Privatanwendergeschäft dringend ein wettbewerbsfähiges Betriebssystem. Im Unternehmensmarkt kann Microsoft sicher noch eine Weile mit dem angestaubt wirkenden Mobile 6.1 punkten, da hier zum Beispiel Sicherheits- und Push-Mail-Funktionen oder Remote-Management wichtiger sind als eine hippe Oberfläche.

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