Studie IT-Trends 2018

Trends und Hypes in der IT – was CIOs wirklich bewegt

22.02.2018 von Heinrich Vaske
In den kommenden zwölf Monaten arbeiten Unternehmen in ihrer IT vor allem an ihren Anwendungen und an einem höheren Sicherheitslevel. Das zeigt die große Jahresumfrage unter CIOs, die vom IT-Dienstleister Capgemini umgesetzt wurde.
  • Der Druck durch GDPR führt dazu, dass Anwender den Datenschutz in ihre Systeme integrieren möchten. Privacy by Design ist das Stichwort
  • Predictive Analytics und Bring your own X sind weiter zentrale Themen, auch wenn sie nicht mehr neu scheinen
  • Wenig passiert derzeit noch bei Virtual Reality, Robotic Process Automation und Chatbots

Welche Technologien werden heute oder in naher Zukunft implementiert? Ganz oben auf der Agenda steht bei CIOs das Aufräumen der Anwendungslandschaft. Das zeigt eine groß angelegte Umfrage, die Capgemini alle Jahre wieder unter CIOs vornimmt. Zwei von drei IT-Chefs wollen hier aktiv werden. Das Beratungsunternehmen erklärt das damit, dass die Digitalisierung viele neue Anwendungen und Apps hervorbringe, weshalb Unternehmen um eine Bestandsaufnahme ihrer Anwendungslandschaft kaum herumkämen. Bei manchmal mehr als 1000 eingesetzten Applikationen könne das eine echte Herausforderung sein.

In diesem Jahr steht die Bereinigung des Anwendungsportfolios oben auf der To-do-Liste - gefolgt von Security-Automation.
Foto: Capgemini

Die IT-Organisationen wollen herausfinden, welche Anwendungsfunktionen wirklich genutzt werden und wo sich Produkte überschneiden, um anschließend zu konsolidieren. Laut Capgemini ist es kurzfristig oft mit hohen Investitionen verbunden, Anwendungen abzuschalten oder zu konsolidieren. Langfristig sei der Schritt aber sinnvoll. Solche Maßnahmen würden am besten dort vorgenommen, wo sich die Applikationslandschaft aus geschäftlichen Gründen ohnehin verändern müsse. In solchen Fällen könnten IT-Kosten gesenkt werden, und gleichzeitig lasse sich ein Mehrwert für das Geschäft erzielen - ein doppelter Nutzen also.

Ein starkes Trendthema ist auch Security Automation: 63 Prozent der Befragten beschäftigen sich konkret damit. Hintergrund ist auch hier der Zuwachs an Systemen, Schnittstellen und Datenquellen, was immer neue Einfallstore öffne und zu mehr Angriffen führe. Einen Ausweg aus dieser Situation weist die starke Automatisierung von Sicherheitsprozessen.

Die Bedeutung von Predictive Analytics ist laut Capgemini ein dritter starker Trend. Hier geht es um die Fähigkeit, aus historischen Daten Prognosen abzuleiten - beispielsweise zum potenziellen Kundenverhalten, zum Fehleraufkommen in Prozessen oder auch zum wahrscheinlichen Verschleiß von Produkten und Bauteilen.

https://www.cio.de/a/sicherheitsthemen-dominieren-die-cio-agenda-2017,3263189

Die Studie

  • Capgemini hat 121 Entscheider aus der Geschäftsführungs- und Management-Ebene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) befragt, die Angaben zu den IT-strategischen Plänen machen konnten.

  • Das jährliche Umsatzvolumen der Unternehmen, in denen die Befragten beschäftigt sind, liegt zwischen 500 Millionen und 20 Milliarden Euro.

  • Die Erhebung lief zwischen dem 11. September und 3. November 2017. Die Adressen der Firmen entstammten im Wesentlichen aus den Beständen von Capgemini.

  • Titel der Studie ist "IT-Trends 2018 - Digitalisierung: Aus Ideen werden Ergebnisse" (hier geht's zu den Vorjahresergebnissen)

Zwar sind die Tools und Algorithmen für Predictive Analytics im Laufe der Jahre immer besser geworden, doch an den richtigen Daten fehlt es oft noch. Sie werden aber jetzt im Rahmen von Digitalisierungs- oder Industrie-4.0-Projekten generiert, so dass immer mehr Unternehmen auf den Zug aufspringen. Anwender sollten ihre Erwartungen allerdings nicht zu hoch ansetzen, warnen die Berater. Nicht jeder Anwendungsfall werde sich auch umsetzen lassen. Und mitunter müsse man sich auf viel größere Umsetzungszeiträume gefasst machen als zu Beginn veranschlagt.

Datenschutz-Grundverordnung verursacht Bauchschmerzen

Privacy by Design ist angesichts der Datenschutzgrundverordnung hochrelevant geworden.
Foto: Capgemini

Weitere Themen mit hoher Priorität sind für CIOs der Multi-Device-Support, Intelligent Things (IoT), die Migration von Anwendungen in die Cloud, Realtime Intelligence sowie die Integration des Datenschutzes in die IT-Systeme (Privacy by Design). Mit jedem dieser Aspekte beschäftigt sich mehr als die Hälfte der Befragten. Vor allem der Datenschutz hat durch die vom 25. Mai 2018 an gültige Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) Rückenwind bekommen. Viele Unternehmen passen derzeit ihre Hard- und Softwaresysteme grundlegend an.

Laut EU-DSGVO muss die IT von vornherein so ausgelegt sein, dass sich das Erheben personenbezogener Daten vom Anwender detailliert steuern lässt. Zudem sieht die Verordnung vor, dass möglichst wenige persönliche Informationen erfasst werden, damit diese nicht im Nachhinein durch zusätzliche Maßnahmen geschützt werden müssen. Deshalb schätzen die CIOs die Bedeutung von "Privacy by Design" weit höher ein als im Vorjahr.

Laut Capgemini läuft die Umsetzung der DSGVO weiterhin schleppend. Es gebe kaum Unternehmen, die das Prinzip bereits in ihre Abläufe integriert hätten. Im Herbst 2017, dem Zeitpunkt der Umfrage, waren immer noch 51 Prozent der Teilnehmer mit der Implementierung und Planung beschäftigt. Dementsprechend sei es "mehr als fraglich", ob alle Unternehmen die neue Richtlinie zum Stichtag einhalten könnten.

Bring your own… ist immer noch ein Thema

Ein Revival erfahren der Studie zufolge "Bring-your-own-X-Szenarien" (BYOx-Security), wobei X nicht nur für mobile Endgeräte, sondern auch für Apps, Speicherkapazitäten oder Cloud-Services steht. Werden solche Privatressourcen zu Arbeitszwecken genutzt, können massive Sicherheitsrisiken entstehen. De facto erwarten aber die Mitarbeiter heute, von überall auf Unternehmensdaten zugreifen und dafür auch ihre eigenen Geräte nutzen zu können. Das erscheint ihnen komfortabler, außerdem haben sie sich schon daran gewöhnt. CIOs sehen darin ein Problem, das eher größer wird. Die Umfrage zeigt, dass nur 18 Prozent der Unternehmen eine Lösung gefunden haben, indem sie beispielsweise ein Enterprise Mobility Management (EMM) nutzen oder ihre vorhandene Lösung ausbauen.

Auch Perimeter-Sicherheit bleibt akut

Ähnlich wie im Vorjahr geht es Unternehmen generell um IT-Sicherheit, Daten und Prozesse. Da alle Themen an Relevanz gewonnen haben, kann man sagen: Die IT ist wichtiger geworden!
Foto: Capgemini

Ein ebenfalls altbekanntes Thema, dass jetzt wieder Auftrieb bekommt, ist die Perimeter-Sicherheit: die Absicherung des Unternehmensnetzes gegen Zugriffe von außen. Meistens sind zwar die Rechenzentren gut geschützt, aber nicht die anderen Standorte. Durch die Vernetzung von Geräten im Zuge des Internet of Things (IoT) entstehen neue Einfallstore. Oft ist auch der Empfangsradius von drahtlosen Firmennetzwerken zu weit. So können Angreifer, die sich in der Nähe eines Unternehmens aufhalten, eindringen und Schadsoftware einschleusen. Das beunruhigt CIOs in diesem Jahr stärker als im vergangenen. Dementsprechend herrscht Betriebsamkeit: Knapp ein Viertel der Befragten plant ein Projekt dazu, knapp ein Fünftel steckt bereits in der Implementierung. Ein weiteres Fünftel hat die Sicherheit an den Bürostandorten und Betriebsstätten erhöht.

Während diese Mainstream-Themen der IT mehr oder weniger gesetzt sind, gibt es andere hochgehandelte Bereiche, die in Wirklichkeit noch gar nicht oder nur am Rande stattfinden. Deshalb müssen das aber noch keine Rohrkrepierer sein: Die Berater von Capgemini sprechen von "Hoffnungsträgern", deren Potenzial erst noch erschlossen werde. Mit Virtual und Augmented Reality (VR/AR) etwa kommen viele CIOs nicht weiter, weil es in ihren Unternehmen an Ressourcen und an Wissen fehlt. Zudem gilt die verfügbare Hard- und Software noch als zu unreif für einen industriellen Einsatz.

Virtual Reality und Chatbots kommen nur langsam

Selbst auf Gebieten wie Marketing und Gaming, wo VR/AR bereits zum Einsatz kommt, sind langsame Mobilfunknetze und teure Hardware ein Hindernis. Capgemini kommt zu dem Schluss, das Thema sei "im Moment, wenn überhaupt, nur für Unternehmen im Endkundengeschäft interessant, darunter die Automobil- und Telekommunikationsbranche, Tourismus und Verkehr". 60 Prozent der Befragten beschäftigen sich derzeit nicht mit VR/AR.

Ähnlich verhält es sich mit den vermeintlich "heißen" Natural (Language) User Interfaces. Hier geht es um die Bedienung von Geräten durch gesprochene Sprache, Gesten und geschriebene Befehle. Obwohl es eine Reihe von funktionierenden Chatbot-Piloten gibt, ist die breite Masse der Anwender noch nicht an Bord. Einige Branchen, insbesondere Industriekonzerne, der Automotive-Sektor und die Energieversorger, sind allerdings fortgeschrittener als die breite Masse der Unternehmen. Die Relevanz dürfte auch in den anderen Märkten steigen.

Robotic Process Automation immer noch in den Startlöchern

Ähnlich verhält es sich mit Robotic Process Automation (RPA). Dahinter verbergen sich verschiedene Technologien, mit denen sich die Abwicklung repetitiver Verwaltungsprozesse anwendungsübergreifend automatisieren lässt. Hier übernehmen Computer die Arbeit von Menschen und erhöhen im Idealfall sowohl die Effizienz als auch die Qualität der Arbeit - ein hochpolitisches Thema also. Dazu ist die Unterstützung der IT-Abteilung nicht einmal zwingend erforderlich. Wenn die Technologie eingerichtet ist, kann die Fachabteilung selbst ihre Prozesse automatisieren.

RPA-Systeme arbeiten direkt mit den Frontends von Anwendungen wie CRM, Dokumenten-Management, Datenbanken oder Office. Deshalb können sie recht einfach in vorhandene Anwendungslandschaften integriert werden. Sie werden auch eingesetzt, um ältere Systeme zu automatisieren, ohne diese grundlegend verändern zu müssen. Das Thema ist nicht neu, der Einsatz dieser Technologien seit einigen Jahren möglich. Sie verbreiten sich bislang aber überraschend langsam. Von den Umfrageteilnehmern nutzen derzeit nur etwas mehr als zwei Prozent RPA.

Knapp zehn Prozent implementieren derzeit aber ein System und 20 Prozent sind im Planungsstadium. In Märkten mit vielen Backoffice-Prozessen wie zum Beispiel der Versicherungsbranche genießt RPA bereits eine breite Aufmerksamkeit, wie zahlreiche Pilotprojekte zeigen. RPA wird als ein Wegbereiter für angewandte künstliche Intelligenz und selbstlernende Roboter gesehen, wodurch die Nachfrage in Zukunft vermutlich rasch anwächst (siehe auch: Interview mit Michael Schulte, Chairman des Country Boards Germany bei Capgemini).

Cognitive Computing - in Zukunft vielleicht

Der Begriff Cognitive Computing steht für lernende Systeme, die Entscheidungen auf der Basis strukturierter und unstrukturierter Informationen treffen können. Nicht mithilfe einer programmierten Entscheidungslogik, sondern anhand von historischen Fällen lernen diese Systeme, die Regeln und Kriterien hinter Entscheidungen zu ergründen und auf aktuelle Fälle anzuwenden. Die Technologie ist neu, ihr Erfolg hängt zum einen von der Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz (zum Beispiel Machine Learning, Visual Recognition und Natural Language Understanding), zum anderen von der Verfügbarkeit von Trainingsinformationen ab. Genutzt wird Cognitive Computing derzeit noch von keinem der von uns befragten CIOs, immerhin jeder Fünfte zeigt jedoch Interesse. Ob, wann und wie derartige Systeme alltagstauglich werden, ist derzeit offen.

Der Digital Twin überfordert Anwender

Elektronische Geldbörsen und Digital Twins sind aus Sicht von Capgemini ebenfalls Hoffnungsträger, die ihr Potenzial erst noch entfalten müssen. Auf "Mobile Wallets" umzusteigen, sei für deutsche Konsumenten immer noch wenig reizvoll, da die Verbraucher Sicherheitsbedenken hätten und mit den verfügbaren Zahlmöglichkeiten ganz zufrieden seien. Und der digitale Zwilling sei als Technologie noch zu neu und erscheine vielen Anwendern als zu aufwändig, um damit zu arbeiten. Er sieht vor, dass ein virtuelles Abbild eines Produkts, einer Maschine oder einer Anlage erstellt wird, um damit anhand von Daten Situationen zu simulieren, deren realer Aufbau sehr aufwändig und kostspielig wäre. Unternehmen können mit einem Digital Twin beispielsweise am Rechner ermitteln, wie Materialien auf Temperaturschwankungen reagieren, sich ein System bei einem Stromausfall verhält oder der Austausch bestimmter Komponenten den Energieverbrauch beeinflusst.

Hacken für die gute Sache

Nachrangige Themen, die aber einen auffälligen Sprung nach vorne gemacht haben, sind Ethical Hacking, Software-defined Networking etc.
Foto: Capgemini

Schließlich wirft Capgemini auch einen Blick auf die Technologien, die in den letzten zwölf Monaten den stärksten Bedeutungszuwachs erfahren haben. Ganz vorne im Ranking ist das Ethical Hacking: Unternehmen lassen dabei ihre Netze von professionellen Hackern angreifen und auf Schwachstellen überprüfen. Auf der Überholspur sind überdies Process Mining sowie Software-defined Networking und Software-defined Storage.