Sapphire 2010

SAP stellt sein Geschäft neu auf

18.05.2010 von Martin Bayer
Auf der Hausmesse Sapphire hat das SAP-Management erklärt, warum der Sybase-Kauf sinnvoll sei. Mit der Übernahme kommen Mobility-Lösungen, In-Memory-Techniken und Real-time-Analytics in das Portfolio - allerdings zu einem hohen Preis.

Bill McDermott und Jim Hageman Snabe, die als Doppelspitze vor rund 100 Tagen den glücklosen Léo Apotheker abgelöst hatten, demonstrierten auf der Kundenveranstaltung Sapphire in Frankfurt am Main Selbstbewusstsein und legten die Messlatte für den eigenen Erfolg hoch. Der mit SAP-Produkten adressierbare Markt soll sich in den kommenden Jahren von 110 auf etwa 220 Milliarden Dollar verdoppeln, sagte McDermott. Über kurz oder lang würden weltweit eine Milliarde Nutzer mit SAP-Applikationen in Berührung kommen.

Zwei, die auf´s Gas treten: Das SAP-Spitzenduo Bill McDermott und Jim Hageman Snabe.
Foto: SAP

Erreichen will der Konzern die hochgesteckten Ziele mit neuen Techniken rund um die eigenen Business-Applikationen: Im Fokus stehen dabei In-Memory-Techniken für eine neue Generation von Datenbanken und Business-Applikationen, mobile Plattformen, die Geschäftsdaten auf unterschiedliche mobile Endgeräte bringen sollen und Real-time-Analysen, mit denen die Verantwortlichen in den Unternehmen schneller und effizienter Entscheidungen treffen könnten. Neben eigenen Entwicklungen setzt SAP auch auf Zukäufe, um das eigene Produktportfolio für die Zukunft vorzubereiten.

Der Deal

Die Akquisition von Sybase war das beherrschende Thema auf der diesjährigen Sapphire und bestimmte die Diskussionen rund um den zukünftigen Kurs des weltweit größten Anbieters von Business-Applikationen. Nur wenige Tage vor der Kundenveranstaltung, die Mitte Mai parallel in Orlando und Frankfurt am Main stattfand, hat der deutsche Konzern die Übernahme des US-amerikanischen Softwareherstellers bekannt gegeben. Auch wenn SAP in der Vergangenheit bereits eng mit dem Spezialisten für Datenbanken und Mobilty-Lösungen zusammengearbeitet hat, kam der Deal für die meisten Experten überraschend. "Ich habe aus den Nachrichten davon erfahren", berichtet IDC-Analyst Rüdiger Spies. "SAP hätte uns ruhig vorwarnen können."

Im Vorfeld deutete nichts auf den Deal hin. Auf der diesjährigen CeBIT hatte SAPs Co-CEO McDermott zwar durchblicken lassen, dass Milliarden-Deals nicht ausgeschlossen seien, sofern die Konditionen stimmten. Konkrete Anzeichen für eine Übernahme dieser Größenordnung gab es indes nicht. Dabei liefen die Verhandlungen mit Sybase bereits seit März, ließ das Top-Management nach Bekanntgabe der Akquisition durchblicken.

Rund 5,8 Milliarden Dollar lässt sich SAP die Akquisition von Sybase kosten. Damit ist der Deal nach dem Kauf von Business Objects im Jahr 2007 (6,8 Milliarden Dollar) die zweitgrößte Übernahme in der fast 40-jährigen Firmengeschichte. Finanziert werden soll das Geschäft aus SAPs Barreserven in Höhe von rund drei Milliarden Euro sowie einer Anleihe von etwa 2,75 Milliarden Euro, die die badischen Softwerker bei der Deutschen Bank und Barclays Capital zeichnen.

Das sagen die Analysten

Auf der Sapphire in Frankfurt standen der COMPUTERWOCHE Marktforscher Rede und Antwort.
  • Holger Kisker, Forrester: Der Sybase-Deal ist nicht die große strategische Akquisition, mit der SAP langfristig einen Befreiungsschlag im internationalen Wettbewerb landen kann. Allerdings ist die Akquisition ein Schritt in die richtige Richtung, ein Commitment für Innovation sowie eine erste Demonstration von Führungsstärke der neuen SAP-Spitze.

  • Thomas Otter, Gartner: Bei dem Deal geht es weniger um die Datenbanken von heute als um die Datenbanken und Applikationen von morgen. Wenn SAP seine Visionen in Sachen In-Memory-Technik wahr machen möchte, braucht der Konzern das notwendige Datenbank-Knowhow. Sybase verbessert SAPs Glaubwürdigkeit in diesem Softwarebereich. Der Erfolg des Geschäfts kann nicht an den Umsätzen der kommenden Quartale gemessen werden. Die Walldorfer müssen ihre Roadmap und Vision klar und deutlich offenlegen, um Verwirrung im Kunden- und Partnerumfeld zu vermeiden. SAP hat noch nicht die Merger-Kompetenz wie sie beispielsweise Oracle entwickelt hat. Es kann noch viel schief gehen, aber SAP hat nun eine Strategie. Jetzt geht es darum, diese zu erklären und umzusetzen.

  • Frank Naujoks, i2s: Die Partnerschaft im Bereich Mobile ist von SAP und Sybase seit einiger Zeit schon gelebt und wurde zur CeBIT noch enger. Selbst wenn SAP-Kunden im Jahr eine Milliarde Dollar für Oracle-Datenbanken ausgeben, wird das eine Rolle gespielt haben, aber sicher nicht die Hauptmotivation für den Kauf gewesen sein. Die von Sybase eingebrachte In-Memory-Database-Technik deckt sich mit den Plänen der SAP ziemlich gut. Der Konzern hat zwar das Versprechen gebrochen, auf Großeinkäufe erst einmal zu verzichten, aber der Kauf ergibt Sinn.

  • Frank Niemann, PAC: Nach Business Objects ist Sybase die zweite milliardenschwere Übernahme von SAP. Einerseits belegt dies, dass der Konzern es nicht nur bei kleineren und strategischen Einkäufen belässt. Andererseits kauft SAP mit Sybase erneut Lösungen für das Daten-Management und unterstreicht damit die Bedeutung dieses Themas. Ob der Kaufpreis gerechtfertigt ist, mag aus heutiger Sicht zu Recht angezweifelt werden. Fest steht, dass Sybase viel Potenzial für SAP im Bereich mobile Prozesse und Daten-Management bietet. Was der Konzern daraus macht, wird sich zeigen.

  • Rüdiger Spies, IDC: Dieser Deal wird positive Effekte für beide Unternehmen und die dazugehörigen Kundenkreise nach sich ziehen. SAP bekommt zusätzliche Expertise in den Industrien Finanzdienstleister und Telekommunikationsunternehmen, Zugang zu neuen Techniken, speziell im Datenbank- und Mobile-Bereich, viele neue Partner und Kunden sowie nicht zuletzt eine strategische Waffe im Datenbanksektor, die gegen IBM und Oracle eingesetzt werden kann. Allerdings wird es für SAP auch schwieriger, die Beziehungen zu IBM und Oracle zu managen.

Die Entscheidungsgremien von Sybase haben dem Deal bereits zugestimmt und ihren Aktionären empfohlen, das Angebot anzunehmen. Den bislang vorliegenden Plänen zufolge soll das Unternehmen als eigenständige Einheit innerhalb des SAP-Konzerns weitergeführt werden. CEO John Chen werde einen Sitz im SAP-Vorstand erhalten, hieß es. Die SAP-Verantwortlichen gehen davon aus, dass der Handel im dritten Quartal dieses Jahres abgeschlossen wird.

Schwierigkeiten bei der Integration von Sybase fürchtet das SAP-Management nicht. Schließlich habe die Übernahme von Business Objects gezeigt, dass SAP durchaus in der Lage sei, auch große Akquisitionen zu verdauen, versicherte Co-CEO McDermott. De facto gab es aber rund um die Integration des Business-Intelligence-Spezialisten immer wieder Hinweise darauf, dass der Zusammenschluss nicht so reibungslos lief wie SAP das gerne hätte. Allerdings dürfte Sybase leichter zu integrieren sein, zumal das Unternehmen als eigenständige Einheit weiter bestehen soll.

Die Konkurrenz

SAP bietet den Sybase-Aktionären 65 Dollar je Papier. Das bedeutet einen Aufschlag von 56 Prozent auf den Schlusskurs der Aktie am Vortag der Übernahme-Ankündigung und eine Prämie von 44 Prozent auf den Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Die Urteile der Finanzexperten zur Höhe des Preises reichen von "großzügig" bis "überteuert". Insider mutmaßen indes, dass die SAP-Verantwortlichen mit dem relativ hohen Gebot möglichen Konkurrenten, die einen Bieterstreit hätten anzetteln können, von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen wollten.

Experten spekulieren bereits darüber, dass ein anderes IT-Schwergewicht SAP noch einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Mögliche Kandidaten wären Hewlett-Packard und Erzrivale Oracle. HP hat erst kürzlich mit der Übernahme von Palm seine Ambitionen im Mobility-Sektor unterstrichen und muss aus Sicht vieler Analysten dringend etwas gegen seine Schwäche im Softwarebereich unternehmen, um sich gegen Konkurrenten wie IBM behaupten zu können. Big Blue konzentriert sich wegen der attraktiven Gewinnmargen schon seit Jahren verstärkt auf das Software-Business. Mit Barreserven von über zwölf Milliarden Dollar verfügt der US-Konzern außerdem über die notwendigen finanziellen Mittel für weitere großvolumige Übernahmen.

Oracle könnte sich indes als Spielverderber positionieren. Unternehmenschef Lawrence Ellison ließ in der Vergangenheit kaum eine Gelegenheit ungenutzt, um dem ungeliebten Wettbewerber Knüppel zwischen die Beine zu werfen. So grätschte der Datenbank-Primus den deutschen 2005 bei dem Versuch dazwischen, Retek zu übernehmen, einen Spezialisten für Business-Applikationen für den Handel. Im darauf folgenden Bieterwettstreit zog SAP den Kürzeren. Man müsse seinen Aktionären gegenüber verantwortungsbewusst handeln und könne ihnen keinen Preiskampf zumuten, begründete der damalige SAP-Chef Henning Kagermann den Rückzug.

Das Objekt der Begierde

Wer ist Sybase?

Sybase wurde im Jahr 1984 unter dem Namen Systemware gegründet. Ende der neunziger Jahre geriet der auf Datenbanken spezialisierte Softwarehersteller in Schwierigkeiten. Andere Anbieter wie Oracle, IBM und Microsoft bereinigten den Markt und zogen davon. Nachdem viele Experten den Softwareanbieter schon abgeschrieben hatten, schaffte er ein Comeback in neuen Geschäftsbereichen wie Business Intelligence und mobilen Infrastrukturplattformen. Im Geschäftsjahr 2009 erwirtschaftete Sybase einen Umsatz von knapp 1,2 Milliarden Dollar sowie einen Profit von etwa 164 Millionen Dollar.

Allerdings hinterließen der scharfe Wettbewerb und die Wirtschaftskrise zuletzt auch bei Sybase Spuren. Die Verantwortlichen hatten in ihrem jüngsten Jahresbericht durchklingen lassen, dass die Lizenzeinnahmen zurückgehen könnten, sollte es nicht gelingen, die Beziehungen zu Partnern verbessern. Partnerschaften mit Applikationsanbietern sei der einzige Weg für Sybase gewesen, sich im Wettbewerb behaupten zu können, sagt Forrester-Analyst Stefan Ried. Die Übernahme durch SAP sei eine logische Folge dieser Strategie gewesen.

SAPs Übernahmestrategie der vergangenen Jahre war vor allem von kleineren Akquisitionen geprägt, die das eigene Softwareportfolio in erster Linie technisch ergänzen sollten. Einziger Mega-Deal war der Kauf von Business Objects. Co-CEO Hageman Snabe versicherte auf der Sapphire, es gehe SAP nicht darum, Marktanteile zu kaufen. Die Übernahmen von Business Objects und Sybase dienten in erster Linie dazu, die Produkte von SAP weiter voranzubringen.

SAP hat laut dem Finanzdienstleister Thomson Reuters in den zurückliegenden 17 Jahren lediglich 13,4 Milliarden Dollar für Firmenzukäufe ausgegeben. Konkurrent Oracle dagegen wandte allein in der vergangenen Dekade über 42 Milliarden Dollar für Übernahmen auf und schluckte mehr als 60 Unternehmen, darunter IT-Größen wie Peoplesoft, Siebel, Bea Systems und zuletzt Sun Microsystems.

IBM-Chef Samuel Palmisano erklärte erst vor wenigen Tagen anlässlich eines Analystentreffens in New York, er habe seit seinem Amtsantritt im Jahr 2002 etwa 20 Milliarden Dollar für Akquisitionen ausgegeben. Die gleiche Summe will Big Blue in den kommenden fünf Jahren noch einmal in weitere Firmenzukäufe investieren, kündigte der Konzernchef an.

Die Produkte

Um zu wachsen, muss SAP das enge Terrain der Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP) verlassen und allgemein auf Business-Software setzen. Mit der Übernahme von Sybase geht die Ausweitung des Softwareportfolios einen Schritt weiter. Der US-Hersteller bringt verschiedene Produkte mit in die Ehe, darunter ein Datenbanksystem, eine Plattform für mobile Infrastrukturen, Werkzeuge für Real-time-Analysen sowie verschiedene Entwicklungs-Tools.

Obwohl Sybase im abgelaufenen Geschäftsjahr den Löwenanteil seines Umsatzes von rund 1,2 Milliarden Dollar im angestammten Datenbankgeschäft erwirtschaftet hat, dürfte diese Sparte nicht im Blickpunkt der Kaufüberlegungen seitens der SAP-Verantwortlichen gestanden haben. Dazu ist der Marktanteil von Sybase in diesem Geschäft zu klein. Gerade einmal 3,1 Prozent des weltweiten Datenbankmarktes konnte das Unternehmen Gartner zufolge im vergangenen Jahr auf sich vereinen. Damit rangiert Sybase abgeschlagen auf Platz vier. Den Markt teilen sich die anderen Branchengrößen: Oracle liegt mit 42,5 Prozent, gefolgt von IBM mit 23,6 Prozent und Microsoft mit 18,6 Prozent.

"Der Marktanteil von Sybase im weltweiten Datenbankgeschäft ist zu klein, um für SAP wirklich interessant zu sein", sagt Holger Kisker, Analyst von Forrester Research. Der überwiegende Anteil der weltweiten SAP-Installationen basiere auf Oracle-Datenbanken. SAP sei außerdem der größte Wiederverkäufer von Oracle-Datenbanken und mache in diesem Umfeld gute Geschäfte. Die SAP-Verantwortlichen würden sich selbst schaden, wenn sie diesen Markt aufs Spiel setzten, lautet Kiskers Urteil.

Darüber hinaus muss SAP noch einige Hausaufgaben erledigen, um die Sybase-Datenbankprodukte ins eigene Portfolio zu integrieren. Aktuell unterstützen SAPs Business-Applikationen die zugekaufte Datenbank nicht. Experten gehen aber davon aus, dass sich das innerhalb der kommenden Monate ändern wird. SAP verringert also mit dieser Übernahme auf Dauer die Abhängigkeit von Oracle und ist künftig in der Lage, seinen Kunden eine Alternative anbieten zu können.

Innerhalb der SAP-Klientel dürfte sich jedoch der Wunsch in Grenzen halten, bereits implementierte, laufende und bewährte Datenbanken zugunsten des Sybase-Produkts abzulösen. Dagegen dürfte SAP die In-Memory-Technik der Adaptive Server Enterprise Platform (ASE) von Sybase gut ins Konzept passen. Der SAP-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzende Hasso Plattner wird nicht müde, In-Memory-Techniken als Paradigmenwechsel für die kommende Generation von Business-Applikationen anzupreisen. Damit könnten Informationen bis zu 10.000 Mal schneller verarbeitet werden, als in bekannten Festplatten-basierten Datenbanksystemen, stellte auch Co-CEO Hageman Snabe in Aussicht. Die SAP-Führung kündigte an, mit Hardware-Partnern wie IBM und HP spezielle In-Memory-Datenbank-Appliances zu arbeiten. Diese seien leistungsfähiger und günstiger als die Highend-Datenbank-Appliances der Konkurrenz, die auf herkömmlichen Techniken basierten.

Sapphire-News

Business ByDesign vor dem großen Auftritt

Der Roll-out der On-demand-Lösung steht auf der Sapphire im Schatten der Sybase-Übernahme.

Eigentlich erwarteten die Besucher der Sapphire, dass der kurz bevorstehende Marktauftritt von SAPs ERP-on-Demand-Lösung "Business ByDesign" das Highlight der Veranstaltung sein würde. Die SAP-Führung kündigte an, das im Software-as-a-Service-Modus (SaaS) angebotene ERP-Paket werde ab Ende Juli 2010 auf den Märkten China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien und USA zu haben sein. Damit geht die On-Demand-Software mit deutlicher Verspätung an den Start. Den ursprünglichen Plänen zufolge sollte die Software im laufenden Jahr bereits bei 10.000 Kunden im Einsatz sein und rund eine Milliarde Euro zum SAP-Umsatz beitragen. Technische Schwierigkeiten beispielsweise hinsichtlich der Performance sowie Fragezeichen hinter dem Geschäftsmodell hatten die Markteinführung seit nunmehr rund zwei Jahren immer wieder verzögert.

Das Produkt sei jetzt aber marktreif, versicherte die SAP-Führung auf der Sapphire. Die Infrastruktur für eine On-Demand-Software müsse passen, sagte Co-CEO Jim Hagemann Snabe. Als Anbieter bekomme man nur eine Chance, die Plattform richtig im Markt zu platzieren. Business ByDesign basiert wie die anderen aktuellen Business-Applikationen von SAP auf der Netweaver-Plattform, die darüber hinaus neue Techniken wie In-Memory-Datenbankfunktionen sowie Funktionen für die Anbindung mobiler Endgeräte beinhaltet.

Was weitere Details zur Markteinführung und die selbst gesteckten Ziele betrifft, hält sich SAP noch bedeckt. Bis dato sind beispielsweise keine Einzelheiten zum Preismodell bekannt. SAP zufolge arbeiten derzeit bereits rund 100 Kunden mit Business byDesign. Der Erfolg der On-Demand-Lösung werde sich nach der Zahl der Kunden bemessen und nicht am Umsatz, gab Hageman Snabe als Maßgabe vor. Wie viele Kunden die Walldorfer in den nächsten Jahren damit gewinnen wollen, verriet der SAP-Manager jedoch nicht. Es sei noch zu früh, um über konkrete Ziele zu sprechen.

Auch die Business-Intelligence-Werkzeuge von Sybase dürften bei den Überlegungen in SAPs Vorstandetage eine wichtige Rolle gespielt haben. Der US-Konzern hatte sich mit der Übernahme von Aleri im Februar dieses Jahres Lösungen für Complex Event Processing (CEP) eingekauft und damit seine Position als Anbieter von Real-time-Analysen gestärkt. Damit adressiert Sybase vor allem Unternehmen aus dem Finanzsektor - ein Industriebereich, in dem SAP bislang kaum Fuß fassen konnte, der für die Walldorfer eigenen Angaben zufolge aber immer interessanter wird wie beispielsweise auch der vor kurzem angekündigte Deal mit der Deutschen Bank belegt.

Neben der In-Memory-Technik und den BI-Tools dürfte auch die mobile Infrastrukturplattform von Sybase das Interesse der Walldorfer geweckt haben. Mit der eigenen "Netweaver Mobile Infrastructure" konnte SAP in der Vergangenheit kaum punkten, berichtet Forrester-Analyst Kisker. Aus diesem Grund hätten die Walldorfer schon frühzeitig Kooperationen mit Spezialisten gesucht, darunter auch Sybase. Seit über einem Jahr arbeiten beide Unternehmen eng zusammen, um SAPs Business-Applikationen zu mobilisieren. Heraus kamen dabei Produkte wie "Sybase Mobile Sales for SAP CRM" und "Sybase Mobile Workflow for SAP Business Suite". Offenbar waren den SAP-Verantwortlichen diese Techniken zu wichtig, um sie der Konkurrenz zu überlassen, mutmaßt der Analyst. Es sei eben etwas anderes, die Technik im eigenen Haus zu haben, als ständig fürchten zu müssen, sie könne einem anderen, SAP nicht gewogenen Anbieter in die Hände.

Darüber hinaus bietet Sybase mit "Sybase Unwired" eine Plattform an, auf deren Basis sich mobile Applikationen entwickeln lassen, die auf verschiedenen mobilen Plattformen ablauffähig sind, beispielsweise dem iPhone, Windows Mobile, Android und Blackberry OS. SAP hat damit Analysten zufolge die Möglichkeit, eine neue Generation von Business Applikationen zu entwickeln, die von vornherein speziell für die Nutzung auf mobilen Endgeräten ausgelegt sind.

Die Strategie

Die neue SAP-Führung aus Jim Hageman Snabe und Bill McDermott, die nach der überraschenden Absetzung von Léo Apotheker im Februar dieses Jahres erst wenige Monate im Amt ist, setzt mit der Akquisition von Sybase gleich zu Beginn eine deutliche Duftmarke im Markt. Die Meinungen unter Analysten und Experten darüber sind allerdings geteilt. Böse Zungen sprechen von blindem Aktionismus. Andere Branchenbeobachter bewerten den Deal als zukunftsweisend und Schritt in die richtige Richtung.

Kritiker werfen SAP vor, mit der Übernahme von Problemen im Kerngeschäft ablenken zu wollen. Zuletzt hatte der Konzern durch die überraschende Erhöhung der Wartungsgebühren viel Vertrauen unter den eigenen Kunden verspielt. Darüber hinaus klagten die SAP-Anwender über immer komplexer werdende Softwaresysteme, die nur noch mit großem Aufwand zu handhaben seien. Dazu kamen in der Ära Apotheker Zerwürfnisse zwischen dem Management und der SAP-Belegschaft, speziell in der Entwicklungsabteilung. All diese Faktoren sorgten im Februar dieses Jahres dafür, dass Apotheker seinen Hut nehmen musste.

Bei all den technischen Visionen, mit denen die neue SAP-Führung an alte Erfolge anknüpfen will, müssen die frisch gebackenen CEOs weiter daran arbeiten, die Fehler der Vergangenheit auszubügeln. Hageman Snabe beteuerte auf der Sapphire, der Konzern habe in den zurückliegenden Monaten gezielt den Kontakt zu den Kunden gesucht und werde dies auch in Zukunft verstärkt tun. Außerdem arbeitet der Konzern mit Hochdruck daran, SAPs Entwicklungsmannschaft neu aufzustellen. Ziel ist es, die Entwickler wieder stärker zu motivieren sowie Ideen und Innovationen schnell in marktreife Produkte umzusetzen.

Doch nicht nur das wird Zeit brauchen. Auch die technischen Innovationen, mit denen SAP den künftigen Geschäftserfolg sichern möchte, fallen nicht vom Himmel. Gerade die oft beschworenen In-Memory-Datenbanken sind - abgesehen von einzelnen Nischenprodukten - noch weit von der Marktreife entfernt. Neben technischen Hausaufgaben müssen die SAP-Verantwortlichen ihren Kunden vor allem erklären, wo die praktischen Business-Vorteile der neuen Technik liegen. Kein Anwenderunternehmen wird seine bewährte Datenbank ausmustern, nur weil SAP eine neue Technik anbietet. Die Walldorfer müssen an dieser Stelle aufpassen, nicht die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit zu begehen. Vor Jahren hatte der ehemalige SAP-Chef Henning Kagermann gebetsmühlenartig versucht, den Anwendern die theoretischen Vorteile von Service-orientierten Architekturen näher zu bringen. Die Kunden bemängelten indes immer wieder, dass es SAP nicht gelinge, den praktischen Business-Nutzen der neuen Softwarearchitektur zu belegen.

Auch im Mobility-Sektor muss SAP noch Hausaufgaben erledigen. Zwar ist der Konzern hier in der Entwicklung ein ganzes Stück weiter und kann bereits konkrete Produkte anbieten. Der Markt bietet aus Sicht von Marktforschern jedoch viel Potenzial. Gartner zufolge wird 2013 die Zahl der weltweit eingesetzten Smartphones und Internet-fähigen Mobiltelefone mit 1,82 Milliarden Geräten die Zahl der global genutzten PCs (1,78 Milliarden Rechner) überflügeln. Mobile Endgeräte seien der neue Desktop, glaubt auch McDermott und verkündete, mit den neuen Techniken würden sich die Spielregeln im gesamten Markt verändern.

Wie der Konzern, der nach der Sybase-Übernahme rund 100.000 Firmennamen auf seiner Kundenliste zählt, in Zukunft eine Milliarde Nutzer erreichen will, ist noch ein Rätsel, zumal Anwender mehr denn je auf die IT-Kosten achten. Kein Unternehmer wird für seine gesamte Belegschaft vollwertige SAP-Lizenzen inklusive nachfolgender Wartungsgebühren einkaufen, wenn das Gros der mobilen SAP-Nutzer nur einzelne, dedizierte Prozessschritte mit der mobilen Anwendung abwickelt. SAP wird daher seine Lizenzmetriken nachbessern und deutlich flexibilisieren müssen, um die Kunden von seinen Visionen zu überzeugen.