Analyse der Palm-Übernahme

HP erkauft sich zweite Chance bei Smartphones

29.04.2010
Hewlett-Packard führt mit seinen Personal Computern und Laptops weltweit den Markt an. Auf dem boomenden Markt der Internet-Handys und Smartphones spielt HP dagegen bislang keine Rolle.
Palm Pre Plus - tolle Tests, schwache Verkäufe.
Palm Pre Plus - tolle Tests, schwache Verkäufe.
Foto: Palm

Das soll sich nach dem Willen von HP-Chef Mark Hurd nun schnell ändern. Für 1,2 Milliarden Dollar (900 Millionen Euro) schnappte sich der kalifornische Computerkonzern den Smartphone-Hersteller Palm. Der kleine Nachbar im Silicon Valley hatte zuletzt mit seinen Internet-Handys Palm Pre und Palm Pixi zwar Bestnoten in etlichen Testberichten erhalten, aber nur enttäuschend wenige Smartphones verkaufen können.

Hewlett-Packard gehört eigentlich zu den Pionieren in der Welt der mobilen Westentaschen-Computer. Mit dem iPaq, der mit der Übernahme von Compaq zu HP kam, setzte HP vor Jahren die Standards. Den Boom der Smartphones, der von Apple mit dem iPhone und RIM mit dem Blackberry ausgelöst wurde, verpasste HP allerdings komplett. Für private Anwender hat HP derzeit überhaupt kein Smartphone im Angebot, für Business-Kunden nur ein iPaq-Internethandy auf der Basis des Microsoft-Systems Windows Mobile.

Mit der Übernahme von Palm durch HP rückt die Palm-Software WebOS in die erste Reihe der Smartphone-Betriebssysteme auf. Dort kämpfen Apple mit dem iPhone und iPad, Google (Android), Nokia (Symbian), RIM (Blackberry OS) und Microsoft (Ende 2010 Windows Phone 7) um die Vorherrschaft. Palm verfügte bislang nicht über die Ressourcen, um die Dominanz dieser Branchengrößen attackieren zu können.

Ob der CES-Slate jetzt noch mit Windows kommt? WebOS könnte viel besser dazu passen...
Ob der CES-Slate jetzt noch mit Windows kommt? WebOS könnte viel besser dazu passen...

Insbesondere Microsoft könnte die Neuausrichtung der Mobilitätsstrategie von HP bald zu spüren bekommen. Microsoft-Chef Steve Ballmer führte noch im Januar auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas einen Prototypen eines neuen Slate-PCs von Hewlett-Packard vor, der als Antwort auf den Tablet-Computer iPad von Apple gedacht war. Nun bezweifeln Experten, dass HP wie geplant im Herbst diesen Slate-PC mit Windows auf den Markt bringen wird - wo doch das WebOS von Palm viel besser für diese Gerätekategorie geeignet sei. "Vermutlich wird HP von Apple und dem iPad die Lektion mitnehmen, dass die Anwender beim Tablet-Computer eine einfachere Oberfläche ohne Fenster dem traditionellen Windows-Schreibtisch vorziehen", schreibt David Morgenstern, Kolumnist beim Onlinedienst "ZDNet".

Neben dem Betriebssystem WebOS fällt HP mit der Palm-Übernahme auch wertvolles Know-how in die Hände, das in 456 Patenten geschützt wurde. Außerdem hat Palm noch 406 Patentanträge laufen, die noch vom US-Patentamt bearbeitet werden. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Patentstreitigkeiten in der Mobilfunkindustrie ist dieses Portfolio nach Einschätzung einiger Fachleute allein 1,4 Milliarden Dollar wert.

Der harte Wettbewerb in der Smartphone-Branche, der sich in diesem Jahr durch neue Versionen des iPhones von Apple und der Windows-Smartphones weiter verschärfen wird, zwingt HP und Palm nun zur Eile. "Die kurzfristige Herausforderung für HP wird sein, das hohe Tempo des Marktes zu überleben", sagt Analyst Michael Gartenberg. "Es bleibt wenig Zeit, um Palm in das HP-Angebot zu integrieren, eine effektive Marketing-Botschaft zu formulieren sowie die Kunden und Entwickler zu überzeugen." (dpa/tc)

Palm - vom Marktführer zum Übernahmekandidaten

Palm durchlebt derzeit nicht seine erste Krise. Und die angekündigte Übernahme durch Hewlett-Packard ist nicht der erste Besitzerwechsel für den Technik-Hersteller aus dem sonnigen Sunnyvale in Kalifornien. Seit der Gründung 1992 hat der Erfinder der digitalen Assistenten einiges durchgemacht.

In ihren Anfangstagen war die Firma ein reiner Software-Lieferant. Palm programmierte digitale Kalender und Adressbücher für ein Gerät namens "Zoomer". Tandy baute den Taschencomputer, Casio vertrieb ihn. Doch die Geräte waren zu klobig, die Technologie zu unausgereift, die Batterieleistung zu gering: Die Kunden griffen nicht zu. Auch Apple versuchte sich damals an einem solchen Gerät. Der "Newton" war aber seiner Zeit voraus und gilt als einer der größten Misserfolge der Firmengeschichte.

Die Palm-Gründer um Jeff Hawkins gaben nicht auf. In Eigenregie entwickelte das Unternehmen einen abgespeckten Taschencomputer. Da das Geld fehlte, um ihn auf den Markt zu bringen, kam es 1995 zur
ersten Übernahme: Das Start-Up wurde Teil des Modemherstellers U.S. Robotics. Der wiederum schloss sich zwei Jahre später mit dem Netzwerkausrüster 3Com zusammen. Die Gründer waren jedoch mit der
Firmenpolitik nicht einverstanden und brachten eine neue Firma an den Start: Handspring.

Den größten Erfolg ihrer Idee verpassten sie: 1996 kam der "Palm Pilot" auf den Markt. Damit gelang es Palm, eine neue Produktgattung zu schaffen: den persönlichen digitalen Assistenten (PDA). Diese
Kleincomputer vereinten Kalender, Adressbuch, Taschenrechner und Notizblock in einem Gerät und passten mühelos in die Anzugtasche. Weitere Pluspunkte: Die "Pilots" für Geschäftsleute ließen sich mit
dem Computer synchronisieren und ganz einfach über den Touchscreen per Stift bedienen.

In den folgenden Jahren dominierte Palm den Markt für PDAs und verdiente prächtig. Im März 2000, mitten im Dotcom-Boom, brachte 3Com die erfolgreiche Tochter an die Börse - Palm wurde wieder unabhängig.
Doch der Börsencrash traf auch den Aktienkurs des Unternehmens: minus 90 Prozent binnen eines Jahres.

2002 begann die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems in einer Tochterfirma, die man ver- und später wieder aufkaufte. Eine weitere Transformation: Um die stärker werdende Konkurrenz auf Distanz zu
halten, übernahm der Technikhersteller Handspring - so kehrten die Palm-Gründer ins Unternehmen zurück.

Doch obwohl Palm sich an PDAs mit eingebautem Telefon versuchte, verpasste der einstige Trendsetter die Entwicklung der multimedialen Alleskönner. Spätestens als Apple Anfang 2007 das iPhone vorstellte,
wurde klar: Die Zukunft gehört nicht den digitalen Assistenten. Palm holte sich im Sommer den Finanzinvestoren Elevation Partners an Bord verschaffte sich Zeit, ein konkurrenzfähiges Produkt zu entwickeln. Dafür engagierte man Jon Rubinstein, den Vater des iPod. Die Ära der PDAs endete.

Anfang 2009 stellte Palm sein aktuellstes Gerät vor, das Palm Pre. Die Fachpresse lobte das Smartphone in den Himmel, die Käufer ließen es in den Regalen liegen. Trotz des Booms schrieb Palm weiter rote Zahlen - und musste sich in die Arme von Hewlett-Packard retten.