KI, IoT und Blockchain

SAP-Beratung wird noch anspruchsvoller

13.03.2019 von Lilian Loke
SAP-Berater sind eine der gesuchtesten Berufsgruppen im IT-Umfeld. Der Grund: Sie sind fachlich hoch spezialisiert, betriebswirtschaftlich erfahren und mit allen Wassern gewaschen. Doch selbst diese Skills könnten in einigen Jahren für die Toppositionen nicht mehr reichen.
  • Mit Industrie 4.0 erweitern sich die hohen Anforderungen an zukünftige SAP-Berater deutlich.
  • Bei SAP-Beratern weicht das Modulwissen zunehmend einem ganzheitlicheren Ansatz.
  • Das klassische SAP-Customizing bietet für jüngere Berater langfristig keine berufliche Basis mehr.

Harald Rodler ist Innovation Manager und Experte für neue Technologien wie Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0. Er arbeitet für Kunden des SAP-Beratungsunternehmen itelligence AG und lotet dort die Möglichkeiten der Digitalisierung aus. Rodler sieht die SAP-Beratung in einem schnellen Wandel: "Mit neuen Technologien wie IoT, künstlicher Intelligenz, Big Data oder Blockchain wandelt sich auch das Berufsbild im SAP-Bereich." Die Innovationsgeschwindigkeit nehme immer schneller zu.

Das neue SAP-Beraterbild umfasst heute das Vorstellungsvermögen, wie sich durch technische Veränderungen auch Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle disruptiv neu denken lassen.
Foto: Profit_Image - shutterstock.com

Das klassische Berufsbild, dessen Kern die Anpassung der SAP-Software an besondere Bedürfnisse und Prozesse der Anwenderunternehmen ist, sowie die traditionellen Fortbildungspfade für SAP-Fachkräfte werden laut Rodler nach und nach zu einem Auslaufmodell werden. Das Erweitern von Modulwissen weicht einem ganzheitlicheren Ansatz. Dieser besteht aus Know-how in neuen Spezialdisziplinen, dem entsprechenden Software- und Hardware-Ökosystem sowie deren Integration in die SAP-Anwendungen.

SAP-Fachkräfte benötigen künftig noch mehr Fachwissen

Kontinuierliche Weiterbildung und viel Eigenverantwortung hatten stets zu den Aufgaben von SAP-Fachkräften gehört. "Doch um diese neuen Herausforderungen zu bewältigen", meint Rodler, "müssen SAP-Spezialisten ein noch höheres Maß an Eigeninitiative, Forschungsdrang und persönlichem Interesse für neue Technologien mitbringen, um sich entsprechendes Wissen anzueignen." Ein breites Fachwissen in diesen neuen Gebieten sei Voraussetzung, um deren Vorteile in die SAP-Welt zu integrieren und dadurch Synergien für Controlling, Business Intelligence, Warenhaltung, Predictive Analytics und Marketing zu schaffen.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung - Stichwort Industrie 4.0 - und angesichts der neuen Technologien erweitern sich also die ohnehin hohen Anforderungen an zukünftige SAP-Berater nochmals deutlich. Der Einsatz dieser Technologien kann erhebliche Produktivitätsgewinne für Unternehmen bedeuten. Doch um den vollen Nutzen aus deren neuen Möglichkeiten zu ziehen, müssen sie mit der betriebswirtschaftlichen Software verknüpft werden. Dafür braucht es einerseits das Spezialwissen der SAP-Fachkräfte. Gleichzeitig ist ein rein auf SAP-Lösungen konzentriertes Know-how noch kein ausreichendes Fundament für die erfolgreiche Umsetzung von Projekten.

Harald Rodler: "Ein rein auf SAP-Lösungen konzentriertes Know-how ist heute kein ausreichendes Fundament für die erfolgreiche Umsetzung von künftigen Projekten."
Foto: Rodler - itelligence AG

"So wird beispielsweise im IoT-Bereich das Wissen unabdingbar, wie man mit Geräten, Sensoren und vernetzten Dingen Geschäftsprozesse grundlegend neu gestalten kann", erklärt Rodler. "Welche Hardware und welche kundenindividuellen Funktionen benötigt das Unternehmen für seine Prozesse? Hier müssen Berater auch bei der Hardware-Entwicklung am Ball bleiben, um das geeignete Szenario für ein SAP-Anwenderunternehmen zu designen und umzusetzen."

IoT: Echtzeit-Tracking und Data Analysis in der Logistik

Dies illustriert der Innovation Manager bei itelligence anhand der neuen Möglichkeiten der Sensorik im Logistikbereich. Man kann Warensendungen heute rund um die Uhr lokalisieren. Doch das ist nicht alles. Die Verfügbarkeit und Auswertung von Daten der Umgebungsparameter wie Vibration, Luftfeuchtigkeit und Geschwindigkeit einer Sendung kann durch die Integration in SAP-Anwendungen verschiedene betriebswirtschaftlich wertvolle Erkenntnisse bis hin zur Predictive Analysis bereitstellen. Komplexe Auswertungen in Bruchteilen von Sekunden und auf Basis von Echtzeitdaten bieten völlig neue Einblicke und Möglichkeiten der Prozessoptimierung.

Stellt das Echtzeit-Tracking anhand der Vibration beispielsweise einen Sturz der Warensendung fest, kann eine automatische Nachricht an die zuständige Abteilung gesendet werden. Dies ermöglicht ein direktes Eingreifen: Man kann etwa den Empfänger über eine mögliche Beschädigung der Ware informieren oder gleich eine Ersatzsendung losschicken. Zudem können diese Events zur rechtssicheren Nachweisbarkeit als unveränderlicher Eintrag in einer Blockchain festgeschrieben werden. Durch die Verknüpfung dieser Daten aus dem SAP-System können weitere Maßnahmen getroffen werden, beispielsweise eine Anpassung der Versicherungspolicen auf Basis von KI.

"Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und das macht es nicht einfacher, sondern schwerer", erklärt Rodler. Wichtig für SAP-Berater sei hierbei die Fähigkeit, Kundenanforderungen genau zu verstehen und dafür die richtige Hardware zu wählen oder zu spezifizieren. Beim Echtzeit-Tracking in der Logistik stellt sich etwa die Frage nach der benötigten Ortungsgenauigkeit.

Benötigt der Anwendungsfall eine möglichst genaue Ortung innerhalb eines Radius von nur wenigen Zentimetern? Oder genügen einige Meter? Besteht die Notwendigkeit einer lückenlosen, weltweiten Ortung? Welche geeigneten Datenübertragungsformen existieren hierfür? SAP-Consultants müssen die passende Hardware auswählen können, mit dem Anbieter sprechen und dem Anwenderunternehmen eine Empfehlung geben.

Stimmen zur IoT-Studie 2019
Siegfried Wagner, Managing Director bei in-integrierte informationssysteme
„Eine gehypte Technologie erweckt häufig bei Entscheidern überzogene Erwartungshaltungen, die in der Realität nicht alle erfüllt werden können. Das gilt auch für IoT-Technologie. Am Ende hat nur das Erfolg, wofür diese Technologie auch in der Praxis einen Mehrwert bietet, wie etwa durch Kosteneinsparungen, Risikominimierung und zusätzliche Einnahmequellen durch neue Services oder attraktive Businessmodelle. Unternehmensintern lassen sich IoT-Effekte in der Regel schneller realisieren, etwa bei Optimierungen in der Supply Chain, in der Produktion, beim Energieverbrauch und bei der Qualitätssicherung. Das bietet sich auch an, um sich mit dem Thema vertraut zu machen. Wesentlich anspruchsvoller ist der externe nutzbringende Einsatz in eigenen Produkten und Services. Je nach Art der Produkte ist es weder technisch möglich noch zielführend, von diesen Daten einzusammeln, wenn sich daraus keine Mehrwerte generieren lassen. IoT-Projekte erfordern in der Regel nicht nur technische Veränderungen. Um damit wertschöpfend und nachhaltig finanziell erfolgreich zu sein, müssen Firmen auch neue Geschäftsmodelle und dazu passende interne Prozesse konzipieren und umsetzen. Auch an den Vertrieb werden wesentlich höhere Anforderungen gestellt, wenn statt eines Produkts nun ein Service verkauft werden soll. Der Vertrieb muss dazu die Prozesse des Kunden verstehen und ihm den Nutzen klar machen. Hinzu kommt, dass gerade im kommerziellen Bereich Mietmodelle und eine kontinuierliche Datenanbindung an den Servicelieferanten von den Nutzern noch nicht akzeptiert werden. Das wird sich aber nach und nach ändern.“
Dr. Myriam Jahn, Geschäftsführerin Q-loud, ein Unternehmen der QSC AG
„Beim Thema Internet of Things haben zahlreiche Unternehmen erst einmal die Quick Wins realisiert, mit denen sich schnelle Erfolge und ein schneller Return on Invest eingestellt haben. Jetzt geht es an die komplexeren Themen, an das Überdenken bestehender und Entwickeln neuer Geschäftsmodelle. Hierbei greifen die Unternehmen tief in ihre eigene Organisation ein. Und es gilt, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen: Services wie Künstliche Intelligenz oder Predictive Maintenance sind in der Cloud beheimatet. Die Lösungen und die Produkte, die im IoT den Mehrwert der Geräte und Maschinen ausmachen, werden also virtuell. Das ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel - auch in der internen Organisation der Unternehmen. Technisch sind eigentlich alle Komponenten vorhanden, um erfolgreiche IoT-Produkte und -Lösungen anbieten zu können. Sowohl IT-seitig als auch bei den Übertragungstechnologien können wir mittlerweile aus dem Vollen schöpfen. Die größte Herausforderung ist es jetzt, diese Technologien richtig zu wählen, einzusetzen und die Organisation auf sie abzustimmen. „Die organisatorische Herausforderung ist daher die wesentlich größere: Mit der Vernetzung werden Geräte und Maschinen intelligent. Die Alleinstellungskriterien der Produkte sind damit nicht nur haptisch, sondern auch virtuell. Ob Kunden dann diese Produkte erwerben, hängt von bislang nicht dagewesenen Faktoren ab. Und das bedeutet auf allen Ebenen des Herstellers einen tiefgreifenden organisatorischen Wandel, der sich von der Entwicklung bis hin zur Vermarktung und den finanztechnischen Prozessen zieht.“
Marten Schirge, Vice President of Sales bei Device Insight
„Viele Unternehmen setzen den Fokus bei IoT-Projekten auf kurzfristige Erfolge. Neue Geschäftsmodelle wie ´Pay-per-Use´ erfordern häufig Change Management im Unternehmen, das ist langwierig und kostenintensiv. Unternehmen profitieren durch die Digitalisierung bestehender Geschäftsprozesse und das IoT vor allem von der gesteigerten Effizienz, von der Erschließung neuer Kundenpotenziale durch neue und bessere Serviceangebote und von höherer Endkunden-Zufriedenheit. Außerdem erhalten Unternehmen einen direkten Kontakt zu ihrem Kunden. Das IoT ebnet den Weg von der analogen zur digitalen Welt: Vom Maschinenhersteller zum Anbieter digitaler Services. Die Erfolgsquote leidet, da IoT-Projekte häufig von Fachabteilungen direkt umgesetzt werden, ohne vorher das Know-How von Partnern zu integrieren. Das führt oft zu Unsicherheiten und zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Zudem führt eine fehlende zentrale IoT-Strategie häufig dazu, dass Fachbereiche Insellösungen aufsetzen und diese wiederum nicht immer zum übergreifenden Unternehmenserfolg beitragen.“
Jürgen Pollich, Head of Business IoT/M2M bei Telefónica in Deutschland
„Das Internet of Things ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein fortlaufender Prozess. Letztlich unterschätzen viele Firmen die Abhängigkeiten und Einflussfaktoren auf den Erfolg eines IoT Projektes. Das kann schnell zu Verzögerungen führen. Hier ist es wichtig, mit Partnern zusammenzuarbeiten die bereits Erfahrungen in IoT-Projekten gesammelt haben. Wir bei Telefónica bieten die notwendige Unterstützung an und haben bereits weltweit viele Projekte begleitet. Um bestehende Wettbewerbsvorteile zu sichern oder zukünftige zu erschließen, ist es wichtig, dass sich Unternehmen früh mit IoT in ihrem spezifischen Setup auseinandersetzen. Denn die dabei gesammelten Erfahrungen, die stark mit den eigenen Unternehmensabläufen und dem eigenen Personal verknüpft sind, lassen sich nicht einfach zukaufen. Mit Blick auf Wettbewerbsvorteile bedeutet dies, dass ein Unternehmen, welches durch einen Konkurrenten, der IoT beispielsweise erfolgreich zur Effizienz-Steigerung einsetzt, in einen nachteilige Position gerät, nicht unmittelbar und durch den Zukauf eines Tools entsprechend nachziehen kann. Aus meiner Sicht ist daher die frühzeitige aktive und fokussierte Auseinandersetzung mit dem Internet of Things für Firmen alternativlos.“
Jan Rodig, CEO / Managing Partner, tresmo GmbH
„Prozessoptimierungen und Effizienz-getriebene IoT-Projekte sind wichtig. Sie haben den Charme, dass sich ihr ROI in der Regel vergleichsweise einfach kalkulieren lässt. Bei smarten Produkten und IoT-Geschäftsmodellen sind die Business Cases oft vager, dennoch entscheiden diese Projekte aus meiner Sicht die Zukunft der deutschen Volkswirtschaft. Da sollte noch deutlich mehr passieren! Die stark steigende Anzahl von IoT-Projekten deckt sich absolut mit dem, was wir am Markt sehen. Beim Projekterfolg muss man vorsichtig sein - einerseits wurden bereits `Low-hanging fruits´ geerntet, andererseits experimentieren viele Firmen auch zunehmend und probieren auch mal was aus. Das würde ich nicht überbewerten.“
Christian Förg, VP Sales Industries EUNO, Alcatel-Lucent Enterprise
„Der übergeordnete Business Treiber bleibt die Transformation der Unternehmen hin zu Digital Business. Hierbei spielen wiederum sichere ‚IoT-enabling infrastructure‘ sowie Big Data Analytics eine herausragende Rolle.“

"Die Vernetzung der Dinge ist keine Worthülse. Es geht darum, dass wir Daten beschaffen, um noch genauer planen oder vorhersagen zu können", so Rodler. Jede Dateninformation sei wie ein Pixel in einem Bild. "Je mehr Bildpunkte wir sammeln, desto genauer wird schließlich das Bild. Hierfür ist eine Integration unterschiedlichster Daten und Systeme in ein übergeordnetes Framework notwendig." Als weiteres Beispiel führt er die Schwingungsdaten einer Produktionsmaschine an: "Durch Big Data Analytics können Informationen in einen Kontext gesetzt werden. Was fertigt diese Maschine gerade? Unter welchen Umständen fällt eine solche Maschine häufig aus oder produziert Ausschuss?"

Wandel in der SAP-Beratung

Das neue SAP-Beraterbild umfasst damit heute das Vorstellungsvermögen, wie sich durch technische Veränderungen auch Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle disruptiv neu denken lassen. "SAP-Berater müssen das Silodenken aufbrechen, um die Daten in die SAP Cloud Plattform und somit in neue Lösungen und Technologien einzubinden. Hier sind Freigeister gefragt, die Kreativität mitbringen und neue Wege beschreiten", erläutert Rodler.

Statt monolithischer, unbeweglicher Systeme benötigen Unternehmen heute agile und integrationsfähige Dateninfrastrukturen, Cloud-Anwendungen oder On-Premises-Lösungen, die sich kontinuierlich verbessern und weiterentwickeln. Für den IoT-Experten ist klar, dass klassisches SAP-Customizing für jüngere Berater langfristig keine berufliche Basis mehr bietet. Sie sollten daher wachsam beobachten, welche neuen Technologien relevante Daten für das Geschäft generieren und erfassen können und wie sich dadurch Prozesse optimieren und vereinfachen lassen. "Offenheit für Neues und lebenslanges Lernen - das ist das Erfolgsrezept."