Finanzkrise

Outsourcing in Krisenzeiten

10.11.2008 von Sabine Prehl
Die großen Auslagerungen werden verschoben. Gefragt sind jetzt kleine Projekte, die schnell Einsparungen bringen.
Vor allem Nachverhandlungen und die Reduzierung der externen Partner liegen derzeit im Trend.
Foto: Forrester Research

Bereits im zweiten Quartal dieses Jahres hatten 43 Prozent der Unternehmen in Europa ihre IT-Budgets für das kommende Geschäftsjahr gekürzt. Inzwischen sind es wahrscheinlich noch mehr. Dass sich der Bankencrash und die erwartete Rezession auch auf das IT-Servicegeschäft auswirken werden, steht außer Frage. Langfristige Vertragsbindungen passen nicht in unsichere Zeiten. Dementsprechend wurden bereits zahlreiche Outsourcing-Verträge, deren Abschluss ursprünglich für das dritte oder vierte Quartal geplant war, auf das kommende Jahr verschoben. "Die Anwender brauchen Zeit, um zu verstehen, welche Folgen die derzeitige Entwicklung für ihr Unternehmen und ihre Branche hat", beschreibt Pascal Matzke, Analyst bei Forrester Research. Dass ein geplanter Deal wegen der Krise geplatzt sei, habe er allerdings noch nicht erlebt.

Traditionell verhält sich das Outsourcing-Geschäft antizyklisch zur Gesamtwirtschaft: In schlechten Zeiten profitieren die Anbieter vom Zwang der Anwender, schnell Kosten einzusparen. Dementsprechend ambivalent ist die Lage derzeit: Einer aktuellen Umfrage der Sourcing-Beratung Equaterra zufolge verzeichnen durchschnittlich 40 Prozent der Outsourcing-Anbieter weltweit eine steigende Nachfrage nach ihren Services. 38 Prozent gaben dagegen an, dass viele der geplanten Projekte verschoben worden seien.

Kostensenkung rückt in den Fokus

Noch gehört Offshoring nicht zum Standardrepertoire. Doch viele Firmen werden diesbezügliche Aktivitäten starten beziehungsweise ausbauen.

Die Experten von Equaterra wie auch von Forrester gehen aber davon aus, dass die meisten Unternehmen nach den ersten Monaten der Unsicherheit verstärkt in externe IT-Services im IT-Infrastruktur- und Applikationsbereich investieren werden, um ihre Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern. Das gilt vor allem für Projekte, die auf standardisierten Services basieren und eine schnelle Rentabilität versprechen. Langfristige Vorhaben, die auf eine Verbesserung der Geschäftsprozesse abzielen, sind dagegen in der aktuellen Situation weniger gefragt.

Vor allem das Geschäft mit Anwendungsservices soll in den nächsten Jahren kräftig zulegen. Dabei steigt die Nachfrage nach standardisierten Angeboten, die sich flexibel beziehen lassen - etwa Managed Services und On-Demand-Offerings wie Software as a Service (SaaS). Laut Forrester haben 66 Prozent der Unternehmen in Europa mindestens eine SaaS-Lösung im Einsatz. Bei 28 Prozent sind es bereits vier solche Anwendungen oder mehr.

On-Demand-Modelle im Trend

Auch wenn es noch einige ungeklärte Fragen gibt - vor allem was kundenindividuelle Anpassung, Integration und IT-Sicherheit betrifft: Dank der niedrigen Kosten, der Flexibilität und der geringen Risiken und nicht zuletzt steigender Bandbreiten wird die Nachfrage nach SaaS-Lösungen weiter steigen, ist Christine Ferrusi Ross, Research Director bei Forrester, überzeugt. "Insgesamt wird der Anteil der extern erbrachten Leistungen an der IT immer weiter zunehmen. Und davon profitieren besonders Anbieter von Subscription-Modellen, die sich schnell einsetzen lassen und weniger internes Personal erfordern als der Eigenbetrieb." SaaS sei aber erst der Anfang: "Mit neuen Cloud-Computing-Modellen wie Infrastructure as a Service, Components as a Service oder Platforms as a Service verschwimmen die Grenzen zwischen Produkten und Dienstleistungen zusehends."

Finanzierungsangebote sind gefragt

Dass flexible Modelle, die dem Anwender mehr Kontrolle über die Kosten erlauben, in unsicheren Zeiten besonders gefragt sind, zeigt auch die Tendenz zu Finanzierungsangeboten, wie sie bislang nur im Hardwarebereich üblich waren. IBM will seine Leasing-Angebote jetzt um Softwarelizenzen erweitern. "Das könnte sich für die Kunden auszahlen - schließlich entfallen rund 30 Prozent eines Integrationsprojekts auf die Lizenzkosten", argumentiert Matzke. Bislang bieten neben IBM zwar nur HP und Siemens Leasing-Modelle für Applikationen an. Der Analyst geht aber davon aus, dass schon bald weitere Anbieter auf diesen Zug aufspringen werden.

Auf der anderen Seite verschärft sich vor dem Hintergrund der Krise die Marktkonsolidierung. Immer mehr Provider werden im kommenden Jahr Insolvenz anmelden oder von anderen Anbietern übernommen werden. Die Anwender treibt daher derzeit auch die Frage um, ob ihr Dienstleister die finanzielle Stabilität hat, um mittelfristig zu überleben. Und das ist nicht immer leicht zu beantworten, räumt Andrew Parker, Research Director bei Forrester, ein: "Viele Anbieter sind sehr zurückhaltend, was Angaben zu ihrer wirtschaftlichen Situation betrifft."

Weniger Provider - weniger Steuerungsaufwand

Auch durch die anhaltende Neigung der Unternehmen, die Zahl ihrer Provider zu reduzieren, um den Steuerungsaufwand zu verringern, schreitet die Konsolidierung voran. "Das Thema Kostensenkung rückt wieder in den Fokus, und damit kehren viele Outsourcing-Anwender zur Zusammenarbeit mit nur einem Provider zurück", beobachtet Martyn Hart, Chairman der britischen National Outsourcing Association (NOA). "Denn Anbieterauswahl, Due Diligence und Management werden dadurch wesentlich kostengünstiger." Verbreitet ist zudem das Modell, einen so genannten Aggregator zu beauftragen, der die anderen Dienstleister verwaltet und den Auftraggeber damit von dieser Aufgabe entlastet.

Strategische Partner entlasten den Anwender

Allerdings befreit ein strategischer Partner den Anwender nicht von seiner Verantwortung für das Erreichen der Outsourcing-Ziele, warnt Filippo Passerini, CIO & Global Services Officer bei Procter & Gamble. Der Konsumgüterkonzern konnte mit Hilfe von diversen Partnern seine externen Services konsolidieren und die Kosten auf diese Weise kräftig senken, musste dabei aber auch einiges dazulernen: "Wir dachten anfangs, wenn wir einen großen Provider haben, der die anderen steuert, dann klappt das schon. Aber das war ein Irrtum." Insbesondere der erhoffte Innovationsbeitrag sei so nicht zu realisieren gewesen: "Dieser Anspruch lässt sich nur verwirklichen, wenn der Auftraggeber das Zepter in der Hand behält", so der CIO. Er müsse definieren, welche Art von Business-Mehrwert er sich vorstelle, und dem Provider die dafür relevanten Maßnahmen nennen. "Auch wenn der Provider sehr innovativ ist - bis er zu Innovationen beim Kunden beiträgt, ist es ein langer und steiniger Weg."

Viele Deals werden nachverhandelt

Für solche Aspekte bleibt derzeit allerdings wenig Raum. Momentan versuchen die Unternehmen vor allem, die bestehenden Verträge mit ihren externen Dienstleistern nachzuverhandeln: Laut Forrester wollen 33 Prozent von 258 Großunternehmen in Europa und den USA die Preise für extern erbrachte IT-Services auf jeden Fall drücken. Weitere 40 Prozent halten diesen Versuch für wahrscheinlich (siehe Grafik "Beliebte Sparmaßnahmen"). Speziell bei Outsourcing- und Systemintegrationsprojekten sind Nachverhandlungen derzeit verbreitet, beobachtet Analyst Matzke. Um die gewünschten Nachlässe zu erreichen, müssen die Kunden solche Gespräche allerdings gut vorbereiten, weiß Leandro Balbinot, Director Global Technology Operations & Vendor Management bei Inbev, aus Erfahrung. Die Großbrauerei hatte nicht erst anlässlich der Finanzkrise, sondern wegen der seit geraumer Zeit sinkenden Umsätze in Europa damit begonnen, die Verträge mit ihren externen Dienstleistern zu überarbeiten.

Diplomatisches Geschick gefragt

Damit die Beziehungen zwischen beiden Seiten keinen Schaden nehmen, empfiehlt Balbinot, keine Rabatte ohne Ankündigung zu fordern. "Man muss den Provider darauf vorbereiten und ihm die Gründe für die Forderung so darlegen, dass er sie nachvollziehen kann, sonst gibt es böses Blut." Auch ein Vergleich des bestehenden Vertrags mit Best Practices sei sinnvoll. "Und wenn schließlich ein akzeptables Angebot vorliegt, signalisieren Sie dem Dienstleister, dass auch er davon profitieren kann - etwa in Form von Anreizen, die er im Falle steigender Kundenumsätze erhält, oder durch eine Beteiligung an Einsparungen, die im Zuge von Prozessverbesserungen erreicht wurden", so Balbinot. "Natürlich würden wir diese lieber in vollem Umfang einbehalten, aber auf längere Sicht bietet eine gute Provider-Beziehung mehr Vorteile."

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