Cape to Cape Challenge 2014

Mit Big Data zum Connected Car der Zukunft

10.03.2015 von Christoph Kielmann und Jürgen  Dettling
IT-Anbieter HP und Automobil-Zulieferer IAV haben im Rahmen einer Rekordversuchsfahrt eine groß angelegte Big-Data-Analyse betrieben, um das Auto der Zukunft zu realisieren.
  • Rennfahrer Rainer Zietlow und Beifahrer bewältigen mit einem vernetzten VW Touareg 19.000 Kilometer vom Nordkap zur Südspitze Afrikas.
  • Die gesammelten Daten werden über die HP Helion Cloud analysiert.
  • Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung des "Connected Car" für die Zukunft.

Kraftfahrzeuge werden immer intelligenter - Stichwort "Connected Car". Ziel dieser Entwicklung ist nicht nur mehr Fahrkomfort, sondern vor allem eine Verbesserung der Verkehrssicherheit und der -steuerung. Im Rahmen der Rekordversuchsfahrt "Cape to Cape Challenge 2014" sind letzten Herbst umfassende Datenbestände angefallen. Deren Auswertung zeigt die Richtung auf, in die sich die Verschmelzung von Fahrzeug und IT bewegen sollte. Die Einsatzfälle reichen von neuen Versicherungsmodellen über das optimierte Flottenmanagement und eine effizientere Straßeninstandhaltung bis zur sogenannten "Smart City".

Unterwegs auf der Cape to Cape Challenge 2014. Über 19.000 Kilometer legten Rainer Zietlow und sein Team in diesem VW Touareg zurück.
Foto: Volkswagen AG

Moderne PKW und LKW sind kleine Rechenzentren auf Rädern. Laufend werten Computer das Fahrzeugverhalten aus, um den Betrieb zu verbessern und den Fahrer zu unterstützen. So warnt die Bordelektronik, wenn der Reifendruck vom Sollwert abweicht; das Navigationssystem ändert selbsttätig die Route, wenn ein Stau die Reise zu sehr verzögern würde; das Kommunikationssystem importiert automatisch neue Kontakte vom Smartphone des Fahrers, damit sie am Lenkrad per Knopfdruck zur Verfügung stehen; eine Müdigkeitserkennung rät bei Abweichungen vom normalen Fahrverhalten zur Erholunspause; und Assistenzsysteme nehmen dem Fahrer immer mehr lästige Aufgaben ab, vom Vermeiden des Über- oder Untersteuerns auf nasser Piste über das Spurhalten auf der Autobahn bis hin zum selbsttätigen Einparken am Straßenrand und im Parkhaus.

Das vernetzte Fahrzeug kommt

Viele dieser Funktionen erschienen noch vor zwanzig Jahren als Science Fiction - noch viel mehr wird in weiteren zehn oder zwanzig Jahren möglich und zumindest in den höherwertigen Fahrzeugen sogar Standard sein. Man denke nur an die Entwicklungen rund um das "Connected Car" (also das ständig mit dem Internet verbundenen Fahrzeugs) oder das "Internet der Dinge" (bei dem intelligente Maschinen und Geräte sich selbsttätig untereinander abstimmen, ohne das Eingreifen eines Benutzers zu erfordern).

Voll vernetzt: mit diesem Analyse-System war der VW Touareg bei der HP Cape to Cape Challenge 2014 ausgestattet.
Foto: Hewlett-Packard

Um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen, wie sich ein solches Connected Car optimal für intelligente Verkehrskonzepte heranziehen lässt, haben der IT-Anbieter HP und der Automotive-Engineering-Spezialist IAV die "Cape to Cape Challenge 2014" des bekannten Rekordjägers Rainer Zietlow unterstützt. HP brachte seine Erfahrungen rund um moderne IT-Systeme, Cloud-Services und die schnelle Auswertung umfassender, komplexer Datenbestände (Big-Data-Analyse) ein, IAV Expertise rund um Bordelektronik und Fahrzeugsensorik.

Zwar konnte Rainer Zietlows Team den gesteckten Zeitrahmen, vom Nordkap in Norwegen aus das 19.000 Kilometer entfernte südafrikanische Kap Aghulas in der Rekordzeit von neun Tagen zu erreichen, aufgrund eines fremdverschuldeten Verkehrsunfalls in Afrika nicht einhalten; dennoch lieferte Zietlows VW Touareg während der Fahrt - und nicht zuletzt durch den Unfall - eine Fülle aufschlussreicher Sensorikdaten. Diese verschafften zusammen mit Informationen wie Wetterdaten etc. nützliche Erkenntnisse für die weitere Entwicklung intelligenter vernetzter Fahrzeuge - aber auch zur begleitenden Social-Media-Kommunikation.

"Leichter" Frontschaden: ein Unfall verhinderte den angestrebten Rekord.
Foto: Volkswagen AG

Cape to Cape Challenge 2014

Rainer Zietlow und seine beiden Beifahrer haben sich Ende September aufgemacht, um im Rahmen der Cape to Cape Challenge 2014 die 19.000 Kilometer von norwegischen Nordkap zum Kap Agulhas, dem südlichsten Punkt Afrikas, in nur neun Tagen zu bewältigen. Für den Rekordversuch nutzte Zietlow einen VW Touareg V6 TDI Clean Diesel mit 224 PS (165 kW) - ein serienmäßig motorisiertes Fahrzeug, allerdings mit modifiziertem Fahrwerk und Überrollkäfig sowie umfangreicher Spezial-IT an Bord: Neben der Touareg-üblichen Bordelektronik gaben diverse zusätzliche Sensoren Aufschluss über Fahrzeugverhalten und Straßenqualität, eine Frontkamera schoss regelmäßig Fotos von den Straßenverhältnissen, und Navigationssoftware sorgte für die Orientierung. Interessierte konnten die Fahrt mittels einer von HP speziell für die Cape to Cape Challenge entwickelten App live mitverfolgen. Für seine Fans veröffentlichte Zietlows Team neben regelmäßigen Informationen auf Facebook, Twitter und Instagram auch täglich aktuelle Bilddateien.

Auswertung des Fahrzeugverhaltens

Rainer Zietlows VW Touareg protokollierte während der Cape to Cape Challenge ganze 70 Signale zum Fahrstil: Wie wurde Gas gegeben, wie gebremst, wie in die Kurve gefahren? Welche Lenkkorrekturen gab es in der Kurve? Wann und wie häufig mussten die Fahrassistenzsysteme eingreifen? Wann und wie häufig wurde der Tempomat genutzt? Insgesamt ergab die Rekordversuchsfahrt einen Bestand von 1,6 Milliarden Datenbankzeilen, die es für HP mittels der Vertica Datenbank auszuwerten galt - und hinzuzurechnen sind hier noch die Bilddateien der Dashboard-Kamera sowie weiterer Input wie Verkehrsinformationen, Wetterdaten, Social-Media-Reaktionen etc.

Die Messwerte zum Fahrverhalten erhielt ein HP-Spezialist in den USA für die Big-Data-Analyse. Dieser konnte anhand der Messdaten erkennen, dass bei der Challenge drei verschiedene Fahrer am Lenkrad gesessen sein mussten - was stimmte: Rainer Zietlow war mit zwei Beifahrern unterwegs gewesen, und die drei hatten sich beim Fahren abgewechselt.

Cluster-Analyse: so unterschieden sich die drei Fahrer in ihrer Fahrweise.
Foto: Volkswagen AG

Ermitteln lassen sich solche Ergebnisse, indem man die zahlreichen Informationen in einem multidimensionalen Modell über die Zeit nach Häufigkeit und/oder Intensität korreliert, um in den strukturierten wie auch unstrukturierten Datenbeständen auffällige Clusterbildungen zu erkennen. Ein Indikator war zum Beispiel die Auswertung der Tempomatnutzung. Hier zeigte sich, dass einer der drei Fahrer den Tempomat gehäuft bei 50-60 km/h einsetzte, der zweite vor allem bei 150-160 km/h, der dritte wiederum bevorzugt bei 120-130-km/h.

Die Big-Data-Analyse belegte: Ja, man kann durch die Auswertung von Fahrzeugdaten unterschiedliche Fahrstile sichtbar machen. Solche Erkenntnisse lassen sich für vielerlei Einsatzfälle heranziehen. So könnte eine Kfz-Versicherung, eine Autovermietung oder der Manager einer Firmenwagenflotte künftig besonders umsichtiges Fahrverhalten belohnen - und dabei zwischen mehreren Nutzern des gleichen Fahrzeugs unterscheiden. Autovermieter zum Beispiel könnten ihren Kunden auf der Basis einer individuellen Fahrtdatenauswertung ("Pay As You Drive") günstigere Tarife anbieten, Versicherer spezielle Rabatte gewähren und Flotteninhaber Bonusprogramme an das gewünschte Fahrverhalten knüpfen, belegt durch diverse Indikatoren wie zum Beispiel die Nutzung der Abstandsautomatik im LKW-Kolonnenverkehr.

Big Data Glossar
Die Begriffe rund um Big Data
Big Data - was ist das eigentlich? Jeder spricht drüber, jeder versteht etwas anderes darunter. Klicken Sie sich durch unser Glossar mit den wichtigsten und meistgenutzten Begriffen (manche sagen auch "Buzzwords") und verstehen Sie, was damit genau gemeint ist. <br /><br /> <em>zusammengestellt von <a href="http://www.kommunikation-in-sendling.com/" target="_blank">Kriemhilde Klippstätter</a>, freie Autorin und Coach (SE) in München</em>
Ad Targeting
Der Versuch, die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden zu gewinnen, meist durch "passgenaue" Werbung.
Algorithmus
Eine in Software gegossene mathematische Formel mit der ein Datensatz analysiert wird.
Analytics
Mit Hilfe von Software-basierenden Algorithmen und statistischen Methoden werden Daten interpretiert. Dazu benötigt man eine analytische Plattform, die aus Software oder Software plus Hardware besteht und die die Werkzeuge und Rechenpower bereitstellt, um unterschiedliche analytische Abfragen durchführen zu können. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Formen und Einsatzzwecke, die in diesem Glossar näher beschrieben sind.
Automatic Identification and Capture (AIDC)
Jede Methode der automatischen Identifizierung und Datensammlung über eine Gegebenheit und die nachfolgende Speicherung in ein Computersystem. Etwa die Informationen aus einem RFID-Chip, die ein Scanner ausliest.
Behavioral Analytics
Behavioral Analytics nutzt Informationen über das menschliche Verhalten, um die Absichten zu verstehen und zukünftiges Verhalten vorhersehen zu können.
Business Intelligence (BI)
Der generelle Ausdruck für die Identifizierung, Herkunft und Analyse der Daten.
Call Detail Record (CDR) Analyse
Diese enthält Daten, die die Telekommunikationsunternehmen über die Nutzung von Mobilfunkgesprächen – etwa Zeitpunkt und Dauer der Gespräche – sammeln.
Cassandra
Ein verteiltes Datenbank-Verwaltungssystem für sehr große strukturierte Datenbanken („NoSQL“-Datenbanksystem) auf Open-Source-Basis (Apache).
Clickstream Analytics
Bezeichnet die Analyse der Web-Aktivitäten eines Benutzers per Auswertung seiner Klicks auf einer Website.
Competitive Monitoring
Tabellen, in denen die Aktivitäten der Konkurrenz im Web automatisch gespeichert werden.
Complex Event Processing (CEP)
Ein Prozess, bei dem alle Aktivitäten in den Systemen einer Organisation überwacht und analysiert werden. Bei Bedarf kann sofort in Echtzeit reagiert werden.
Data Aggregation
Das Sammeln von Daten aus unterschiedlichen Quellen für die Erstellung eines Berichts oder für eine Analyse.
Data Analytics
Ein Stück Software, mit dem Informationen aus einem Datensatz gezogen werden. Das Ergebnis kann ein Report, ein Status oder eine Aktion sein, die automatisch gestartet wird.
Data Architecture and Design
Legt dar, wie Unternehmensdaten strukturiert sind. Meist erfolgt das in drei Prozessschritten: Begriffliche Abbildung der Geschäftseinheiten, logische Abbildung der Beziehungen innerhalb der Geschäftseinheit sowie die physikalische Konstruktion eines Systems, das die Tätigkeiten unterstützt.
Data Exhaust
Die Daten, die eine Person bei ihrer Internet-Aktivität "nebenbei" erzeugt.
Data Virtualization
Der Prozess der Abstraktion verschiedener Datenquellen durch eine einzige Zugriffsschicht auf die Daten.
Distributed Object
Ein Stück Software, das es erlaubt, mit verteilten Objekten auf einem anderen Computer zusammenzuarbeiten.
De-Identification
Das Entfernen aller Daten, die eine Person mit einer bestimmten Information verbindet.
Distributed Processing
Die Ausführung eines Prozesses über verschiedene per Netzwerk verbundene Computer hinweg.
Drill
Apache Drill ist eine Open-Source-SQL-Suchmaschine für Hadoop- und NoSQL-Datenmanagement-Systeme.
Hadoop
Ein freies, in Java geschriebenes Framework der Apache Foundation für skalierbare, verteilt arbeitende Software in einem Cluster. Es basiert auf dem bekannten MapReduce-Algorithmus der Google Inc. sowie auf Vorschlägen des Google-Dateisystems.
HANA
SAPs Software-und Hardware-Plattform mit In-Memory-Computing für Echtzeitanalysen und große Transaktionsvolumen.
In-Database Analytics
In-Database Analytics bezeichnet die Integration der Analysemethoden in die Datenbank. Der Vorteil ist, dass die Daten für die Auswertung nicht bewegt werden müssen.
In-Memory Database
Jedes Datenbanksystem, das den Hauptspeicher für die Datenspeicherung benutzt.
In-Memory Data Grid (IMDG)
Die verteilte Datenspeicherung im Hauptspeicher vieler Server für schnellen Zugriff und bessere Skalierbarkeit.
Machine-generated Data
Alle Daten, die automatisch von einem Rechenprozess, einer Applikation oder einer nicht-menschlichen Quelle erzeugt werden.
Map/reduce
Ein Verfahren, bei dem ein großes Problem in kleinere aufgeteilt und an verschiedene Rechner im Netz oder Cluster oder an ein Grid aus unterschiedlichen Computern an verschiedenen Standorten ("map") zur Bearbeitung verteilt wird. Die Ergebnisse werden dann gesammelt und in einem (reduzierten) Report dargestellt. Google hat sein Verfahren unter der Marke "MapReduce" schützen lassen.
Mashup
Dabei werden unterschiedliche Datensätze innerhalb einer Applikation so kombiniert, dass das Ergebnis verbessert wird.
NoSQL
Datenbanken, die nicht relational aufgebaut sind und mit denen sich große Datenvolumina handhaben lassen. Sie benötigen keine festgelegten Tabellenschemata und skalieren horizontal. Beispielsweise ist Apache Cassandra eine NoSQL.
Operational Data Store (ODS)
Darin werden Daten aus unterschiedlichen Quellen gesammelt damit noch weitere Operationen ausgeführt werden können, bevor die Daten in ein Data Warehouse exportiert werden.
Pattern Recognition
Die Klassifizierung von automatisch erkannten Mustern.
Predictive Analytics
Diese Form der Analytics nutzt statistische Funktionen in einem oder mehreren Datensätzen, um Trends oder zukünftige Ereignisse vorherzusagen.
Recommendation Engine
Per Algorithmus werden die Kundenbestellungen einer Website analysiert und sofort passende Zusatzprodukte ausgesucht und angeboten.
Risk Analysis
Die Anwendung statistischer Methoden auf einen oder mehrere Datensätze, um das Risiko eines Projekts, einer Handlung oder Entscheidung abschätzen zu können.
Sentiment Analysis
Dabei werden Einträge von Leuten in sozialen Netzwerken über ein Produkt oder ein Unternehmen statisch ausgewertet.
Variable Pricing
Dabei folgt der Kaufpreis eines Produkts dem Angebot und der Nachfrage. Das erfordert die Echtzeit-Überwachung von Konsum und Lagerbestand.
Parallel Data Analysis
Ein analytisches Problem wird in Teilaufgaben aufgebrochen und die Algorithmen werden auf jede Problemkomponente zeitgleich und parallel angewendet.
Query Anal
In diesem Prozess wird eine Suchanfrage optimiert, um das bestmögliche Ergebnis zu erhalten.
Reference Data
Daten, die ein physikalisch oder virtuell vorhandenes Objekt und seine Eigenschaften beschreiben.

Stimmungsanalyse in den sozialen Medien

Neben der Analyse fahrzeugbezogener Daten lieferte die Cape to Cape Challenge auch wertvolle Informationen in einem ganz anderen Kontext: Da Zietlows Team seine Fans durch Posts auf Facebook, Twitter und Instagram an der Extremfahrt teilhaben ließ, konnte die Auswertung in der HP Helion Cloud interessante Erkenntnisse zum Social-Media-Umfeld der Fahrt gewinnen. So hatte HP zum Beispiel eine App speziell für die Cape to Cape Challenge entwickelt, die die Nutzer aktuell über die Rekordfahrt informierte und zur Interaktion animierte. Die Analyse ergab, dass HP damit im Vergleich zu anderen Sponsoren der Fahrt beim Social-Media-Publikum den größten Widerhall fand.

Dank Social Media-Einbindung waren Fans und Follower stets über alle Geschehnisse im Bild.
Foto: Volkswagen AG

Während der Fahrt wertete HP laufend die Social-Media-Kommentare zum Fahrtgeschehen aus und leitete positive Reaktionen an die App weiter. Die Stimmungsauswertung (Sentiment Analysis) der Big-Data-Plattform ergab einen Anteil von nur 4,7 Prozent negativer Posts, die es auszufiltern galt. Die Höchstwerte positiver wie auch negativer Kommentare zeigten sich beim Unfall in Afrika: negative Reaktionen vor allem aufgrund des Ausbleibens von Neuigkeiten zum Fortkommen, bis die betreffenden Nutzer bemerkten, dass es einen Unfall gegeben hatte; positives Engagement wiederum vorrangig in Form eines Anfeuerns der Fahrer, um diese angesichts des Rückschlags zu motivieren.

Eine unerwartete Erkenntnis: Seinen Spitzenwert erreichte das Engagement der Social-Media-Nutzer 16 Stunden nach dem Unfall - und dies nicht etwa durch verschiedene Zeitzonen bedingt. So gab die Cape to Cape Challenge mittels Big-Data-Analyse empirischer Daten Aufschluss darüber, wann es für Unternehmen am effektivsten ist, sich nach einem wichtigen Vorfall auf Social-Media-Plattformen zu engagieren.

Analyse der Straßenverhältnisse

Des Weiteren wollte man mittels der Cape to Cape Challenge 2014 auch die Frage klären, ob es möglich ist, die Straßenbeschaffenheit während der Fahrt zu messen und auszuwerten. Dazu sammelten die bordeigenen wie auch zusätzliche Sensoren an Zietlows Touareg Angaben über das straßenbedingte Fahrverhalten, zum Beispiel: Wie stark ist die vertikale Beschleunigung? Wie groß sind die Unterschiede zwischen linkem und rechtem Rad?

Der Touareg erzeugte tausende von Messdaten pro Sekunde - Werte weit jenseits dessen, was heute üblich ist. Die Fahrwerkssensoren feuerten mit 1000/s pro Sensor (also insgesamt 4000/s), andere Sensoren mit 100/s und wiederum andere mit 10/s. Die millisekundengenaue Abtastung ist innerhalb der Steuergeräte schon üblich (z.B. für das ESP). Dass diese Daten aber nach außen gegeben werden, war bislang nur im Erprobungsbetrieb anzutreffen, nicht in Serienfahrzeugen. Sonst wäre der CAN-Bus des Fahrzeugs schnell überlastet.

Auf der 19.000 Kilometer langen Tour gab es jede Menge Daten zu erfassen - auch über den Straßenzustand.
Foto: Hewlett-Packard

Diese enorme Datenmenge in Echtzeit zur Auswertung in die Cloud zu übermitteln, stellte die Bord-IT vor große Herausforderungen - zumal je nach Gegend keine stabile Internetanbindung gegeben war. Wiederholt generierte das Fahrzeug angesichts der Extrembedingungen mehr Daten, als der Uplink zur Cloud verkraften konnte. Die Cape to Cape Challenge zeigte also auf, dass hier noch Entwicklungsbedarf für künftige Connected-Car-Generationen besteht.

Trotz dieser Hindernisse ergab die Big-Data-Analyse der Challenge vier Datencluster. Das heißt, es gelang eine automatische Unterteilung in vier Straßentypen:

Die ermittelten Informationen zu den Straßenverhältnissen - als schlimmste Piste erwies sich die berüchtigte "Road to Hell" in Kenia - ließen sich dank der mitgelieferten GPS-Daten des Fahrzeugs auf eine Landkarte übertragen und farblich codieren. Die Aggregation solcher Sensorikdaten macht damit erkenntlich, an welchen Straßen in einer bestimmten Gegend der größte Reparaturbedarf besteht. Korreliert man dies mit der Häufigkeit, mit der eine Straße genutzt wird, ergibt sich eine empirisch belegbare Prioritätenliste für die zuständigen Behörden.

In Kenia ist der Pflegezustand mancher Straßen durchaus als "lax" zu bezeichnen.
Foto: Volkswagen AG

Zwar hatte man den Touareg für diese Messungen mit zusätzlicher Sensorik ausgestattet, doch handelte es sich bei diesen um handelsübliche Kfz-Sensoren. Derlei Sensoren sind heute bereits in diversen Fahrzeugen der oberen Fahrzeugklassen verbaut, neben dem Touareg zum Beispiel auch im VW Phaeton. Dies eröffnet interessante künftige Szenarien. So könnten zum Beispiel die Oberklassemodelle als "Straßenqualitäts-Scouts" für die übrigen Fahrzeuge eines Herstellers dienen und zum Beispiel Frostschäden am Straßenbelag zeitnah an andere Fahrer melden. Das Navigationssystem oder Bedienungsdisplay selbst günstigerer Automobile könnten dann Warnhinweise ausgeben wie zum Beispiel: "Vorsicht - Fahrbahn enthält Schlaglöcher!" - lange bevor Warnschilder auf diese Gefahren hinweisen.

Schwarmintelligenz und Smart City

Heutige Navigationssysteme sind zwar in der Lage, die geplante Route aufgrund von Stauinformationen kurzfristig zu ändern, aktuelle Daten für höhere Sicherheit oder mehr Fahrkomfort liefern sie aber noch nicht. Wirklich spannend werden die Fragestellungen rund um das Connected Car deshalb, wenn man nicht nur das einzelne Fahrzeug in den Fokus rückt, sondern die echtzeitnahe Kommunikation vernetzter Fahrzeuge einschließlich dynamischer Interaktion im Sinne des "Internets der Dinge". Damit könnten sich künftige Fahrzeuggenerationen durch den stetigen Austausch von Verkehrsinformationen selbsttätig so organisieren, dass mittels Schwarmintelligenz der optimale Verkehrsfluss sowie hohe Verkehrssicherheit gewährleistet sind.

Internet of Things: Zehn interessante Start-ups
AdhereTech
Der intelligente Tablettenbehälter stellt sich, dass Patienten ihre Medikamente nehmen.
Chui
Die Gesichtserkennung mit fortgeschrittener Computertechnologie hilft, Gesichtern einen universellen Schlüssel zuzuteilen. Chui bezeichnet diese Lösung als 'weltweit intelligenteste Türklingel'.
Enlighted
Enlighted entwickelte einen cleveren Sensor, der auf Echtzeit-Daten der Umgebung innerhalb des Gebäudes zurückgreift. Hierbei nutzt das System einen anderen Ansatz als seine Konkurrenten: Der „Enlighted Sensor“ wird an neue oder bereits existierende LED-, CFL- oder HID-Lampen und -Anbauten angebracht und kontrolliert nicht alleine die Lichtabgabe, sondern steuert die Lichtstärke, -temperatur und den Stromverbrauch.
Heapsylon
Die intelligenten Socken sind von textilen Drucksensoren mit dazugehöriger Elektronik durchzogen. Die Sensoren verfolgen dabei nicht nur die Schritte, Geschwindigkeit, Kalorien, Höhenlage, Umgebungstemperatur und Entfernung, sondern auch den Schrittrhythmus, die Abrollbewegung des Fußes, das Zentrum der Balance und die Gewichtsverteilung des Fußes während des Laufens und Rennens.
Humavox
Humavox möchte eine gemeinsame Plattform bieten, die Kabel unnötig macht und Batterien mit der Übertragungsstärke eines USB-Kabels aufladen kann. Der clevere Auflademechanismus initiiert den Ladeprozess mit Hilfe von Radiowellen mit einem sogenannten „Handschlag“ sobald das Gerät in die Aufladestation gestellt wird. Hierbei werden der Batteriestatus und die Aufladekurve verfolgt. Das Aufladen wird sofort beendet, sobald das Gerät vollständig geladen ist.
Neura
Neuras Plattform bietet die Möglichkeit, dass individuelle Geräte miteinander kommunizieren und den Kontext (wo, wann, wer) als auch die Bedeutung und das dazugehörige Verhalten verstehen. Durch Kombination der verschiedenen Datenströme könnten Geräte vorausschauende Tätigkeiten ausführen um individuell zu reagieren. <br /><br /> Ein Beispiel: Nachdem ein Nutzer Zeit in der Küche verbracht hat und das Zuhause verlässt, wird Neura sich vergewissern, dass der Herd/Ofen ausgeschaltet ist. Neura kann ebenso einen Staubsaugerroboter anfordern, nachdem mehrere Personen das Zuhause besucht haben.
PubNub
PubNub setzt auf ein globales Echtzeit-Netzwerk mit 14 Datenzentren. Kunden verbinden ihr Gerät mit PubNub durch einen einzeiligen Code und können daraufhin Daten senden und empfangen – mit einer 0.25-sekündigen Latenzzeit. PubNub ermöglicht zudem Echtzeit-Updates, indem es den Gerätestatus (online/offline, etc.) stets aktualisiert.
Revolv
Revolv vereinheitlicht vernetzte Geräte durch eine einzige, einfache App, die ein Zusammenspiel der intelligenten Heimprodukte ermöglicht. Zudem können im Hinblick auf die tägliche Routine des Nutzers die Geräte mit Hilfe der Zeit, des Ortes und Sensoren automatisiert werden. So zum Beispiel mit der GeoSense-Technologie: Revolv kann automatisch Geräte aktivieren (oder ausschalten), wenn der Nutzer einen vorher definierten Radius im oder um das eigene Zuhause erreicht hat.
TempoIQ
TempoIQ setzt auf einen privaten Cloud-Service, der es dem Nutzer vereinfachen soll, die Analytische Sensorik für die eigenen Produkte oder einen Service einzusetzen. Ein Echtzeit-Monitoring von Sensorendaten sowie Analysegeräte werden zur Verfügung gestellt um die Performance und die Sicherheit zu gewährleisten.
Theatro
Theatro hat ein tragbares WLAN-basiertes System entwickelt, welches zur internen Kommunikation der Mitarbeiter dient und gleichzeitig Zugriff auf Firmeninformationen ermöglicht. Die Mitarbeiter erhalten den Zugriff auf das System durch eine Vielzahl von einfachen Sprachbefehlen, welche ihnen ermöglichen auch während der Kommunikation die Hände frei zu haben – etwa beim Bedienen von Kunden. Zum Beispiel: Während ein Verkäufer den Inventarbestand eines Produktes prüft, sagt er "check inventory SKU23567" und das Theatro-System verbindet ihn direkt mit dem Inventarsystem um ihm den Überblick über den Produktstatus zu verschaffen.

Erfolgt die Interaktion zwischen intelligenten Fahrzeugen eines Tages tatsächlich in Echtzeit, dann sind selbst Szenarien umsetzbar, in denen ein verunfallter Wagen automatisch die nachfolgenden Fahrzeuge warnt: "Vorsicht, Unfall hinter der nächsten Kurve!" - während die noch weiter hinten nahenden Fahrzeuge automatisch auf eine Umgehungsstrecke gelotst werden.

Auch auf kommunaler Ebene lässt sich - Stichwort: "Smart City" - diese Schwarmintelligenz nutzen, um die Verkehrsführung in vielerlei Hinsicht zu optimieren. Dies reicht von der Effizienzkontrolle von Ampelschaltungen einer "grünen Welle" bis hin zur Frage: Wo und wann ist der Straßenverkehr wie zu regulieren, um einen häufig genutzten Schulweg von A nach B möglichst sicher zu gestalten?

Von der Challenge zur Echtzeit-Verkehrsoptimierung

Szenarien wie die Smart City oder sich per Schwarmintelligenz gegenseitig schneller ans Ziel helfende Connected Cars stellen enorm hohe Anforderungen an das Zusammenspiel von IT und Automobil. Die Cape to Cape Challenge 2014 hat gezeigt, wie schwierig es sein kann, die umfangreichen Datenmengen bei mangelhaften Funkverhältnissen echtzeitnah in die Cloud zu übertragen. Umso komplexer ist das Vorhaben, künftig noch viel mehr Sensorikdaten aus dem Fahrzeug abzurufen, in der Cloud zu analysieren und bei Bedarf zu aggregieren, um sie dann ebenso schnell wieder an genau jene Fahrzeuge zurückzuspielen, die diese Informationen gerade benötigen. Konzeptstudien wie jene von HP und IAV im Rahmen der Cape to Cape Challenge 2014 liefern damit wichtige Informationen für die künftige Optimierung des Verkehrsflusses wie auch der Verkehrssicherheit. (fm)

Das vernetzte Auto liegt im Trend
Head-up-Display
Neben den klassischen LCD-Bildschirmen halten im Auto auch Head-up-Displays Einzug, um die Informationen direkt auf die Scheibe zu projizieren.
Auto trifft Internet
Vernetzte Systeme (im Bild Audi connect) haben mittlerweile alle deutschen Premium-Hersteller im Programm.
Audi connect im Detail
Die modernen Telematik-Systeme bieten Streaming-Media-Dienste, Internetzugang und verschiedene Apps an.
Comand online
Mit Internet, Apps und neuem Design wollen Autobauer die Generation des digital Lifestyle ansprechen.
Mobil Surfen
Per eingebautem Browser lässt sich im Auto auch im Internet surfen.
Datenverbindung
Der Zugang zum Internet erfolgt dabei über die Mobilfunknetze.
Comand online
Neben einem Browser warten die Fahrzeugportale mit den verschiedensten Apps auf.
Panoramio auf Rädern
So haben etwa die meisten Systeme Googles Panoramio-Dienst an Bord.
Streetview auf Rädern
Mit Hilfe von Streetview kann sich der Fahrer im Auto die Umgebung seines Reiseziels vorab ansehen.
Suchmaske
Bei der Suche nach lokalen Besonderheiten hilft unterwegs jetzt auch Google Search im Auto.
Jog Wheel
Die Bedienung der Systeme erfolgt in der Regel mithilfe eines Drehknopfs auf der Mittelkonsole.
Minimalism Analyser
Neue Apps wie hier im Mini analysieren und bewerten das Fahrverhalten des Lenkers.
Zugriff aus der Ferne
Vernetzt kann das Auto auch aus der Ferne per Smartphone ver- und entriegelt werden.