In einer aktuellen Studie der COMPUTERWOCHE zu Digital HR kam unlängst ans Licht: Zwischen dem Anspruch, als ein Treiber der Digitalisierung zu wirken, und der Realität klafft in vielen Personalbereichen eine Lücke, die sich allein mit neuen Tools kaum schließen lässt. Während das Top-Management milder gestimmt war, kam Manöverkritik vor allem aus den HR-Abteilungen selbst, aber auch von ihren Kunden aus den Fachbereichen. Viele Personaler räumten in der Umfrage ein, dass sie sich selbst technisch fortbilden müssten: Immerhin 58 Prozent stimmten der These zu, dass ihre Befähigung und Weiterbildung in IT-Themen essenziell ist, damit die Digitalisierung erfolgreich vorangetrieben werden kann.
Digital Upskilling ist gefragt
Für Roman Schäfer, Managing Director von Blue Reply, kommt diese Erkenntnis nicht überraschend. Schließlich fördere ein "Digital Upskilling" die Innovationskraft und Leistungsfähigkeit - der Nutzen diene dem Personalbereich und dem Unternehmen gleichermaßen. "Unterstützend wirken hier beispielsweise moderne Self-Service-Lösungen, die für den Einsatz auch ohne tiefe IT-Kenntnisse konzipiert sind und die schnelle Erfolge ermöglichen." Schäfer bezeichnet die Digitalisierung als ersten Schritt der Transformation, weil sie mit neuen Tools und Lösungen wichtige Grundlagen legt, um den Horizont zu erweitern und ein tieferes technisches Verständnis zu schaffen: "So kann sich HR neue Arbeitsweisen, Geschäftsmodelle, Prozesse und Strategien für die digitale Transformation erschließen."
Auch Wieland Volkert, Country Manager von UKG, spricht davon, dass die Personalabteilungen vieler Unternehmen noch digitalen Nachholbedarf haben. "Einer der Gründe ist die Komplexität der HR-Funktion mit ihren vielfältigen Aufgaben, die Mitarbeiter über die gesamte Employee Journey hinweg optimal unterstützen muss." In Zeiten der Transformation seien zudem andere Fachbereiche, die das Geschäftsergebnis direkt beeinflussen, oftmals bevorzugt digitalisiert worden. Dass andere Abteilungen meist über größere finanzielle und kapazitative Ressourcen verfügten, bestätigt Blue Reply-Managing Director Schäfer: "Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass vielerorts vor allem die Customer Experience zählt, während der 'War for Talents' und die Mitarbeiterzufriedenheit im internen Diskurs wenig Platz haben."
Führungsrolle für HR
Dr. Jürgen Erbeldinger, CEO der ESCRIBA AG, ist angesichts der Studienergebnisse zwar nicht davon überzeugt, dass die Personalabteilungen in puncto Digitalisierung allen anderen Bereichen weit hinterherhinken. Dennoch verweist er darauf, dass keiner der Befragten die HR-Abteilung als voll digitalisiert wahrnimmt und dass die Zufriedenheit in Bezug auf die Digitalisierung bei HR am geringsten ist. "Hier kann der Personalbereich offensichtlich den Erwartungen nicht gerecht werden." Allerdings werde die IT-Kompetenz des Personalbereichs von der Geschäftsführung und den anderen Bereichen als gut bis sehr gut eingeschätzt, so Erbeldinger. "Daher sehe ich hier eine Chance für die Personaler:innen, in eine Führungsrolle zu kommen, denn offensichtlich erwartet man mehr vom HR-Bereich und traut diesem das auch zu."
Daher gehe es laut dem CEO von ESCRIBA für HR auch nicht darum, sich intern mehr Gehör zu verschaffen, sondern das Heft selbst in die Hand zu nehmen. "In den Kernprozessen sind viele HR-Bereiche technisch gut aufgestellt, aber einige kleine Dinge des Alltags sind noch an vielen Stellen von manueller Tätigkeit gekennzeichnet." Den Personalverantwortlichen empfiehlt Erbeldinger eine No-/Low-Code-Strategie, damit der HR-Bereich selbst, also ohne Unterstützung der IT, die meisten alltäglichen Aufgaben und Prozesse digitalisieren und so einen deutlich höheren Automatisierungsgrad erreichen kann. "Personaler:innen wachsen so in die Rolle der fachlichen Product Owner und können per Low-Coding in enger Abstimmung mit der IT auch komplexere Themen und Workflows angehen."
Wieland Volkert von UKG spricht sich ebenfalls für digital-affine HR-Abteilungen aus: "Erst die digitale Eigenständigkeit ermöglicht die nötige Agilität, um den ständig wandelnden Anforderungen in der Arbeitswelt flexibel begegnen zu können." Und schließlich sei die Bereitschaft zur kontinuierlichen Verbesserung Teil der DNA zukunftsorientierter Personalarbeit. Eine agil und autark aufgestellte digitale HR habe zudem den Vorteil, das nächste Level der Automatisierung zu erreichen, argumentiert Volkert: "Wo KI-getriebene Lösungen Einzug in HR-Tools halten, profitieren HR-Teams von optimierten, automatisierten Prozessen - die dann wiederum mehr Zeit für strategische Aufgaben und mitarbeiterbezogene Projekte ermöglichen."
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No-Code/Low-Code auf dem Vormarsch
Ohne den Schulterschluss mit der IT ist das jedoch kaum zu schaffen, schließlich ist die Integration und Verwaltung von Kernsystemen nach wie vor Aufgabe der IT. "Aber genau dort, wo diese an ihre Grenzen stoßen, empfehlen wir die Lücken mithilfe von No- und Low-Code-Technologien zu schließen", sagt ESCRIBA-CEO Erbeldinger. Dadurch entstehe auch eine neue Form der Zusammenarbeit - die IT ist der Betreiber der Plattform, hat die Governance inne und stellt sicher, dass einheitliche Rahmenbedingungen gelten. "Zugleich werden Aufgaben, die durch die zentrale IT nicht leistbar sind, an die Fachabteilung abgegeben, damit diese ihre manuellen Prozesse eigenständig und schnell digitalisieren kann." Überall dort, wo Funktionalitäten des No-Codings nicht mehr ausreichen, käme wieder die IT ins Spiel.
Dass die vermeintlich goldenen Zeiten der monolithischen Systeme ausklingen, bestätigt Blue Reply-Managing Director Schäfer: "Es wird immer wichtiger, im HR-Bereich schneller, agiler und effizienter zu arbeiten. Gerade zu Beginn der Pandemie haben Organisationen bei Fragen zur Behandlung von Kurzarbeit oder Szenarien zur Personalkapazitätsplanung schmerzlich erfahren müssen, dass 'one size fits all' nicht passt." Er empfiehlt CHROs etwa, eine 360-Grad-Roadmap für die digitale Transformation ihrer Abteilung aufzustellen. "Hiermit lassen sich der Nutzen und die Wertschöpfung für das Unternehmen allen Stakeholder transparent darstellen, um 'Quick Wins' herauszuarbeiten." Diese zu realisieren, verschaffe den nötigen Rückenwind für die Umsetzung der Roadmap.
Eine neue Generation
UKG-Country Manager Volkert verweist ebenfalls darauf, dass Bewegung in die HR-Landschaften kommt - und kommen muss. Schließlich wandele sich die Aufgabe der HR vom Verwalter hin zum strategischen Partner des C-Levels. "Wo eine neue Arbeitnehmergeneration moderne, flexible und bessere Services einfordert, sollten Unternehmen die Zeichen der Zeit erkennen und die HR-Digitalisierung nicht mehr allein als operatives Element einordnen." Die Personalabteilung entwickle sich zu einem Garanten für die strategische Wertschöpfung mit dem Menschen im Mittelpunkt. Um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, müssen Unternehmen auf die Employee Experience und eine starke Arbeitgebermarke setzen, schließt Volkert. "Dadurch wird Digital HR zum Fundament für den nachhaltigen Erfolg."
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Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Gold-Partner: Blue Reply GmbH
Silber-Partner: ESCRIBA AG; PeopleDoc Germany GmbH (UKG)
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage
Gesamtstichprobe: 355 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 15. bis 20. April 2021
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services