Wege zum Smart Workplace

Homeoffice braucht eine andere Unternehmenskultur

07.04.2020 von Iris Lindner
Die globale Corona-Krise zwingt uns zu Social Distancing – sowohl privat als auch beruflich. Wer kann, der muss ins Homeoffice. Gut, dass die Technik für einen Smart Workplace schon seit vielen Jahren verfügbar ist. Doch warum wurde sie zuvor kaum genutzt?
Der Smart Workplace ist häufig auch eine Frage der Unternehmenskultur.
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Eine kurze Chat-Nachricht hier, ein Video-Call da, ein virtuelles Meeting dort. Selbst für Schüler gibt es zahlreiche Möglichkeiten, dem Unterricht nun digital zu folgen. COVID-19 schaffte es innerhalb weniger Tage, dass wir die seit Langem verfügbare Technik endlich einsetzen. Und zur Überraschung vieler funktioniert sie einwandfrei. Manche sehen darin sogar Vorteile. Woran liegt es also, dass es an der Umsetzung bis dato mangelte? Die Antwort darauf kennen die Teilnehmer des ersten virtuellen IDG-Round-Tables genau: Es liegt an der jeweils vorherrschenden Kultur.

IDG-Research: Round Table jetzt per Videokonferenz

Dieser Round Table zum Thema Smart Workplace fand virtuell statt, um all jenen die Teilnahme zu ermöglichen, bei denen im Unternehmen bereits intern ein Reiseverbot verhängt wurde. Wenige Tage danach erfolgten die ersten offiziellen Beschränkungen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Und damit wurde so gut wie jeder ins Homeoffice geschickt, dessen Tätigkeit dafür geeignet ist. Völlig unerwartet ergab sich nun flächendeckend die Gelegenheit, Flexibilität zu zeigen, loszulassen und zu vertrauen, auszuprobieren und zu lernen. Auch zu Corona-Zeiten geht unser Geschäft weiter - flexibel mit den digitalen Round Tables von IDG-Research.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie Smart Workplace

Ein neues Verständnis von Arbeit muss her

Zugeklebte oder deaktivierte Webcams - sind sie ein Zeichen für fehlendes Vertrauen im Unternehmen?
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Beobachtungen zufolge klebt fast die Hälfte der Nutzer die Kamera am Notebook ab. Warum eigentlich? Während es in der Tech-Branche völlig normal ist, die Webcam nicht abzukleben, wird in Wirtschaftssegmenten wie Logistik und Handel ganz anders damit umgegangen. Das hat nicht nur mit dem unterschiedlichen Vertrauen in die Technik zu tun. Soll ein Smart Workplace funktionieren, muss Vertrauen auch zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Und das wiederum bedeutet einen Umbau unseres gesellschaftlichen Arbeitsverständnisses.

Für den Mitarbeiter im Homeoffice heißt das, dass er sich genau überlegen muss, was er unter Arbeit eigentlich versteht. Ist es die Anzahl an Stunden, die er am Rechner sitzt, oder kommt es nur auf den Output an? Solange jeder sein Ziel erreicht beziehungsweise seine Aufgaben erledigt, sollte in Zukunft doch jeder für sich bestimmen können, wann wie gearbeitet wird. Doch laut einer aktuellen Peakon-Studie haben wir Deutschen genau damit ein Problem: Weil wir uns mit der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsorten extrem schwertun, liegt die Motivation unserer Mitarbeiter unter dem EU-Schnitt.

Ein Grund für die zurückhaltende Flexibilität ist die immer noch weit verbreitete Meinung, dass nur derjenige richtig arbeitet, der auch präsent vor Ort ist. Wer seine Mitarbeiter ins heimische Büro entlässt, verliert automatisch die Kontrolle über sie. Um hier das notwenige Vertrauen aufbauen zu können, müssen Unternehmen zum einen erkennen, dass die klassische 40-Stunden-Woche und die Diskussion über die Private-Worklife-Balance mittlerweile total überholt sind. Zum anderen müssen sie sich intensiv mit dem Menschenbild und den Vorstellungen der Mitarbeiter von einer idealen Arbeitswelt auseinandersetzen.

Auch die Frage, bis zu welchem Grad man den Mitarbeitern Verantwortung überträgt, muss für jeden individuell beantwortet werden. Zurzeit ist der Run ins Homeoffice aus der Not heraus geboren, doch unter normalen Umständen bedarf es differenzierter Regeln - einfach aus dem Grund, weil Homeoffice nicht für jeden Mitarbeiter geeignet ist: entweder weil er das soziale Umfeld zum Arbeiten braucht, weil seine eigenen vier Wände nicht dafür ausgelegt sind, oder weil er noch nicht den Mut hat, sich in der virtuellen Welt zu zeigen.

Zitategalerie virtueller Round Table Smart Workplace
Hans-Jürgen Jobst, Avaya
Ich beobachte nicht nur das Zukleben, sondern auch, dass manche Nutzer aus Compliance- oder Policy-Gründen gar keine Kameras haben. Das ist nicht nur von Branche zu Branche unterschiedlich, auch innerhalb einer Branche kommt es darauf an, wie hoch ein Unternehmen digitalisiert ist. Aber: Ein Browser unterstützt bereits barrierefrei die Echtzeitkommunikation, und das muss man einfach nutzen! Wir als Anbieter sind weiter als die Anwender im Markt, weshalb die verbreitete Nutzung weniger ein technologisches, sondern ein kulturelles Problem ist.
Stéphane Paté, Dell Technologies
Die Diskussion um den Arbeitsplatz der Zukunft nur über Technologien, Devices und Applikationen zu führen, greift zu kurz. Natürlich ist eine moderne IT-Infrastruktur der Grundpfeiler für ein flexibles, ortsunabhängiges Arbeiten. Doch ohne einen echten Kulturwandel wird es schwierig, alle Beteiligten gleichermaßen mit ins Boot zu holen und die Modernisierung des Arbeitsplatzes voranzutreiben.
Marc Paczian, Dropbox
In meinem Multi-Generationen-Team haben wir Babyboomer, Generation X, Millennials und die Generation Z. Was uns verbindet, sind die Tools, die wir nutzen, um zusammenzuarbeiten. Dass die Zusammenarbeit trotz der Altersunterschiede damit extrem gut funktioniert, wird uns immer dann bewusst, wenn wir uns treffen. So gehöre ich zum Beispiel nicht zu der Generation, die Essen fotografiert. Manche im Team machen das, und das muss man akzeptieren und locker damit umgehen. Auch muss man nicht immer direkt alles wissen und verstehen, denn egal in welchem Alter man ist, man kann immer noch dazulernen.
Dieter Schoon, itelligence
Virtuelle Arbeit ist dann sinnvoll, wenn die ersten Schritte getan sind. Wenn wir versuchen, für Menschen Lösungen zu implementieren, die ihnen helfen, marktfähig zu sein, dann braucht es zu Beginn Workshops und Kreativsitzungen, um Prozesse genau abzustimmen. Und diese lassen sich nur sehr schwer über virtuelle Arbeitsplätze ersetzen. Aktuell ist virtuelles Arbeiten aus der Not heraus geboren, aber um optimal arbeiten zu können, ist ein guter Mix aus virtueller Arbeit und Präsenz notwendig.
Dr. Hartwig Holzapfel, time4you
Junge Mitarbeiter kommen mit bestimmten Erwartungen ins Unternehmen, bringen aber auch neue Inspiration durch neue Technologien mit. Auch wenn sich Technologien zurzeit rasant entwickeln und sich das in der Zukunft auch nicht grundlegend ändern wird, so müssen die Älteren keine Angst davor haben. Denn umgekehrt verfügen diese über einen gewissen Erfahrungsschatz und im Gegensatz zu früher auch über viel mehr Möglichkeiten wie zum Beispiel E-Learning, um neue Dinge zu lernen. Welcher Lern- oder Arbeitstyp man ist, hängt oft nicht vom Alter ab, sondern von der Persönlichkeit.
Daniela Porr, Workday
Es braucht eine Veränderung von einer Kultur der Kontrolle hin zur Vertrauenskultur. Konkret heißt das, sich von der Idee zu verabschieden, dass wir für die Mitarbeiter entscheiden können, wo und wie sie am besten arbeiten, und ihnen die Rahmenbedingungen und die Technologien zur Verfügung zu stellen, die sie dazu brauchen. Und von der Entscheidung, ob und wann Kameras in Videokonferenzen benutzt werden sollen, bis hin zur Selbstorganisation der Arbeit geht es dann um das Vertrauen darauf, dass Menschen selbst gute Entscheidungen für ihre Arbeit treffen. Was wir in Zukunft brauchen, ist ein neues Verständnis von Arbeit, Vertrauen in die Technik und Vertrauen in uns selbst.

In beiden Welten braucht es die Nähe

Doch gerade der Blickkontakt - auch wenn er virtuell ist - hilft, die Kommunikation besser zu verstehen. Wie oft kommt es vor, dass eine E-Mail vom Empfänger anders verstanden wird als vom Absender beabsichtigt? Missverständnisse lassen sich verhindern, wenn man das Gesicht und den Ausdruck des anderen sieht.

Darüber hinaus erzeugt Visualisierung Nähe - manchmal sogar mehr als im echten Leben, wie unser Round Table selbst zeigte: Während Teilnehmer und Moderator normalerweise im IDG-Konferenzraum im Business-Look an einem großen Tisch sitzen und sich dabei nicht immer direkt in die Augen sehen können, schauen sich in der virtuellen Runde alle direkt ins Gesicht. Auch gewährt jeder ein Stück Einblick in sein Privatleben, indem er zum Beispiel durch die Plattensammlung im Hintergrund oder den Einrichtungsstil seinen persönlichen Geschmack offenbart. Dazu noch legere Bekleidung und schon hat man das Gefühl, die Teilnehmer besser zu kennen.

Sollen kreative Prozesse angestoßen oder in Workshops neue Wege gefunden werden, dann sollten Menschen im echten Leben zusammenkommen.
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Diese Nähe ist auch für die Mitarbeiter im Homeoffice unerlässlich, weshalb es wichtig ist, ihnen eine entsprechende Plattform für das Socializing zu geben. Sei es, um gemeinsam geschäftsrelevante Themen besprechen zu können oder der Vereinsamung mit einem Coffee Chat entgegenzutreten. Aber: Selbst bei einem Smart Workplace wird es immer auf eine gesunde Mischung zwischen Büro und Homeoffice ankommen, denn virtuelle Zusammenarbeit hat ihre Grenzen. Immer dann, wenn kreative Prozesse angestoßen werden oder Menschen gemeinsam in Workshops neue Wege finden sollen, müssen sie im echten Leben zusammenkommen.

Wichtig ist eine Zusammenkunft auch deshalb, um den regen Austausch zwischen den Generationen aufrechtzuerhalten. Was die einen an Erfahrung mitbringen, gleichen die anderen mit Agilität aus. Und das muss sich auch weiterhin ergänzen. Zwar hat die ältere Generation keine Schwierigkeiten mit der Nutzung der neuen Kommunikations-Tools, da auch auf der Entwicklerseite bunt gemischte Teams zusammenkommen.

Was sich bei älteren Mitarbeitern jedoch noch nicht verbreitet hat, ist das Gefühl, dass das Homeoffice etwas ist, wo man einfach hingehen kann. Darum: Auch wenn die Technologie vieles bietet, so sollte man jedem Mitarbeiter die Freiheit geben, den für sich besten Weg wählen zu können. Warum sollte ein Mitarbeiter nicht gemeinsam mit dem Kunden darüber entscheiden dürfen, ob es nun sinnvoller ist, sich für ein persönliches Gespräch zwei Stunden ins Auto zu setzen, oder zwei Stunden mehr Zeit für den Kunden zu haben, wenn man sich über Telefon oder Videokonferenz austauscht? Natürlich wird es auch immer Kunden geben, die auf den persönlichen Besuch des Beraters bestehen. Deshalb wird sich der Freiheitsgrad der Selbstbestimmung letzten Endes auch immer am Kunden orientieren und nicht an festgelegten Standards.

Studie "Smart Workplace": Partner gesucht

Zum Thema Smart Workplace führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multiclient-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, dann hilft Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384 ) gerne weiter. Informationen zur Smart-Workplace-Studie finden Sie auh hier zum Download (PDF).

Die virtuelle Welt ist eine andere

Wer den virtuellen Weg wählt, sollte disruptiv denken, weil ein Smart Workplace wirklich etwas Neues ist. Das Thema muss man anders angehen. Wie, zeigt das Beispiel einer Softwareschulung: Das Ein-Tages-Training vor Ort wird durch mehrere 90-Minuten-Online-Trainings ersetzt. Die Schulungsteilnehmer profitieren nicht nur von einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne. Sie haben auch die Möglichkeit, die Schulungsinhalte jederzeit anhand der ihnen zur Verfügung gestellten Aufnahmen zu reflektieren.

Ein Smart Workplace ist also keine 1:1-Übertragung der klassischen Bürowelt in die virtuelle Welt. Vielmehr zeigt das Beispiel der Schulungen, dass es darauf ankommt, die digitalen Formate sinnvoll zu nutzen, damit sie einem einen Vorteil verschaffen. Und manchmal - ja manchmal hilft auch ein Telefonat weiter, denn trotz vieler technischer Möglichkeiten darf der Modern Workplace nicht im Information-Overflow enden.

Dass die zaghafte Umsetzung eines Smart Workplace viel mehr ein gesellschaftliches als ein technologisches Problem ist, führt uns die Corona-Krise sehr deutlich vor Augen. Und so wird uns die Coronavirus-Krise auch zeigen, ob es tatsächlich die Kultur ist, die sich ändern muss, oder ob bisher einfach ein Technikelement fehlte, das erst durch die Anwendung sichtbar wird.

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