Scrum, SAP, Soft Skills

Fünf gefragte Fähigkeiten bei IT-Freelancern

16.09.2015 von Gerd Schorn
Gute Programmierfähigkeiten und Systemkenntnisse reichen heute nicht mehr aus - Softskills sind mindestens ebenso wichtig, will man als Freiberufler seinen Auftraggeber von seinem Projekt überzeugen.
  • Wer eine ITIL oder PMO-Zertifizierung nachweisen kann, hat sehr gute Karten
  • SAP-Experten sind äußerst oft gefragt und erhalten hohe Stundensätze

Die Anzahl der Menschen in freien Berufen steigt seit über 20 Jahren durchschnittlich um vier Prozent. Waren es im Jahr 1994 gerade mal 550.000 Menschen, stieg die Zahl 2014 schon auf 1,27 Millionen, wie das Institut für Freie Berufe der Universität Erlangen Nürnberg ermittelt hat. Das macht etwa drei Prozent aller Beschäftigten in Deutschland aus, mit einer steigenden Tendenz. Unter ihnen sind IT-Freelancer mit Abstand die gefragtesten Freiberufler. Der Online Work Report 2014 des Freelancer-Portals Elance-oDesk bestätigt dies: 64 Prozent aller gebuchten Freelancer kommen aus dem Bereich IT. Allerdings sorgt ein großer Markt auch dafür, dass sich selbst die begehrten IT-Freelancer immer stärker spezialisieren müssen, um auch langfristig gefragt zu bleiben. Doch welche Skills führen zum Erfolg?

IT-Freelancer sind gefragter denn je. Um jedoch auf Dauer erfolgreich zu sein, müssen sie bestimmte Skills mitbringen.
Foto: Mila Supynska - Fotolia.com

1. Scrum, Kanban & Co. - agile Projektmanagement-Methoden

Neben der reinen Programmierung ist ein effizientes Projektmanagement heutzutage von großer Bedeutung. Hierfür gibt es inzwischen verschiedene agile Methoden wie Scrum und Kanban. Sie helfen dabei, IT-Projekte wesentlich schneller und sicherer abzuwickeln als durch klassisches Projektmanagement. Das bedeutet im Umkehrschluss eine höhere Effizienz, die Freelancern ein gutes Argument bei der Beauftragung und Honorarverhandlungen liefert. Die Grundidee ist, ein Projekt schrittweise und zyklisch mit einem interdisziplinären Team zu entwickeln, das sich quasi selbst organisiert. Damit kann es durch eine gut durchdachte Priorisierung schlank gehalten und Kundenwünsche können schneller umgesetzt werden. Das fördert eine flexible Handlungsweise und ist daher sowohl für die Freelancer, die oftmals mit neuen Projekt-Kollegen arbeiten, als auch für die Auftraggeber eine übersichtliche Lösung. Solches Methodenwissen sollten Freelancer also unbedingt mitbringen.

Freiberufler über agiles Projektmanagement
Agile und hybride Methoden des Projekt-Managements ...
... setzen sich immer mehr durch. An der Studie von Gulp haben sich 114 IT- und Engineering-Experten beteiligt.
Agile Methoden gefragt
Gulp zufolge hat die Nutzung agiler Methoden in den vergangenen zwei Jahren massiv zugenommen. Immerhin jeder zwanzigste Befragte konnte keine Methode identifizieren oder hat keine angewendet.
Hybrid liegt im Trend
Trotz des Ausbaus agiler Methoden werden die meisten Unternehmen einen Mix anwenden, erwarten die Befragten.
Geht es ums Geld und die Terminplanung ...
... sehen die meisten Befragten agile Methoden nicht als die bessere Wahl an - zumindest nicht mit Blick auf IT-Projekte.
Was Auftraggeber wollen
In mehr als jeder zehnten Projektanfrage verlangen die Auftraggeber auch Kenntnisse in agilen Methoden von den Freelancern.
Stefan Symank, Marketingleiter von Gulp
"Man nimmt die bewährten Methoden und erweitert sie um neue effiziente und nachhaltige Ansätze. Hieran lässt sich sehr gut erkennen, wie lebendig und progressiv das Projekt-Management in seiner Funktion ist."

2. Prozessketten: Mehrwert für den Kunden erkennen und umsetzen

Als IT-Freelancer ist man vor allem eines: Dienstleister. Die Wünsche des Kunden stehen an oberster Stelle und Freelancer müssen immer vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Mehrwerts für den Kunden agieren. Die IT Infrastructure Library (ITIL) ist hierfür inzwischen zum Standard geworden. Die Sammlung aus Best-Practice-Beispielen zur Umsetzung eines IT-Service-Managements orientiert sich in den Bereichen Planung, Erbringung, Unterstützung und Effizienz-Optimierung stark am Nutzen für den Auftraggeber. Ähnliches gilt für das Project Management Office (PMO). Auch dieses definiert einen Standard für die operative Unterstützung von Projekten und Projektbeteiligten. Für beide können sich IT-Profis zertifizieren lassen. Wer diese zusätzlichen Qualifikationen nachweisen kann, hat ein wirkliches Ass im Ärmel. Die Stundensätze erfahrener IT-Projektmanager liegen oft im dreistelligen Bereich.

3. Intelligent digital wirtschaften

"Business Intelligence" ist der Schlachtruf der heutigen Zeit. Immer mehr Unternehmen wollen ihre Kundendaten stärker nutzen, vorneweg die Großen wie Facebook und Google. Aber auch kleinere Unternehmen sehen den Mehrwert, weshalb die systematische Analyse elektronischer Daten inzwischen für viele Branchen relevant geworden ist. Nutzerdaten sind zu einer modernen Handelsware geworden. IBM, SAS, Oracle oder Microsoft - viele Unternehmen bieten inzwischen diverse Software-Lösungen für Business Intelligence an. Auch hierfür benötigt man Spezialisten, die den kaum mehr fassbaren Ausmaßen der "Big Data" Herr werden. Derzeit ist es auch nicht absehbar, dass sich dieser Trend ändern könnte, da immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens digitalisiert werden und somit immer mehr Unternehmen einen Weg finden müssen, ihre Daten zu verwalten und zu analysieren. Spezialisten mit Knowhow in diesem Bereich werden also heute wie morgen gefragt sein.

4. Die Riesen

Natürlich gibt es noch mindestens eine weitere gefragte Qualifikation für IT-Profis: SAP. Dies ist keine Neuigkeit, denn bereits seit Jahren boomt für den Software-Riesen das Geschäft und Freelancer mit SAP-Kenntnissen sind nach wie vor überdurchschnittlich gefragt. Besonders wichtig ist hierbei jedoch auch, konstant auf dem Laufenden zu bleiben, was die Neueinführung einzelner Module angeht. Expertenhonorare liegen auch hier häufig bei 100 Euro pro Stunde und darüber. Ähnliches gilt auch für Datenbank-Experten mit ausgeprägten Oracle-Kenntnissen.

5. Softskills

Oftmals denken Freiberufler aus dem IT-Bereich, dass ihnen allein gute Programmierfähigkeiten oder Systemkenntnisse die Chance auf einen Projekteinsatz sichern. Dem ist allerdings heute nicht mehr so. Freiberufler müssen neben ihren fachlichen Qualifikationen ebenso Softskills, beispielsweise in der Beratung, aufweisen können. Sie müssen in der Lage sein, sich schnell auf neue Menschen einzustellen und dabei Meinungsführer zu identifizieren und von ihrem Konzept zu überzeugen.

Diese Soft Skills brauchen IT-Experten
Ohne Soft Skills geht gar nichts
Auch in der IT-Abteilung sind die so genannten "weichen" Eigenschaften heute wichtiger denn je. Welche Soft Skills IT-Profis neben ihrer fachlichen Qualifikation mitbringen sollten, haben wir neun CIOs gefragt.
Christian Ley, CIO von Brose:
"Für das erfolgreiche Umsetzen unserer immer komplexer werdenden IT-Projekte – gerade auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung – sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und eine offene Kommunikation das Maß aller Dinge ...
Kommunikationsfähigkeit
... Deshalb spielen Team- und Kommunikationsfähigkeit, strukturiertes Denken, ein hohes Qualitätsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, soziale und teilweise auch interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Natürlich erwarte ich nicht von jedem meiner Mitarbeiter eine gleich starke Ausprägung dieser Soft Skills, das ist letztlich auch abhängig von der Aufgabe des Einzelnen ...
Kundenorientierung
... Von einem Mitarbeiter im ServiceDesk erwarte ich eher eine hohe Kundenorientierung, von einem Softwareentwickler strukturiertes Denken. Alle Mitglieder unserer Mannschaft sollten allerdings mit einem gesunden Maß an Pragmatismus ausgestattet sein."
Klaus Neumann, Bereichsleiter der KfW Bankengruppe:
"Welche Soft Skills IT-Profis heute brauchen – das kommt natürlich immer auch auf die Funktion, in der sie eingesetzt werden, an. An der Schnittstelle zum Kunden, also zum Anwender in unserem Fall, brauchen wir Leute, die offen und kommunikativ sind ...
Konfliktfähigkeit
... Wichtig sind für uns zudem Konfliktfähigkeit und eine lösungsorientierte Sicht. Kann jemand nicht mit Konflikten umgehen - und die gibt es immer - oder denkt einer nur in Problemen, dann ist er nicht der Richtige für die IT-Abteilung."
Für Christoph Böhm, bis 2015 CIO von Vodafone Deutschland, heute Senior Vice President bei SAP...
... ist ebenfalls die Kommunikationsfähigkeit wichtig: "Dies hilft den Mitarbeitern der IT einerseits dabei, die Anforderungen der Business Units als auch die Sprache der IT-Mitarbeiter zu verstehen und diese für die entsprechend andere Gruppe zu übersetzen. Dies ist eine Schlüsselkompetenz, da die Aufgaben einer modernen IT nicht nur darin bestehen, die Business Anforderungen in der IT abzubilden, sondern ebenfalls darin, mögliche Potenziale aus der IT an die Business Units zu kommunizieren, sodass sie nachvollziehen können, welche Auswirkungen und Chancen ein derartiger Schritt auf sie haben würde ...
Die Analytische Kompetenz ...
... ergänzt die Kommunikation, indem die Auswirkungen des Handelns transparent und nachvollziehbar werden ...
Teamfähigkeit
... Mitarbeiter in der IT arbeiten grundsätzlich in Teams, heute meist in gemischten internationalen Teams mit Beteiligung internationaler Partner oder Kollegen."
Günter Weinrauch, ehem. CIO des ADAC:
Zentrale Soft Skills sind für ihn neben Analyse- und Abstraktionsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten (weil auch die beste technische Lösung dem Anforderer "verkauft" werden muss) ...
... Engagement und Ownership:
... um perfekte Lösungen zu schaffen, muss man von seiner Arbeit begeistert sein. Reiner 'Dienst nach Vorschrift' ohne emotionales Engagement kann nie zu herausragenden Lösungen führen ...
Flexibilität
... weil Überraschungen doch immer wieder lauern, und Hindernisse am besten als Herausforderung gesehen werden sollten, nicht als Bremse."
Gilbert Riegel, Senior Project Manager M & A bei Siemens:
Für ihn ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel (Einfühlungsvermögen) besonders wichtig: "Das heißt die Fähigkeit, den Ansprechpartner an dem Punkt abzuholen, wo er vom Wissen (Prozesse / Technik) her steht, und ein Verständnis für die Rahmenbedingungen aber auch für die Handlungsperspektiven der Ansprechpartner zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel reduziert Missverständnisse und potenzielle Widerstände ...
Vertrauen aufbauen
... Die Komplexität von IT-Projekten erfordert es, dass die unterschiedlichen Fachbereiche im Unternehmen Vertrauen in die Fähigkeiten der IT-Organisation und ihrer Mitarbeiter haben. Vertrauen entsteht nicht von alleine, sondern über persönliche Interaktion, das Einhalten von Zusagen und Terminen sowie durch die gemeinsame Durchführung erfolgreicher Projekte - also insgesamt positive Erfahrungen mit Personen und Prozessen ...
Selbstbewusstsein
... Die IT-Abteilung fühlt sich oftmals in der klassischen 'Underdog'-Rolle im Unternehmen wohl bzw. lässt sich dort hineindrängen. Um aber den Auftrag an eine moderne IT-Organisation erfüllen zu können, muss die IT aktiv und selbstbewusst mit den Business-Funktionen interagieren und darf sich nicht hinter Governance-Themen und technischer Komplexität verstecken. Das Bild der IT Organisation kann also nicht nur durch den IT Leiter / CIO und einige zentrale Führungskräfte vermittelt werden, sondern muss insbesondere durch die IT Mitarbeiter in Ihrer täglichen Arbeit transportiert werden ...
Analytische Fähigkeiten gepaart mit Neugierde
... Themen schnell erfassen und zu strukturieren ist eine wesentliche Fähigkeit, allerdings mit dem Fokus auf Lösungsorientierung statt Problemorientierung. Neugierde hilft neue Aspekte zu betrachten und so bei einem lösungsorientierten Vorgehen und damit auch Etabliertes zu hinterfragen."
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Auch diese findet Riegel wichtig, "um aus dem Feedback anderer und den eigenen Erfahrungen Optimierungsmöglichkeiten für sich selbst und für die verantworteten Themen abzuleiten." Dadurch sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich.
Dirk Müller, CIO von Franz Haniel & Cie. ...
findet die Bereitschaft, gelerntes Expertenwissen in Frage zu stellen und sich im Sinne von Innovation auf neue Themen einzulassen, wichtig. Sowie "Empathie und ...
Verhandlungsgeschick ...
... um mit Kunden und in zunehmenden Maße auch mit Lieferanten zielgerichtet, aber doch authentisch umgehen zu können. Beide Themen halte ich bei IT-Profis, die eher aus der Technikecke kommen, für die größte Herausforderung."
Christian Niederhagemann, CIO von KHS:
"Mehr und mehr entwickeln sich IT-Experten zum Sparringspartner für Fachabteilungen, für das Prozessmanagement und inzwischen vielfach auch für die Strategieabteilungen. Aus meiner Sicht sind es drei wesentliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Mitarbeiter in der IT hierzu insbesondere mitbringen muss: Moderationstalent, Empathie und die Bereitschaft, neue Wege gehen zu wollen."
Moderationstalent
Wenn beispielsweise zwischen Fachbereich, Prozessmanagement und den SAP-Profis eine intensive Diskussion entfacht, wie eine Businss-Anforderung elegant, schnell und ohne großen IT-Aufwand abgebildet werden kann, sind Moderatoren gefragt: "Mit Moderationstalent und dem Gespür für die Situation gelingt es in der Regel rasch, die Beteiligten wieder an den Tisch zurück zu holen und das Gespräch auf die Sache, nämlich das gemeinsame Unternehmensinteresse, zu lenken ...
Hochmut fehl am Platz
... In solchen Situationen ist kein Platz für Eitelkeiten und Eigeninteresse, es ist vielmehr Kreativität gefragt, auch einmal neue – eventuell sogar unkonventionelle – Wege zu gehen. Ich unterstütze meine Leute gezielt darin, im Rahmen definierter Leitplanken bewusst gegen den Strom zu denken. Wie häufig wurden nicht schon einfache und intelligente (IT-)Lösungen gefunden, sobald der Mut aufbracht wurde, die eingetretenen Pfade zu verlassen und gleichzeitig den Blickwinkel der beteiligten Parteien einzunehmen."
Hartmut Willebrand, CIO bei H. & J. Brueggen KG:
Er sagt, in der IT-Branche haben wer es überwiegend mit Persönlichkeitstypen zu tun, die in einer Welt der absoluten Abstraktion leben. "Daher neigen wir dazu, Wunschvorstellungen oder geradezu einen technischen Machbarkeitswahn zu haben, dass das, was wir theoretisch überlegt haben, auch genauso funktioniert. Oft fehlen die Anpassungsfähigkeit und das ausreichende Einkalkulieren der Realitäten. Denn das echte Leben ist und bleibt chaotisch, unvorhersehbar. Und die Menschen sowieso."
An Schwächen arbeiten
Willebrand plädiert dafür, die Fachkompetenzen um die "notwendigen humanen, sozialen Skills" zu vervollständigen. "Mit dem Mut, konstruktiv an unseren Schwächen zu arbeiten und unsere Stärken zu stärken, werden wir nachhaltig Erfolg haben."
Soft Skills im Gespräch abklopfen
Ob ein Bewerber die notwendigen Soft Skills mitbringt, erfährt man am besten im persönlichen Gespräch. Da sind sich die CIOs einig. Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf und Arbeitszeugnisse können zwar Hinweise liefern, aber reichen nicht aus.

Wer in seiner Persönlichkeit zu starr ist, wird es als Freelancer eher schwer haben, denn es besteht die absolute Notwendigkeit, sich schnell an neue Rahmenbedingungen anpassen zu können. Heute die Mitarbeit in einem mittelständischen Unternehmen mit starken Hierarchien und im nächsten Monat schon bei einer international agierenden Bank - da herrschen völlig unterschiedliche Prozesse und Strukturen, in die man sich schnell hineindenken können muss. Grundsätzlich gilt: Erfahrung wird belohnt. Wer Erfahrung in für ein Projekt relevanten Bereichen mitbringt, ist und bleibt der bevorzugte Kandidat für den Projekteinsatz.

Der Artikel stammt aus dem IT-Job-Magazin.