Developer Experience

Entwickler verstehen und (bei Laune) halten

27.10.2023 von Christoph Volkmer  IDG ExpertenNetzwerk
Viele Softwareentwicklerinnen und -entwickler sind leidenschaftlich bei der Arbeit. Trotzdem halten viele nach neuen Stellen Ausschau. Wie können Unternehmen sie halten?
Arbeitgeber unterschätzen, dass Entwicklern die Teamzusammensetzung besonders wichtig ist.
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Vier-Tage-Woche, KI-Produktivitätstools, regelmäßiges Home-Office – an Lösungsansätzen, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu steigern, mangelt es der Arbeitswelt gegenwärtig wohl nicht. Besonders im Fokus stehen hierbei Softwareentwickler. Sie mögen ihre Arbeit sehr, aber sind gleichzeitig auch häufig dazu bereit, ihren Arbeitgeber zu wechseln. Zu dieser überraschenden Einsicht kommt der Developer Engagement Report von OutSystems (download nur gegen Lead-Abgabe). Dafür befragte das Unternehmen 860 Entwicklerinnen und Entwickler auf der ganzen Welt zu deren Arbeitsalltag. Die Ergebnisse des Reports geben Aufschluss darüber, was den Befragten am Arbeitsplatz besonders wichtig ist und was sie im Arbeitsalltag zufriedenstellt.

Unternehmen profitieren stark davon, ihre Entwicklerteams zusammenzuhalten. Erleben diese etwa häufig Personalfluktuation verlangsamt das die Produktentwicklung und kann auch einen erheblichen Wissensverlust mit sich bringen. Dazu kommt, dass es Zeit und Geld kostet, neue Mitarbeitende einzuarbeiten – beides fehlt dann möglicherweise an anderen Stellen. Die Nachteile wiegen umso schwerer vor aktuellen Entwicklungen in der Branche. Zum einen steigt der Mangel an Vollzeitentwicklern laut IDC bis 2025 voraussichtlich auf 20 Prozent, zum anderen macht der Trend zu Remote Work in der Softwareentwicklung Jobwechsel einfacher, da die Nähe zum Arbeitgeber an Bedeutung verliert.

Viele können sich baldigen Jobwechsel vorstellen

Der Developer Engagement Report verzeichnet, dass weniger als die Hälfte der Befragten angeben, dass sie in einem Jahr noch bei ihrem aktuellen Arbeitgeber beschäftigt sein werden. Auf zwei Jahre gesehen, sind es sogar weniger als ein Drittel. Es ist jedoch auch festzustellen, dass die Tätigkeit an sich kein wirkliches Hindernis darstellt, denn fast zwei Drittel gaben an, ihre Arbeit zu lieben. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich mit weiteren Ergebnissen des Reports erklären.

Aus Unternehmenssicht verdient zunächst jedoch folgender Wert besondere Aufmerksamkeit. Nicht nur ist ein beachtlicher Teil der Befragten bereit dazu, mittelfristig den Arbeitgeber zu wechseln, sondern ein wesentlicher Prozentsatz (42 Prozent) gab zudem an, zuversichtlich zu sein, sofort einen besseren Arbeitsplatz finden zu können. Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt erscheint für viele also groß genug, dass sie sich keine beruflichen Sorgen machen müssen. Unternehmen sollten sich dieser Umstände bewusst sein.

Fest steht: Fachkräfte in der Softwareentwicklung zu binden ist eine Herausforderung. Und das nicht nur, weil die Nachfrage nach Entwicklern generell groß ist, sondern auch, weil Tech-Riesen wie Google oder Amazon attraktive Arbeitgeber sind und die finanziellen Mittel haben, um die Spitzenkräfte anzuwerben. Um ihre Entwicklerteams zusammenzuhalten, sollten Unternehmen abseits von Big-Tech zunächst deren Bedürfnisse verstehen und daraufhin die richtigen Stellschrauben anpassen.

Faktoren der (Un-)Zufriedenheit

Klar ist auch: Entwickler brauchen gute Gründe, um in ihrem aktuellen Unternehmen zu bleiben. Altbewährte Maßnahmen wie finanzielle Vorteile und Perks im Büro reichen nicht aus – letztere fallen bei Remote Work ohnehin weg. Welche Faktoren spielen also tatsächlich die größte Rolle?

Eines der entscheidenden Themen ist Work-Life-Balance. Die Hälfte der Befragten gab an, ein besseres Gleichgewicht zwischen Karriere und Privatleben zu brauchen. Unternehmen sollten daher nicht unterschätzen, dass bei vielen Entwicklern zu viel Zeit und Energie in die beruflichen Verpflichtungen fließt und so ihr gesamtes Wohlbefinden leiden kann. Ein weiterer Wert aus der Befragung ist hier lehrreich: 45 Prozent gaben an, dass eine ihrer größten Herausforderungen darin besteht, mit dem Arbeitspensum im Unternehmen Schritt zu halten. Aus diesen zwei Werten lässt sich ableiten, dass Entwicklerteams häufig zu viel abverlangt wird, was wiederum Privat- und Berufsleben aus der Balance werfen kann.

Nicht zu vernachlässigen sind außerdem die Punkte Gehalt und Teamzusammensetzung. Verbessert sich die Lage in diesen Bereichen, so steigt auch die Motivation. Das gaben immerhin jeweils fast ein Drittel der Befragten an. Während momentan bei den Gehältern mitunter wenig Spielraum für Unternehmen sein kann, ist die Zusammenstellung der Teams eine Herausforderung, bei der eher mehr Flexibilität bleibt.

Kontrolle und Produktivität ermöglichen

Gehälter hochzusetzen oder auf die Vier-Tage-Woche umzustellen, sind zwar die offensichtlichsten Methoden, um Entwickler:innen im Team zu halten, aber sie sind nicht für alle Unternehmen umsetzbar. Die Palette an hilfreichen Maßnahmen, die Führungskräfte hier nutzen können, geht glücklicherweise darüber hinaus.

Die interne Kommunikation mit den Entwicklerteams ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Arbeitsrealität der Entwicklerteams zu verbessern. Durch regelmäßige Kommunikation lässt sich besser abschätzen, ob die Erwartungen an die jeweiligen Teams realistisch und erfüllbar gehalten sind. Hierzu hilft es, häufiger zu kommunizieren und zudem mehr Prototyping durchzuführen. Das Feedback der Entwicklerteams wahrzunehmen, ist essentiell, um ihnen Kontrolle über ihr Arbeitspensum zu geben. Wer sich gehört fühlt, wird sich auch eher längerfristig binden.

Außerdem sollten Führungskräfte ihren Entwicklerteams das Gefühl geben, produktiver zu sein, um sie zufriedener zu stellen. Haben Entwickler den Eindruck, es gäbe kaum Fortschritte, werden sie sich eher nach einer Stelle umsehen, bei der sie die Arbeit, die sie mehrheitlich so sehr schätzen, auch effektiv ausüben können. Kommunikation ist auch hier unabdingbar, etwa um die oben erwähnte Teamzusammensetzung optimieren zu können.

Mit dem richtigen Werkzeug ausgestattet

Darüber hinaus können auch die verwendeten Tools maßgeblich für die Produktivität und letztlich auch die Zufriedenheit der Entwicklerteams sein. Von Versionskontrolle über Kollaboration bis zur Qualitätssicherung – die Wahl der richtigen Tools hat Auswirkungen auf alle Bereiche der Softwareentwicklung. Daher sollte hier genügend Zeit in die Auswahl fließen. Außerdem lohnt es sich, besonders regelmäßig die Rückmeldung der Entwicklerteams hierzu einzuholen.

Der Report befasst sich in Bezug auf Tools auch mit der zunehmend verbreiteten Low-Code-Technologie. Unternehmen setzen sie ein, um die Produktivität ihrer Entwicklerteams zu steigern. In den Ergebnissen der Befragung lassen sich einige Unterschiede zur traditionellen Entwicklung erkennen – und zwar bei Aspekten, die entscheidend für die Motivation sind. Unter den Befragten gab die Hälfte an, dass durch Low-Code die Qualität der Apps und die eigene Kreativität steigt. Auch sind Entwickler, die Low-Code benutzen, zufriedener mit ihren Tools (57 Prozent versus 36 Prozent) und zufriedener mit der Produktivität ihrer Teams (59 Prozent versus 41 Prozent) – also insgesamt glücklicher im Arbeitsalltag als traditionelle Entwickler. Hinzu kommt auch, dass weniger Überstunden anfallen, wenn Low-Code im Einsatz ist: 71 Prozent der Low-Code-Entwickler bewältigen ihre Aufgaben innerhalb von 40 Stunden pro Woche, während es bei den traditionellen nur 44 Prozent sind – dabei sind Low-Code-Entwicklerteams im Schnitt nur ein Drittel so groß wie traditionelle Teams.

Es kann sich also in mehrerlei Hinsicht lohnen, Low-Code-Technologie für die Softwareentwicklung einzusetzen. Teams nehmen eine gesteigerte Produktivität wahr, sind zufriedener mit ihren Ergebnissen und können eher planmäßig in den Feierabend.

Strategien zur Bindung von Entwicklerteams

Unternehmen sollten die Herausforderung annehmen, Entwickler langfristig zu binden, um starke und produktive Teams zusammenzuhalten. In der Praxis heißt das, die Bedürfnisse der eigenen Entwickler zu verstehen und proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, die ihre Work-Life-Balance und Teamdynamik verbessern. Auch die Auswahl von geeigneten Tools und mitunter der Einsatz von Low-Code-Technologie kann hierfür einen entscheidenden Beitrag leisten.

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