Digital Healthcare

Das eHealth-Datenschutz-Labyrinth

20.09.2017 von Michael Rath, Silvia C. Bauer und Cornelia Yzer  
Big Data Analytics liefern auch im Healthcare-Sektor wichtige Einblicke und Erkenntnisse. Allerdings muss in Sachen Datenschutzrecht noch Einiges passieren.

Die Digitalisierung wird auch den Gesundheitssektor nachhaltig verändern - in Forschung, Prävention und Therapie. Digitalisierung wird die strukturierte Nutzung der großen verfügbaren Datenmengen im Gesundheitssektor ermöglichen und kann so einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung von Effizienz, Qualität und Sicherheit liefern.

Da Gesundheitsdaten ohne Frage sensibel sind, muss das Datenschutzrecht mit den neuen technologischen Möglichkeiten Schritt halten, um den berechtigten Anliegen des Einzelnen nach hohen Schutzstandards zu entsprechen - ohne dabei die Chancen für die Optimierung von Forschungsprozessen und Versorgung zu verbauen.

Wenn Datenschutz auf Big-Data-Anwendungen in der Healthcare-Branche trifft, wird es kompliziert. Wir zeigen Ihnen den Weg durch den Datenschutzrecht-lrrgarten.
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Das bringt das eHealth-Gesetz

Das Ende 2015 in Kraft getretene eHealth-Gesetz soll eine digitale Kommunikation zwischen den behandelnden Ärzten und Einrichtungen ermöglichen und so den Austausch über Patientendaten vereinfachen. Dazu wurden insbesondere das SGB I, V und XI, aber auch weitere relevante Gesetze (wie etwa das BSI-Gesetz) überarbeitet und geändert. Diese neuen Vorgaben werden seitdem Schritt für Schritt umgesetzt. Die wichtigsten Neuerungen stehen aber erst noch bevor: Ab dem 1. Januar 2018 besteht für Versicherte die Möglichkeit, notfallrelevante Informationen (zum Beispiel Diagnosen, Medikation, Allergien, Unverträglichkeiten) auf ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) speichern zu lassen.

Mit dem 1. Januar 2019 wird dann die elektronische Patientenakte eingeführt, in der wichtige elektronische Dokumente wie Arztbriefe, Medikationspläne, Notfalldatensätze oder Impfausweise aufbewahrt werden können. Um auf diese elektronische Akte zugreifen zu können, wird seitens der behandelnden Personen oder Einrichtungen ein "eArztausweis" benötigt. Die Akte liegt nicht beim Arzt, beziehungsweise beim Krankenhaus, sondern in der Hand des Patienten. Im günstigsten Fall erfahren die Patienten durch diese Maßnahmen eine effizientere und erfolgversprechendere Behandlung.

Digitalisierung im Gesundheitswesen und in der Medizin
Bitkom-Untersuchung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - Wie oft nutzen Anwender das Internet in Sachen Gesundheitsfragen?
Anwender nutzen das Internet durchaus häufig als Informationsquelle, wenn es um Gesundheitsfragen geht.
Bitkom-Untersuchung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - Nutzen von Internetrecherchen zu Gesundheitsfragen
Nutzer glauben auch, dass ihnen die Internetrecherche zu Fragen rund um Krankheiten sehr viel nutzt.
Bitkom-Untersuchung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - Wonach suchen User bezüglich Gesundheitsfragen?
Bei den Themen, zu denen User Informationen im Internet suchen, liegen Sport- und Fitnessfragen im Trend.
Bitkom-Untersuchung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - Vorteile von Online-Sprechstunden
Prinzipiell würden viele Deutschen sich auch auf Online-Sprechstunden einlassen. Sie sehen hierfür nämlich einige Vorteile.
Bitkom-Untersuchung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - Nachteile von Online-Sprechstunden.
Aber sie fürchten auch diverse Nachteile, wenn sie mit ihrem Arzt lediglich via Online kommunizieren würden.
Bitkom-Untersuchung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - Gesundheitsdaten werden zur Verfügung gestellt, wenn User etwas davon haben.
User würden ihre Gesundheitsdaten durchaus zur Verfügung stellen. Allerdings haben sie klare Vorstellungen, was sie dafür wollen.

Big Healthcare Data

Allein in Deutschland sollen 2017 knapp 400 Millionen Euro im Digital-Healthcare-Sektor umgesetzt werden. Bis 2020 soll der Markt weltweit auf ein Volumen von circa 200 Milliarden Euro anwachsen. Die Wachstumsraten liegen teilweise im zweistelligen Prozentbereich. Das ruft selbstverständlich Anbieter von Smart- und Big- Data-Anwendungen auf den Plan. Insbesondere IBM mit seinem KI-System Watson, aber auch die Google-Mutter Alphabet oder die Deutsche Telekom sind in diesem Segment aktiv.

Durch die Nutzung von Smart- und Big Data sollen die potentiell riesigen Mengen an Gesundheitsdaten der Patienten erfasst, entsprechend verarbeitet und genutzt werden. Neben der Krankenhaus-Organisation wird sich durch die Datenmengen insbesondere ein Vorteil für die Forschung und daraus resultierend für die Behandlung der Patienten ergeben. So kann zum Beispiel IBMs Watson nicht nur alle Patientendaten für Anamnese, Differentialdiagnostik und Online-Services (beispielsweise Zweitmeinung und Patienteninformationen) auswerten und übersichtlich aufbereiten.

Das smarte System kann auch bereits die Plausibilität der Patientendaten überprüfen und die wahrscheinlichsten Diagnosen zu den aktuellen Beschwerden - unter Berücksichtigung der bisherigen Krankengeschichte - vorschlagen. Es versteht sich von selbst, dass für ein "lernendes" KI-System eine umfassende Verarbeitung von Daten die zwingende Voraussetzung zur Verbesserung der Leistung ist.

3D-Druck in der Medizin
3D-Printing in der Medizin
Der 3D-Druck hat "das Zeug dazu", die Medizin zu revolutionieren: "customized medical devices" sollen künftig eine individuelle Therapie von Patienten sicherstellen. Doch das ist nur ein Einsatzbereich von vielen - in unserer Bildergalerie zeigen wir Ihnen, wie 3D-Printer im medizinischen Bereich genutzt werden.
Zahnmedizin
Zahnärzte treiben die 3D-Druck-Technologie voran: Etwa die Hälfte aller Dentalkronen und Brücken hierzulande stammt laut Experten aus industriellen 3D-Druckern. Der Einzug digitaler Technologien in die Dentalwelt hat die Herstellung dramatisch verändert. Arbeiteten Zahntechniker früher überwiegend per Hand mit Lötkolben, Brenner und anderen Instrumenten, nutzen sie heutzutage immer öfter Computer. Bis zu 450 individuelle Dentalkronen und Brücken lassen sich so innerhalb von 24 Stunden herstellen.
Customized medical devices
Maßgeschneiderte Implantate für den Schädel liefern 3D-Drucker ebenfalls. Von der möglichst exakten Passform über die Verträglichkeit bis hin zur Integration biologischer Funktionen - gerade im Kopfbereich sind die Anforderungen extrem hoch. In den Niederlanden haben Ärzte einer Patientin sogar schon eine komplette per 3D-Druck gefertigte Schädeldecke eingesetzt.
Hirnchirurgie
Gehirnchirurgen benötigen während einer Operation Geräte und Instrumente, die mit einem Höchstmaß an Präzision gefertigt worden sind. Nicht selten geht es um Bereiche des Gehirns, die nur wenige Millimeter groß sind. Hinzu kommt, dass die Gehirnstruktur jedes Menschen einzigartig ist. Die 3D-Druck-Industrie liefert den Medizinern mittlerweile genau angepasste Hilfsmittel – wie die Plattform auf dem Bild - für schwierige und komplizierte Eingriffe.
Implantologie
Die Implantologie gehört mittlerweile zu den wichtigsten Medizinfeldern und entwickelt sich zur echten High-Tech-Medizin. Sehr häufig werden Hüft- und Kniegelenke ersetzt, da sie oft von Abnutzungserscheinungen betroffen sind. Auch die auf dem Bild zu sehende Hüftimplantat-Pfanne stammt aus einem industriellen 3D-Drucker. Das Hüftgelenk ist das größte Gelenk des Menschen, es ermöglicht die Bewegung zwischen Rumpf und Bein. Nach Schätzungen von Experten werden erst zwei Prozent der eingesetzten Hüftpfannen per 3D-Druck gefertigt. Dort gibt es also noch viel Potenzial.
Wirbelsäulenchirurgie
Auf den ersten Blick sehen sie etwas unscheinbar aus, aber aus Sicht von Chirurgen und Patienten sind es kleine Wunder: technische Ersatzbauteile aus Kunststoffen oder Metallen für die Wirbelsäule. Sie verstärken die Wirbelsäule. Solche Produkte dienen zum Beispiel auch als Ersatz für defekte Wirbel.
Herzchirurgie
Ein originalgetreuer Aortabogen – ein Beispiel für den rechnergestützten Organmodellbau. Dabei stellt man per 3D-Druck maßgenaue, dreidimensionale Modelle der menschlichen Anatomie her. Ärzte und Chirurgen können bei der Operationsvorbereitung an 3D-gedruckten Modellen üben und bekommen so ein besseres Verständnis für den geplanten Eingriff.
Herzchirurgie
Das Herz aus dem 3D-Drucker ist längst Realität. Mit solchen per 3D-Druck gefertigten Organmodellen lassen sich komplexe Anatomien gut darstellen. Die Produkte aus den industriellen 3D-Druckern dienen deshalb auch zu Lehrzwecken. Auf diese Weise können Forscher und junge Ärzten in der Ausbildung den genauen Verlauf der Blutgefäße und die Strukturen eines Organes besser verstehen.
Exoprothesen
Der unterschenkelamputierte Kletterenthusiast C. J. Howard aus Nordkalifornien trägt eine Fußprothese, die er zusammen mit seiner Kletterfreundin Mandy Ott, einer Luft- und Raumfahrtingenieurin, entwickelt hat. Es handelt es sich um eine lasergesinterte Kletterprothese aus Titan. Sie wiegt etwa 2,3 Kilogramm. Um das Gewicht möglichst gering zu halten, wurde sie hohl gefertigt. Zudem hat sie weder Nähte noch Befestigungsmittel.
Gefäßchirurgie
Das Metallgeflecht erinnert an ein Kunstwerk, rettet aber Leben. Es handelt sich um einen per 3D-Druck gefertigten Stent zur Gefäßunterstützung. So kann eine Arterienverkalkung dazu führen, dass Blutgefäße immer enger werden. In solchen Fällen setzen Ärzte bei den Patienten Stents ein. Und auch die stammen mittlerweile zum Teil aus der additiven Fertigung.
Laser-Sinter-Anlage
Eine Laser-Sinter-Anlage in Aktion: Ein Schieber verteilt im Inneren des 3D-Druckers eine dünne Schicht pulverisierten Materials - Kunststoff oder Metall - auf eine Bauplattform. Ein Laserstrahl schmilzt die Kontur nach programmierten Konstruktionsdaten auf. Die Arbeitsplatte senkt sich minimal, der Schieber verteilt eine neue Materialschicht. Der Laser schmilzt die definierten Stellen erneut, so dass sich die Schichten dort verbinden.

Datenschutz in der Healthcare-Branche

Bei all den medizinischen und geschäftlichen Chancen muss jedoch auch stets der Datenschutz bedacht werden. Denn Gesundheitsdaten (wie auch genetische und biometrische Daten) sind nach der ab dem 25. Mai 2018 vorrangig anzuwendenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO "besondere Kategorien personenbezogener Daten", die aufgrund ihres Inhalts sensibel und daher besonders schutzbedürftig sind. Dabei sind im Gesundheitsbereich, neben den genuinen Datenschutznormen der DSGVO, eine Vielzahl von anderen Normen zu beachten, so etwa das BDSG-neu, die eIDAS-Verordnung sowie weitere Spezialregelungen.

Durch diverse Öffnungsklauseln der DSGVO (für den Gesundheitsbereich ist insbesondere Art. 9 Abs. 4 DSGVO relevant) werden zusätzliche Bedingungen und Beschränkungen durch nationale Regelungen auf diesem Gebiet ermöglicht. Es ist stets genau zu prüfen, auf welcher Grundlage und zu welchem Zweck Gesundheitsdaten verarbeitet werden dürfen. Durch diese Komplexität ähnelt der Datenschutz im eHealth-Bereich einem Labyrinth.

Zu unterscheiden sind hierbei vornehmlich zwei Anwendungsfälle: Zum einen die Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte/Patientenakte und der darin enthaltenen Informationen, zum anderen die Verwendung von Gesundheitsdaten in Smart- und Big-Data-Anwendungen.

Elektronische Gesundheitskarte und Patientenakte

Die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte (inklusive der Notfalldaten) und der elektronischen Patientenakte für bestimmte Anwendungen richtet sich nach § 291a SGB V. Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten ist danach für den Patienten/Versicherten freiwillig und darf nur mit dessen Einwilligung erfolgen. Die Einwilligung zu einer Anwendung erteilt der Versicherte dem entsprechenden Heilberufler schriftlich, ein Verweis darauf wird auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert.

Ob aber dann zum Beispiel schon in der Abgabe der elektronischen Gesundheitskarte beim Arzt eine Einwilligung zu sehen ist, kann derzeit noch nicht abschließend beantwortet werden. Denn noch ist unklar, ob diese Vorgehensweise den Aufsichtsbehörden und Gerichten ausreicht. Auch wenn der vorrangige Zweck des Gesetzes die Vereinfachung der Kommunikation und der Behandlung ist, so muss jedoch allein schon aufgrund der Formulierung des § 291a SGB V stets auch der Datenschutz beachtet werden. Aufgrund des hohen Stellenwerts der Gesundheitsdaten könnte hier somit ein sehr strenger Maßstab angelegt werden.

Die Einwilligung ist außerdem auf Anwendungen gem. § 291a Abs. 3 S. 1 SGB V beschränkt und kann nur durch einen eingeschränkten Personenkreis - Angehörige der Heilberufe und deren autorisierten Mitarbeitern - vorgenommen werden. § 291 a Abs. 8 SGB V legt dabei fest, dass niemand vom Inhaber der eGK verlangen darf, den Zugriff auf Daten der Fachanwendungen anderen als den im Gesetz genannten Personen oder zu anderen Zwecken zu gestatten. Auch Vereinbarungen mit dem Versicherten über Derartiges sind unzulässig. In der Folge ist es ausdrücklich verboten, Versicherte zu bevorzugen oder zu benachteiligen, falls sie einem Zugriff zugestimmt oder ihn verweigert haben.

Ohne eine Einwilligung dürfen Gesundheitsdaten nur dann verarbeitet werden, wenn eine der Privilegierungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorliegt. Hier sind insbesondere lit. h) und lit. i) zu nennen, die für Zwecke der Gesundheitsvorsorge und -behandlung sowie der öffentlichen Gesundheit eine Befreiung vom Einwilligungserfordernis vorsehen.

eHealth-Daten: Einwilligung Pflicht?

Davon zu unterscheiden ist die Weitergabe von Gesundheitsdaten im Rahmen von Smart- und Big-Data-Anwendungen. Aufgrund der Sensibilität der Daten ist nach Art. 9 Abs. 1 EU-DSGVO auch hier stets die Einwilligung des Patienten/Versicherten erforderlich. Dies betrifft zum Beispiel die bereits dargestellte Arbeitsweise von IBM Watson hinsichtlich der Analyse von Gesundheitsdaten und entsprechende Diagnosevorschläge.

Ärzte, Krankenhäuser und andere Heilberufler, die sich solcher KI-Systeme bedienen, müssen also grundsätzlich den Patienten/Versicherten vor der Datenverarbeitung über diese informieren und sein Einverständnis einholen. Darüber hinaus müssen, falls die Daten an Stellen außerhalb er EU/EWR übermittelt werden, die Regelungen zur Auftragsdatenverarbeitung beachtet werden. Ebenso dürfte aufgrund der Verarbeitung sensibler Daten und dem Einsatz neuer Technologien in Form von KI-Systemen stets eine Datenschutzfolgenabschätzung gem. Art. 35 DSGVO erforderlich sein.

EU-Datenschutzreform 2016: Die wichtigsten Änderungen
Ein Gesetz für alle
EU-weit gelten die gleichen Datenschutzregeln. Das bedeutet auch eine gestiegene Verantwortung und Haftung für alle, die persönliche Daten verarbeiten.
"Recht auf Vergessen"
Wollen Nutzer ihre Daten nicht weiter verarbeitet sehen, werden diese gelöscht - vorausgesetzt, es spricht aus juristischer Sicht nichts dagegen.
"Opt-in" statt "Opt-out"
Sollen persönliche Daten verabeitet werden, müssen Nutzer aktiv zustimmen (und nicht aktiv widersprechen wie bisher).
Recht auf Transparenz
Nutzer haben ein Recht auf Transparenz - sie dürfen erfahren, welche Daten über sie gesammelt und wie diese verarbeitet werden.
Zugang und Portabilität
Der Zugang zu den bei Dritten über einen selbst gespeicherten Daten soll einfacher möglich sein. Zudem ist die Dartenportabilität zu gewährleisten - also sicherzustellen, dass persönliche Informationen leichter von einem Dienstanbieter zu einem anderen übertragen werden können.
Schnellere Meldung
Tritt ein Datenverlust auf, müssen Unternehmen und Organisationen im Regelfall binnen 24 Stunden, mindestens aber so schnell wie möglich ihrer behördlichen Meldepflicht nachkommen.
Weniger Behördenchaos
Unternehmen müssen sich nur noch mit einer einzigen Aufsichtsbehörde auseinandersetzen - und zwar dort, wo sie ihren Hauptsitz haben.
Grenzübergreifend
Privatanwender dürfen jeden Fall von Datenmissbrauch an ihre nationale Aufsichtsbehörde melden - selbst dann, wenn die betroffenen Daten im Ausland verarbeitet wurden.
Erweiterter Geltungsbereich
Die EU-Richtlinie gilt auch für Unternehmen, die keinen Sitz in der EU haben, sobald sie Waren oder Dienstleistungen in der EU anbieten oder auch nur Online-Marktforschung unter EU-Bürgern betreiben.
Höhere Bußgelder
Verstößt ein Unternehmen gegen die Datenschutzbestimmungen, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes.
Bürokratieabbau
Administrative Umstände wie Meldepflichten für Unternehmen, die persönliche Daten verarbeiten, entfallen.
Erst ab 16
Die rechtswirksame Anmeldung bei Internetnetservices wie Facebook oder Instagr.am soll Jugendlichen im Regelfall erst ab 16 Jahren möglich sein - weil sie erst ab diesem Lebensalter eine gültige Einwilligung in die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten geben können. Nationale Gesetze sollen laut Datenschutzverordnung hier aber Ausnahmen möglich machen.
Stärkung der nationalen Aufsichtsbehörden
Nationale Datenschutzbehörden werden in ihren Kompetenzen gestärkt, so dass sie die neuen EU-Regeln besser umsetzen können. Unter anderem dürfen sie einzelnen Unternehmen verbieten, Daten zu verarbeiten. können bestimmte Datenflüsse stoppen und Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, die bis zu zwei Prozent der jeweiligen weltweiten Jahreseinkünfte betragen. Darüber hinaus dürfen sie Gerichtsverfahren in Datenschutzfragen anstrengen. <br /><br />(Quelle: Forrester Research)

Ausweg Forschungsprivileg?

Dieser Weg zur Verbesserung medizinischer Anwendungen erscheint aufgrund der datenschutzrechtlichen Regelungen jedoch mühsam und bei der Menge an Patienten/Versicherten nicht gangbar. Eine Lösung könnte das sogenannte "Forschungsprivileg" darstellen: durch die Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 4 EU-DSGVO in Verbindung mit §§ 22, 27 BDSG-neu kann unter Umständen das Erfordernis der Einwilligung entfallen. Grundvoraussetzung für die Datenverarbeitung ist jedoch die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus durch die Umsetzung der in § 22 BDSG-neu genannten Maßnahmen. Eine Einwilligungsfreiheit kann dann nach § 27 BDSG-neu vorliegen, wenn wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder statistische Zwecke verfolgt werden, wenn die Verarbeitung zu diesen Zwecken erforderlich ist und die Interessen des Verantwortlichen an der Verarbeitung die Interessen der betroffenen Person an einem Ausschluss der Verarbeitung erheblich überwiegen. Außerdem müssen die Daten anonymisiert werden, falls dies nicht den Forschungszweck beeinträchtigt.

Das bedeutet, dass die Datenverarbeitung für Forschungsprojekte grundsätzlich einer Abwägung zu unterziehen ist. Relevant ist dies insbesondere für die zahlreichen neuen Plattformen, auf denen Daten zu wissenschaftlichen Zwecken geteilt werden. Beispielhaft genannt seien hier nur die bereits 2014 gestartete Transparenz-Initiative der pharmazeutischen Industrie, Clinical Study Data Request, oder das OncoTrack-Projekt im Rahmen der Innovative Medicines Initiative als pan-europäisches Projekt zur Identifizierung relevanter genetischer Biomarker. Nahezu ein Terabyte medizinischer Daten wird hier voraussichtlich per Studienteilnehmer generiert werden. Für die klinische Forschung wird allerdings auch künftig die Einwilligung das Mittel der Wahl sein, zumal hier vorrangig die Bestimmungen der EU-Verordnung Nr. 536/2014 gelten. Solche Einwilligungen könnten allerdings auch weit ausgestaltet werden und zukünftige Forschungszwecke einbeziehen.

Ob das Forschungsprivileg jedoch auch auf die Sammlung von Daten zur Verbesserung der KI-Systeme selbst (Stichworte: Deep Learning und Machine Learning) angewendet werden kann, ist zweifelhaft. Zwar könnte damit argumentiert werden, dass KI-Systeme ihrerseits ein Forschungsgebiet darstellen beziehungsweise statistische Zwecke erfüllen können. Aufgrund der Absätze 2 und 3 des Art. 9 DSGVO erscheint dies aber zweifelhaft, gerade wenn eHealth-Daten verarbeitet werden und bei den Betreibern von KI-Anwendungen kein medizinisches, dem Berufsgeheimnis oder einer Geheimhaltungspflicht unterliegendes Fachpersonal vorhanden ist. Es bleibt somit festzuhalten, dass Unternehmen, die Healthcare-Daten mit Hilfe von Smart- und Big-Data-Anwendungen verarbeiten, grundsätzlich nur mit der Einwilligung der jeweiligen Patienten/Versicherten auf der sicheren Seite sind. Darüber hinaus dürfte lediglich die Verarbeitung von für ein (medizinisches) Forschungsprojekt relevanten Gesundheitsdaten aufgrund des Forschungsprivilegs einwilligungsfrei sein.

Vielfältige datenschutzrechtliche Fragestellungen ergeben sich zudem aus der Nutzung von Echtzeit-Daten, sei es in der klinischen Forschung oder auch im Rahmen der Nutzenbewertung pharmazeutischer und medizintechnischer Produkte oder der Pharmakovigilanz. Viele dieser Daten werden heute über sogenannte Wearables generiert, die (noch) überwiegend als Lifestyle-Produkte zum Einsatz kommen. Zunehmend werden solche digitalen Biomarker aber auch gezielt für medizinische Zwecke über Apps oder Sensorik gesammelt. Die Validierung dieser Daten, die Frage wie ihre klinische Signifikanz für Zulassung und Nutzenbewertung belegt und welche datenschutzrechtlichen Standards zu beachten sind, wird sich in der nahen Zukunft vielfach nur Schritt für Schritt - und im engen Dialog mit den Zulassungs- und Aufsichtsbehörden - klären lassen. (fm)