"Mir hat mal die IT-Verantwortliche einer großen schwedischen Produktionsfirma resignierend gesagt, sie werde in ihrem Unternehmen sogar dafür verantwortlich gemacht, dass die Kaffeemaschine nicht funktioniert. Da sei schließlich ein Computerchip drin." Milind Govekar von Gartner Research in London erzählt lachend diese Anekdote aus seinem Berateralltag. Sein Job ist es, Unternehmen Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Geschäftsinteressen mit Hilfe der IT realisieren können.
Govekar weiß, welchen Vorurteilen IT-Organisationen in Unternehmen begegnen - und wie sehr manche IT-Verantwortliche und -Mitarbeiter unter ihrem schlechten Ruf leiden. Sie fühlen sich als Prügelknaben, die für alles verantwortlich gemacht werden,was im Unternehmen nicht klappt.
"Die nennen uns hier nur Dr. No"
Informatikern eines Unternehmens haftet der Ruf der Geht-nicht-Sager an, der Blockierer, die Hindernisse auf dem Weg zu neuen Geschäftsideen aufbauen, anstatt sie zu beseitigen. "Der CIO eines großen deutschen Konzerns brachte es mal auf den Punkt," erzählt Govekar. "Die nennen uns hier nur Dr. No!" - die Mensch gewordene Verweigerungshaltung.
Peter Burghardt relativiert diese Sicht, wenngleich derlei Vorurteilen ein Kern Wahrheit innewohne. "Das ist historisch begründet. IT-Verantwortliche haben sich durch ihre scheinbar einzigartige Kompetenz im Unternehmen eine Art ‚Unentbehrlichkeit‘ aufgebaut." Das habe "in einigen Fällen zu einer Überbewertung der eigenen Funktion" geführt, konstatiert der Managing Director beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen TechConsult. Fatalerweise ging damit einher, dass IT-Organisationen die "Wünsche interner Kunden, der Fachabteilungen, vernachlässigten," fährt Burghardt fort.
In Unternehmen geht es aber heutzutage genau um dieses Aufmerksamkeitsdefizit, ringt doch inzwischen oft das Business mit der IT um die Lufthoheit in Sachen Innovation durch IT.
Die Nase voll
Dabei scheint die Sachlage vordergründig klar: Forrester Research sagt es. Experton meint es. IDC und Gartner stimmen zu: Fachabteilungen haben genug von ihren scheinbar allzu phlegmatischen IT-Abteilungen und besorgen sich in der Cloud, was ihnen die internen IT-Verantwortlichen nicht bieten können oder wollen.
Risiken durch Alleingänge
Einhelliges Fazit der Analysten: Das Business bedient sich der Dienste von Cloud Service Providern, wenn sie schnell Lösungen für neue Geschäftsmodelle, Vertriebskonzepte oder Marketingaktionen realisiert haben wollen. Oft beginnen damit aber die Schwierigkeiten erst richtig.
Nicht nur schaffen solche Alleingänge aus dem Business Probleme bezüglich der Sicherheit und der Integrität der Unternehmens-IT, berühren somit vitale Aspekte der Corporate Governance. Sie provozieren zudem eine berechtigte Reaktion: "Super, und wie kriege ich jetzt die Verbindung hin zu den etablierten Lösungen?" Diese Frage stellt Rüdiger Gleba, Director Corporate IT-Infrastructure Strategy bei der Hannoveraner Continental AG, wohl stellvertretend für viele seiner Kollegen. Allerdings relativiert er, er könne aus eigener Erfahrung nicht sagen, "dass die so genannten Cloud-Angebote die IT in den Hintergrund drängen."
Moderne Computerzeiten
Dabei ist die Selbstbedienung von Fachabteilungen und Endanwendern nicht die einzige Herausforderung für IT-Verantwortliche. Generell ist das Anspruchsdenken des Business gestiegen, vehement tragen Geschäftsführer und Abteilungsleiter ihre Anforderungen vor - meistens, ohne sich mit Fragen der Machbarkeit beschäftigt zu haben. In Zeiten der Consumerization sieht sich jeder ein bisschen als IT-Profi - zum Leidwesen mancher IT-Chefs.
Soziale Medien, Mobility samt der Bring-your-own-Device-(ByoD-)Problematik, Big Data als das Versprechen, aus unstrukturierten Daten jede Information - natürlich Realtime - herausziehen zu können. CIOs sollen Antworten finden, wie die neuen Techniken und Trends genutzt werden können, damit beispielsweise Forschung, Produktion, Marketing und Vertrieb erfolgreich sind. Und das nicht irgendwann, sondern heute.
Für CIOs und ihre Mitarbeiter bedeutet das in den Worten von Experton-Vorstand Andreas Zilch: "Das Denken von IT-Organisationen muss weg von der reinen IT und hin zu Geschäftsmodell-Überlegungen."
Kompletter Wandel der IT
Dieser Wandel wäre nicht möglich, wenn die IT-Industrie nicht einem grundlegenden Veränderungsprozess unterworfen wäre. Die Analysten von Gartner sehen mit Blick auf die vergangenen Jahre folgende Entwicklung: Danach formieren sich in der IT vier verschiedene Kräfte zu einer neuen, evolutionären Gesamtheit. Sie werden entscheidenden Einfluss darauf haben, wie IT-Organisationen, vor allem aber ganze Konzerne künftig ihre Strategien ausrichten und ihre Geschäftsmodelle realisieren. Gartner spricht vom "Nexus of Forces", der sich durch die großen Leitthemen Social Media, Mobile Computing, Cloud und Informationen ergibt. Diese vier prägenden Bereiche gehen symbiotische Beziehungen ein, so dass sie jeweils ohne einander nicht mehr denkbar sein werden.
Existierende Architekturen obsolet
Gartner versuchte auf dem Symposium "ITxpo 2011" deutlich zu machen, welche Auswirkungen diese vier Strömungen in ihrer Gesamtheit auf Unternehmen haben: "Existierende IT-Architekturen werden obsolet", hieß es dort. In der künftig vorherrschenden Welt der IT stellten Informationen allgemein den Kontext für die Erfahrung des sozialen und mobilen Zusammenhangs her.
Mobile Geräte wiederum sind die Plattform, um sich einerseits effektiv in sozialen Netzen zu bewegen.Sie stellen aber auch den Startpunkt für neue Formen des Arbeitens dar. Neue Social-Tools und -Dienste verbinden Menschen mit ihrer Arbeit und untereinander in "neuer und bislang ungekannter Weise", so Gartner.
Cloud Computing schließlich diene als Trägermedium sowohl der eigentlichen Informationen als auch der Funktionalitäten hin zu den Anwendern und den Systemen. Der Nexus of Forces konstituiere ein vom Anwender selbst initiiertes "Öko-System des modernen Computing".
CIOs in der Quadratur der IT
Auch wenn Gartner sich hier ein wenig in IT-philosophischen Sphären zu verlieren scheint, ist das doch im Groben die Welt, in der sich CIOs mit ihren Mitarbeitern wiederfinden. Die neuen Einflüsse zwingen sie zu einer veränderten Einsicht ihrer Arbeit und ihrer Position im Unternehmen.Wenn sie nicht zwischen den Anforderungen des Business und ihrem bisherigen Jobverständnis aufgerieben werden wollen, müssen sie eine Neuausrichtung, eine Neupositionierung ihrer Aufgaben vornehmen.
Gartner-Analyst Govekar fordert: "Die IT muss sich auf die Veränderungen vorbereiten. Sie muss unbedingt schritthalten." Burghardt von TechConsult sieht indes die Notwendigkeit, dass sich die IT endlich in die Rolle begeben müsse, die ihr seit Jahren zugeschrieben werde: die des vielzitierten Business-Enablers. "Da hat sich bislang nicht viel getan in den vergangenen Jahren." Was aber eben auch mit dem Rollenverständnis der IT zusammenhängen würde. Sie sollte mehr die Kundenorientierung, mehr die Prozessorientierung in den Fokus des Interesses stellen und nicht so sehr die Technologie.
Govekar beschreibt die Rolle der IT in diesem Szenario als die eines Service Brokers. Sie treffen insofern die IT-Entscheidungen, als sie den Fachabteilungen als ein Cloud-Dienstleister begegne, der das Business etwa bei der Wahl passender Services unterstütze, aber auch vor problematischen Angeboten aus der Wolke warne.
Der CIO als Business Enabler
Schwierigkeiten, so scheint es, treten immer dann auf, wenn die IT zu weit vom Business entfernt ist. Matthias Kunisch, Geschäftsführer des SaaS-Anbieters Forcont Business Technology GmbH, hält es für richtig, die IT als Business Enabler zu sehen. Sie unterstütze das Business nicht nur, sie mache es in Teilen überhaupt erst möglich. "Diese Rolle nimmt der CIO aber nicht alleine wahr. Nur in der Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen ist seine Leistung nützlich." In Bezug auf die Schlagworte Cloud, Social Media und Mobility müsse klar sein, dass sich dahinter "jeweils sowohl eine technische als auch eine inhaltliche Komponente verbirgt."
IT muss den Fachabteilungen sagen können, welche Services für bestimmte Engagements im Social-Media-Umfeld geeignet sind, fordert Gartner-Analyst Govekar. Sie trete als Berater auf, wenn es zu entscheiden gilt, welche Mobility-Aspekte zum Vorteil eines Unternehmens sind. Govekar: "IT-Organisationen müssen ein ganzes Paket schnüren, das all diese Komponenten des Nexus-Modells beinhaltet."
Social Media explodiert
Welchen bedeutenden Rang soziale Medien heute und erst recht künftig einnehmen, zeigt eine aktuelle Gartner-Untersuchung. Danach steigt der weltweite Umsatz mit Social Media im Jahr 2012 auf 16,9 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Anstieg von 43,1 Prozent im Vergleich zum Jahr 2011 (11,8 Milliarden).
Viele CIOs wissen das und haben sich längst darauf eingestellt. Tools wie Jive, Yammer oder IBM Connections werden den Anbietern aus den Händen gerissen. Diese IT-Verantwortlichen ahnen, dass sie den Transformationsprozess in der IT aktiv gestalten müssen, wollen sie am Ende als Gewinner daraus hervogehen. Sie hätten dann nicht mehr das Image eines Dr. No, sondern wären im besten Fall die Antreiber, die den Kulturwandel voranbringen, auch die Business Enabler oder schlicht - die Yes-we-can-Sager.
Disruptiver Wettbewerbsfaktor
Axel Oppermann, Analyst bei Experton, nennt das, was in einem solchen Transformationsprozess am Ende idealerweise herauskommt, das "Social Business". Dieser Terminus beziehe sich auf Organisationen und deren Geschäftsprozesse. Dabei gehe es um Arbeits- und Verhaltensweisen. Diese würden von Menschen geprägt, "die in kollaborativen und integrierten Arbeitswelten Mehrwerte für sich, das eigene Unternehmen und die Gesellschaft erarbeiten."
Im Social Business konstituiert sich der "disruptive Wettbewerbsfaktor des 21. Jahrhunderts", ist sich Oppermann sicher. Disruptive Entwicklungen könnten bestehende Wertesysteme unterbrechen "oder sogar beenden und durch neue Leistungsdimensionen ersetzen". Ähnlich wie Gartner sieht auch sein Unternehmen Entwicklungen wie Cloud Computing, Big Data oder Bring-your-own-Device/Mobility als disruptive Entwicklungen, die zu massiven Veränderungen nicht nur in der IT-Nutzung, sondern auch in der Gestaltung des Business führen werden. Oppermann postuliert, die Herausforderung für IT- und Fachverantwortliche bestehe nun darin, diese IT-Trends zu orchestrieren - vor dem Hintergrund der reglementierenden Dimensionen Arbeitswelt, Gesellschaft und Technik.
Aus Big Data wird Big Business
An einem der zentralen Themen der IT-Neuzeit, Informationsgewinnung aus den großen Mengen an strukturierten und unstrukturierten Daten, wie sie beispielsweise im Social Web aufkommen oder in der sensorengetriebenen Machine-to-Machine-Kommunikation, lassen sich Optionen für die IT-Organisationen und das Business aufzeigen. Zwar gibt es keine allgemeingültige Definition von Big Data. Summieren lassen sich jedoch Charakteristika: Gemeint ist das Sammeln, Speichern und Auswerten von Daten. Die Analyse solcher Massendaten sollen Unternehmen Optionen an die Hand geben für neue Marketingkonzepte, Vertriebswege, oder auch für neue Produkte und Dienstleistungen.
Im Mai 2012 diskutierte der Münchner Kreis, eine gemeinnützige übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung, mit rund 150 Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Konzepte für die effiziente Verarbeitung und Analyse ständig wachsender Datenmengen. Kernfrage: "Wie können aus der Flut von öffentlichen und privaten Daten der digitalen Welt neues Wissen, gesellschaftlicher Mehrwert und Geschäftserfolge entstehen". Bündig formuliert: Wie wird aus Big Data Big Business?
Einfache Antworten gibt es darauf nicht, wohl aber Indizien. "Jüngste Studien bestätigen, dass Unternehmen, die führend beim Einsatz der Datenanalyse sind, durchschnittlich 33 Prozent mehr Umsatz und ein zwölfmal höheres Gewinnwachstum haben als Nachzügler - und die Kluft wird immer größer", sagte IBMs Vice President Strategy Christian Klezl auf der Konferenz.
Größte Geschäftspotenziale
Dabei gehe es beileibe nicht nur um die Herausforderungen steigender Datenmengen, sondern auch darum, unstrukturierte Daten beispielsweise aus sozialen Netzen und unsicheren Datenquellen zu analysieren und zu nutzen. Es sei wichtig, so Klezl, für Unternehmen eine Informationsagenda zu erstellen, "um ihr größtes Geschäftspotenzial zu erkennen und zu nutzen." Hier kann man hinzufügen, dass sich von dieser Aufforderung nicht nur IT-Organisationen, sondern auch das Business angesprochen fühlen sollte.
Big Data ist mehr als nur BI
Wichtig für das Verständnis von Big Data ist dabei, dass es sich hierbei nicht nur um eine verbesserte Form von Business Intelligence (BI) handelt. Volker Rieger von Detecon International weist darauf hin, dass "viele aktuelle Big-Data-Anwendungen darauf abzielen, Informationen direkt für Kunden und Nutzer bereitzustellen." Unternehmen könnten, so das Fazit Riegers, "enorme Vorteile aus der Datenanalyse ziehen".
Jeder kann profitieren
Carlo Velten, Senior Advisor bei der Experton Group, hat mit Kollegen im Auftrag von BT eine Big-Data-Studie durchgeführt. Eine Erkenntnis der Untersuchung: Big Data ist ein Phänomen, das praktisch alle Firmen betrifft. Karsten Lereuth, CEO von BT Germany, fügt hinzu: "Die IT-Verantwortlichen sollten sich rechtzeitig damit auseinandersetzen und prüfen, ob ihre IT-Infrastruktur dieser Entwicklung gewachsen ist."
Hier klingt die Aussage von Gartner durch, dass existierende IT-Architekturen hinterfragt werden müssen. Auch Experton-Mann Velten weist darauf hin, dass Big-Data-Analysen erst nach der Überwindung technischer Hürden möglich seien: "Es zeigt sich, dass die Herausforderungen des Datenwachstums zuerst auf der Infrastrukturseite gemeistert werden müssen, um danach im Rahmen der Analyse- und Reportingprozesse von Nutzen sein zu können." Das ist nur eines der Probleme, die in Big-Data-Konzepten lauern.
Neben solchen technischen Überlegungen muss aber auch klar sein: Eine Big-Data-Strategie berührt auch Fragestellungen, die weit über die Türschwelle der IT-Organisation hinausreichen. Alexander Duisberg von der Rechtsanwaltskanzlei Bird & Bird LLP weist auf der Tagung des Münchner Kreises auf die rechtlichen Probleme im Umgang mit den riesigen Datenmengen hin. Jede Firma stehe sofort vor der unbedingt zu klärenden Frage: Wessen Eigentum sind einzelne Datensätze und Datensammlungen und wie ist es um deren Verkehrsfähigkeit bestellt - vulgo, was darf man mit den Daten anstellen?
Es zeigt sich an diesem Beispiel, dass IT-Organisationen künftig Hand in Hand mit den Fachabteilungen, den Governance-Verantwortlichen und dem Topmanagement Strategien, Geschäftsmodelle und Vertriebs-, Marketing- sowie Produktkonzepte entwickeln müssen.
Nur gemeinsam sind wir erfolgreich
Fazit: Heutige Technikoptionen und deren Nutzung dürfen beileibe kein exklusives Thema von IT-Organisationen bleiben. Wenn Unternehmen heute Ernst machen wollen mit dem Anspruch alle Möglichkeiten von Daten-Management und -analyse ausloten zu wollen, müssen sich nolens volens IT- und Fachabteilungen sowie Querschnittsorganisationen wie Personalwesen und Rechtsabteilung aufeinander zu bewegen und gemeinsam individuelle, auf das eigene Unternehmen zugeschnittene Antworten finden.
ByoD - Stoff für Kontroversen
Doch der Weg vom Anfänger zum Avantgardisten ist steinig. Das zeigt sich beispielsweise auch am ambivalenten Verhalten der Unternehmen, wenn es um das momentane Modethema schlechthin der IT-Branche geht: Bring your own Device (ByoD). Das ist zwar nur ein Aspekt des übergeordneten Themas Mobility. Aber mit ByoD stellen sich alle Fragen, die eine übergeordnete Mobility-Strategie auch aufwerfen würde. Und damit birgt es Stoff für jede Menge Kontroversen in Unternehmen.
Nur ein Beispiel: Laut einer Studie von Varonis, Anbieter von Data-Governance-Software, verbieten vier von fünf der befragten Unternehmen ihren Mitarbeitern die Nutzung Cloud-basierender Dateisynchronisierungs-Dienste. Das ist eine schlechte Nachricht.
Denn der Austausch und Abgleich von Daten über einen Synchronisations-Dienst aus der Wolke ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass das Mantra der ubiquitär und jederzeitig verfügbaren Firmeninformationen überhaupt realisiert werden kann. Erst wenn das funktioniert, ist ortsunabhängiges Zusammenarbeiten wirklich möglich.
Das sieht die überwiegende Mehrzahl der von Varonis befragten Unternehmen übrigens durchaus genauso. Weswegen fast ebenso viele Antwortenden, nämlich 70 Prozent, meinten, sie würden diese Dienste sehr gerne einsetzen. Dazu müsse aber eine Bedingung erfüllt sein: Sie müssten ebenso robust und sicher sein wie interne Systeme.
Angst essen Fortschritt auf
Die Angst vor dem Verlust wichtiger Firmendaten und der Folge, als IT-Verantwortlicher dafür verantwortlich gemacht zu werden, bremst den Fortschritt. Und so wird mit Richtlinien und Verboten verhindert, was das Unternehmen wirklich voranbringen könnte. Angesichts der Compliance- und Datenschutzauflagen ist das auch durchaus nachvollziehbar.
Und so erlaubt eben nur jedes fünfte Unternehmen die Datensynchronisation in der Public Cloud. Und 59 Prozent der Organisationen ziehen gemäß der Varonis-Studie herkömmliche Methoden vor, um des Themas Herr zu werden. Sie verlassen sich auf eine Kombination "aus Richtlinien und Blockademethoden".
Man mag solche vermeintliche Bremsklotzmentalität kritisieren. Doch so richtig überzeugt die Haltung der großzügigen 20 Prozent, die keinerlei Maßnahmen ergriffen haben, um die Nutzung der Datensynchronisation in der Wolke zu unterbinden, auch nicht. Deren Mitarbeiter können quasi im Blindflug "vertrauliche Informationen jederzeit außerhalb des Unternehmens speichern".
Das andere Extrem: Sorglosigkeit
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass aus der Gruppe der Großzügigen 70 Prozent ob dieser riskanten Strategie nicht einmal beunruhigt sind. Dabei wissen sie, dass sie sich "vor der Verbreitung beziehungsweise dem Verlust kritischer Informationen nicht schützen können."
Die Forschungsabteilung Spiderlabs des Information-Security- und Compliance-Management-Anbieters Trustwave hat die Probe aufs Exempel gemacht und das iPhone einmal auf seine Sicherheitsaspekte hin unter die Lupe genommen. Zu diesem Zweck schaute sich das Unternehmen die Top 50 der kostenlosen Apps und Spiele aus dem Appstore an. Fazit: Beim Test kamen "besorgniserregende Trends zum Vorschein". Nutzer können beim Gebrauch der Spiele und Apps teilweise geortet werden, vier von fünf Apps verfügen nur über eine "unzureichende Verschlüsselung". Einige Apps versenden Crash-Dumps. Hierbei werden ohne Erlaubnis des Nutzers Informationen über die Geräte an den Internetserver verschickt.
Bei drei nicht auf den Bäumen
Kein Wunder also, dass IT-Verantwortlichen beim Thema Privatgeräte am Arbeitsplatz die Haare zu Berge stehen. Erhard Klein, CIO beim Spülsystem-Hersteller Winterhalter, sagte der Computerwoche, ByoD sei aufgrund von Sicherheitsbedenken in seiner Firma definitiv kein Thema. Er sehe den "mündigen Mitarbeiter" noch nicht.
"Der User klickt doch auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist", zeigt sich Klein skeptisch. Doch es gibt auch ganz andere Meinungen: Sein CIO-Kollege vom Dienstleistungsunternehmen Rödl & Partner, Ingo Wolf, schätzt mittlerweile den Nutzen von ByoD "höher oder äquivalent zum Risiko" ein. Eine BT-Studie (siehe Grafik "ByoD birgt Vorteile") gibt Wolf Recht: Die Mehrheit der IT-Entscheider sieht Wettbewerbs- und Produktivitätsvorteile.
Der Geist ist aus der Flasche
Trotz berechtigter Sicherheitsbedenken (siehe auch Seite 20) dürfte aber am Siegeszug des ByoD-Trends kein Weg vorbei führen. Neil Sutton, Vice President Global Portfolio bei BT Global Services, bestätigt: "Man kann es nicht leugnen - der ByoD-Geist ist aus der Flasche und bringt noch nie da gewesene Möglichkeiten für Unternehmen." Die BT-Studie listet die Vorteile eigener Geräte am Arbeitsplatz auf.
Sutton warnt allerdings: "Das Risiko des Missbrauchs und von Angriffen auf das Unternehmensnetzwerk hat sich vervielfacht." Nicht zuletzt deshalb begeistern sich IT-Verantwortliche bislang wohl zurecht nur mäßig für den Weg der Öffnung.
Der BT-Mann fordert für den ByoD-Einsatz von Unternehmen eine klare Richtlinie, "die passenden Werkzeuge, um sie einzurichten, und das Vertrauen, sie in die Hände der Mitarbeiter zu legen." Nicht zuletzt brauche es Prozesse, die von allen verstanden und unterstützt würden.
Unabdingbare Voraussetzung
Gartner hat in seiner Untersuchung "User Survey Analysis: Impact of Mobile Devices on Network and Data Center Infrastructure" festgehalten, ByoD sei mittlerweile für Unternehmen eine unabdingbare
Voraussetzung. Umso mehr sollten Mobility Strategy Teams als Teil der IT-Organisationen eingesetzt werden. Diese müssten die Herrschaft über das Management und die Kontrolle der Daten ausüben. Zudem hätten Konzerne eine ByoD-Policy zu etablieren, um die Kosten für den Geräteeinsatz und mögliche Zahlungsmodalitäten zu regeln.
Der Vorstand haftet
Auch das Thema ByoD ist - wie Big Data und Cloud Computing - unter Compliance-Aspekten wichtig und weist weit über die Zuständigkeit von IT-Verantwortlichen hinaus. Rechtlich verantwortlich, wenn etwas schief geht, sind nämlich nicht CIOs, sondern die Vorstände. Sie haften im Falle des Falles.
Auch für ByoD gilt deshalb: Der Trend macht nicht vor IT-Abteilungen Halt. Im Prinzip müsse das gesamte Unternehmen an einer ByoD-Planung partizipieren, raten die Analysten von IDC und schlagen vor, ein Mobility-Governance-Komitee einzurichten. Das zeichne verantwortlich für die Strategie, die Richtlinien sowie die Methoden zur Kostenallokation. Finanz-, Rechts- und Personalabteilung sollten in diesen Rundumschlag einbezogen sein. Richtig angepackt, ist ByoD keine Option, die nur von IT-Organisationen behandelt gehört, schon gar nicht in deren alleinigen Verantwortungsbereich gehört. Allerdings sollten CIOs und ihre Mitarbeiter als Vermittler auftreten zwischen Business, Fachabteilung und eben der IT.
Vor dem Hintergrund der vielfältigen Veränderungen und Anforderungen, die das Business von IT-Verantwortlichen heute einfordert, stellt sich die Frage, wie CIOs und deren Mitarbeiter ihre Rolle künftig definieren. Dass sie sich ändert, wird nicht mehr bestritten - insbesondere vor dem Hintergrund der durch das Öko-System des modernen Computings sich ergebender Chancen. So zieht etwa Udo Nadolski das Fazit aus einer CIO-Befragung durch Harvey Nash: "Mobilität und Social Media zusammen sind Haupttreiber für die Umwälzungen von Organisationen." Das gelte für die Wirtschaft gleichermaßen wie für Politik und Gesellschaft, so der Deutschland-Chef des Beratungshauses.
Social Media erhöht den Druck
Insbesondere mit dem Phänomen Social Media entstünde für die Unternehmen "ein ganz großer Zwang, das private Nutzungsverhalten im Social Web in die berufliche Welt zu transferieren." Das höre am Arbeitsplatz nicht auf. "Wir erleben eine soziale Orientierung fast aller Geschäftsmodelle", meint Nadolski.
Die Frage für IT-Organisationen ist nur, wie sie die Umwälzungen in ihren Arbeitsalltag integrieren können.
Unbestreitbar sind viele, insbesondere große, Unternehmen bei der Nutzung aller oder einiger der vier IT-Kernthemen Social Media, Mobility, Big Data und Cloud Computing schon recht weit gekommen. Firmen wie die BMW Group nutzen Big Bata bei Analyse-, Reporting- und Modellierungsanforderungen aus jedem Bereich des Automobil-Lebenszyklus‘. "Dieser Zyklus reicht von der Forschung und Entwicklung, über Erprobungen, die Serienfertigung und Marketing bis zum Kundendienst und zur Gewährleistungsabwicklung", erklärte Axel Deicke vom bayerischen Autobauer.
Big Data auch bei der Siemens AG: So werden etwa Betriebsdaten von Computertomographie-Röhren für die präventive Instandhaltung analysiert, wie Siemensianer Volker Tresp erklärt.
Social Media klein geschrieben
Kleine und mittelständischen Unternehmen (KMU) nutzen die Chancen durch das Social Web weniger. "Sie sind organisatorisch oft unzureichend aufgestellt und schöpfen die Möglichkeiten von Social Media nicht konsequent aus", sagt Bitkom-Vizepräsident Heinz-Paul Bonn, beim Bitkom zuständig für den Mittelstand. Kleinere und mittlere Unternehmen hätten seltener spezialisierte Mitarbeiter für diesen Bereich. Sie verfügten kaum über interne Richtlinien für den Gebrauch.
Doch auch dort, wo sich Betriebe im Social Web tummeln, muss noch keine Substanz hinter dem Engagement stecken. Im Kundenservice, so heißt es in der Studie "Getting closer to the Customer" von der Firma Genesys, spielten weder Soziale Netze noch die App-Economy eine wichtige Rolle. Erst 43 Prozent der weltweit befragten Unternehmen habe danach im vergangenen Jahr begonnen, Social Media überhaupt zu nutzen. Nur elf Prozent kommunizieren seit drei Jahren oder länger mit ihren Kunden. Angesichts der allgegenwärtigen Nutzung von Mobilgeräten und Social Media wie Facebook und Twitter sei es alarmierend, dass "viele Unternehmen die Relevanz der neuen Kommunikationsformen zu spät erkennen und die Zuständigkeiten nicht geklärt haben", so der Genesys-Vorstandschef Paul Segre.
Was ist interessant für‘s Geschäft?
Peter Ratzer, Partner CIO Advisory Services bei Deloitte, stimmt Segre zu. Heutzutage kämen auf IT-Abteilungen genau diese Herausforderungen zu: "Mobility, Cloud, Social Media sind neue Anforderungen. Hier muss eine IT-Organisation in der Lage sein, zu analysieren, welche Geschäftsimplikationen diese neuen Entwicklungen für mein Unternehmen haben." Und sie müsse entscheiden, welche dieser Entwicklungen für das Geschäft von Interesse sind und welche nicht.
Neue Geisteshaltung der IT
Arne Josefsberg, Chief Technology Officer (CTO) des kalifornischen Dienstleisters ServiceNow, formuliert die Agenda der CIOs von morgen: Sie seien über den Part des Business Enablers hinaus integraler Bestandteil der Unternehmensaktivitäten. "Deshalb sollten sie auch an den ganz großen Tischen im Unternehmen sitzen." Solch eine Position würde das Selbstverständnis von IT-Organisationen auf den Kopf stellen. Gleichzeitig würden so die "tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Silos zwischen der IT und den verschiedenen Geschäftsbereichen abgebaut."
In diesem Szenario hätten die Trends und Techniken Social, Mobility und Cloud einen demokratisierenden Effekt auf Menschen, Prozesse und Technologien.