Cloud Computing mit Amazon

"Wir verkaufen Flexibilität"

06.11.2008 von Joachim Hackmann
Amazon verspricht Anwendern des Cloud-Computing-Dienstes AWS IT-Kapazitäten je nach Bedarf. Adam Selipsky, Vice President für AWS, erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann den Nutzen der Services.

Seit Ende Oktober 2008 hostet der E-Commerce-Anbieter im Rahmen des Cloud-Computing-Angebots "Amazon Web Services" (AWS) auch Instanzen von Microsoft Windows Server und SQL Server. Bislang konnten Nutzer zwischen den Optionen Linux und Solaris als Server-Betriebssystem währen. AWS stellt neben Rechnerkapazitäten (EC2) auch Speichermöglichkeiten (S3) und Datenbank-Services (SimpleDB) zur Verfügung.

Was sich Amazon vom Windows-Server-Hosting verspricht

CW: Sie haben den EC2-Dienst um das Hosting von Microsoft-Servern erweitert. Warum?

Adam Selipsky, Vice President of Product Management and Developer Relations for Amazon Web Services.

SELIPSKY: Wir wollen uns nicht auf Betriebssysteme und Programmiersprachen beschränken. Wenn Anwender Linux, Solaris und Windows nutzen wollen, dann sollen sie das tun - uns ist es gleich. Wir verkaufen Flexibilität. Wir sind mit Linux gestartet, weil es damals der einfachste Weg war. Zunächst haben wir ein freies Linux gehostet, später folgte ein Abkommen mit Red Hat. Außerdem gibt es eine Vereinbarung mit Sun über das Hosting von Open-Solaris-Servern. Seit Oktober bieten wir auch Microsoft-Server als Betriebssystem für EC2 an. (siehe auch Amazon.com beginnt Hosting von Windows und SQL Server)

CW: Welche Server-Ausführung von Microsoft verwenden Sie?

SELIPSKY: Wir starten mit Windows Server 2003, weil es die populärste Version ist.

CW: Was versprechen Sie sich von diesem neuen Angebot?

SELIPSKY: Ganz offenkundig gibt es einen großen Markt für Windows. Allerdings sollte man den Bedarf und das Interesse an Linux nicht unterschätzen. Einige tausend Entwickler nutzen EC2 mit Linux. Aber klar, Windows öffnet uns neue Märkte und wir hoffen auf viele neue Kunden.

CW: Umfasst das EC2-Angebot mit Windows-Betriebssystem sämtliche Kosten auch einschließlich Lizenzen?

SELIPSKY: Die Preise verstehen sich inklusive. Wir haben eine Vereinbarung mit Microsoft, die die Lizenzierung regelt. Auf die Kunden kommen keine weiteren Kosten zu - außer für die Netzanbindung. Eine Stunde für die EC2-Nutzung mit einer kleinen Windows-Instanz kostet 12,5 US-Cent.

CW: Ist die Nutzung auf bestimmte Applikationen beschränkt oder lässt sich jede Art von Applikationen installieren?

SELIPSKY: Wir bieten nackte Kapazität. Die Kunden bekommen einen Server plus Betriebssystem und können jede Applikation darauf installieren. Der einzige Unterschied zu den lokalen Installationen ist, das wir unsere Maschinen virtualisiert haben. Wir räumen Entwicklern und Unternehmen damit eine Alternative zu ihren eigenen Servern ein.

Wer die Konkurrenten im Cloud-Computing-Geschäft sind

CW: Andere Anbieter wie Google mit seiner App-Engine sowie Microsoft mit der angekündigten Azure-Plattform bieten Kunden auch Applikationen zur Nutzung an. Gibt es Pläne, AWS beispielsweise um Office- und CRM-Applikationen zu erweitern?

SELIPSKY: Man sollte niemals nie sagen. Sicher ist, dass viel Zeit verstreichen wird, bevor Amazon Applikationen etwa für das Kunden-Management betreiben wird. Wir haben andere Schwerpunkte und werden noch in diesem Jahr mit einem neuen Content-Delivery-Service an den Start gehen, um Web-Inhalte möglichst nah an die Nutzer zu bringen. Danach folgen Zusatzfunktionen etwa für das Monitoring, das Load-Balancing und das Auto-Scaling, das Applikationen automatisch die jeweils erforderliche Kapazität einräumt. Außerdem planen wir eine Management-Konsole. Aber sicher: Es werden neue Konkurrenten kommen. Unser Vorteil ist, dass wir die Dienste bereits seit zwei Jahren mit zahlenden Kunden betreiben.

CW: Wird Microsoft Wettbewerber oder Kooperationspartner sein?

SELIPSKY: Wir unterhalten keine exklusive Beziehungen zu Microsoft. Klar ist, dass es neue Konkurrenten geben wird. Vor allem große Unternehmen werden in dieses Geschäft eintreten. Wir wollen zu den Gewinnern dieses Wettbewerbs zählen.

CW: Welche Unternehmen können es sich leisten, eine vergleichbare Infrastruktur aufzubauen? Werden es Outsourcing-Anbieter wie IBM und HP sein?

SELIPSKY: Diese Namen fallen immer wieder. Wir beschäftigen uns nicht mit möglichen Wettbewerbern sondern konzentrieren uns auf unsere Kunden.

Die Zukunft der Cloud Computing

CW: Wie wird sich das Cloud Computing in den nächsten zwei bis drei Jahren entwickeln?

SELIPSKY: Es wird viele neue Angebote geben. Wir haben eine neue Technik geschaffen. Viele Unternehmen werden diese Idee aufgreifen. Insbesondere die großen Anbieter evaluieren gerade den Markt. Ich denke, dass sich in zwei bis drei Jahren mehr und mehr geschäftskritische Applikationen auch auf Basis von Services wie AWS betreiben lassen. Amazon wird die Funktionalität weiter ausbauen, so dass sich die Dienste noch einfacher bedienen lassen. Für Anwender tun sich neue interessante Möglichkeiten auf.

CW: Werden das Desktop-Computing und Rich Clients damit überflüssig?

SELIPSKY: Die Zahl der Funktionen, die in die Cloud verlagert werden, wächst umso schneller, je zuverlässiger die Dienste werden. Heutige Applikationen laufen schon sehr gut innerhalb der Wolke. Die Antwortzeiten sind kurz und die Verfügbarkeit ist hoch.

Die Bedeutung von AWS für den Amazon-Konzern

CW: Was war eigentlich der Beweggrund für den Start der Services? Wollte Amazon die ohnehin vorhandene Infrastruktur besser auslasten?

SELIPSKY: Das ist eine immer wieder gestellte Frage. Die bessere Auslastung ist aber nicht Hauptgrund. Wir glauben, dass AWS für Amazon eine sehr gute Einnahmequelle sein kann. Es gibt wenige Unternehmen in der Welt mit einer so weit reichenden Infrastruktur und einer solchen Erfahrung darin, derart große IT-Infrastrukturen zu installieren und zu betreiben.

Wir haben viel Zeit und Geld investiert. Amazon hat in einem Zeitraum von zehn Jahren mehr als zwei Milliarden Dollar ausgegeben, um Technik und Inhalte zu entwickeln und aufzubauen. Heute können wir auf eine hoch verfügbare, sehr skalierbare und günstige Installation vertrauen. Natürlich haben wir viele Fehler gemacht, aus denen wir aber auch viel lernen konnten. Damit haben wir die Basis dafür gelegt, anderen Unternehmen zu helfen, diese Schwierigkeiten zum umschiffen. Uns öffnet das wiederum einen neuen Markt, den wir entwickeln und besetzen können.

CW: Wie wichtig ist denn das Geschäft für den Amazon-Konzern?

SELIPSKY: Es kann ein wichtiges Standbein werden. Der Bedarf wird schnell wachsen und wir hatten einen guten Start in dieses Geschäft. Wir denken, dass es sich finanziell für Amazon auszahlen wird.

CW: Wir hoch sind Umsatz und Gewinn?

SELIPSKY: Wir veröffentlichen dazu keine Zahlen. Was ich verraten kann, ist, dass wir 440 000 registrierte Entwickler und Kunden für AWS haben. Ein Quartal zuvor waren es etwa 400 000.

Für welche Kunden AWS entwickelt wurde

CW: Welche Zielgruppe sprechen Sie an?

SELIPSKY: AWS ist für Geschäftskunden und Entwickler vorgesehen, nicht für Privatanwender. Wir haben viele Kunden, die wiederum Services für Privatanwender entwickeln und unsere AWS-Infrastruktur dazu nutzen. Das sind etwa Online-Provider, die Backup- und Fotodienste für private Nutzer entwickelt haben.

CW: Gibt es auch Kunden in Deutschland?

SELIPSKY: Unsere Kunden kommen aus der ganzen Welt. In Deutschland sind das etwa das Max Planck Institut für Physik, und der IDG Verlag, in dem die COMPUTERWOCHE erscheint. Für die europäischen Anwender haben wir eigens Data-Center innerhalb der EU errichtet. Vor rund einem Jahr gab es immer häufiger Anfragen von Unternehmen und Entwicklern, die ihre Daten auf keinen Fall außerhalb der Grenzen der EU speichern wollten.

Welche Sicherheits- und Verfügbarkeitsgarantien Amazon gibt

CW: Wie stellen Sie sicher, dass Daten nicht die EU-Grenzen verlassen? Immerhin verbietet der Gesetzgeber in einigen Branchen, persönliche Daten über Ländergrenzen hinweg zu verschieben.

SELIPSKY: Wir haben den S3-Dienst in unterschiedliche Regionen gegliedert. Jeder Anwender hat die Option, eine Region zu wählen und die Speicherung auf diese physikalischen Einrichtungen zu beschränken.

CW: Ist die automatische Replikation auch auf die gewählte Region beschränkt?

SELIPSKY: Ja. Replikation, Backup usw. läuft dann ausschließlich innerhalb der EU - wenn der Kunden das so gewählt hat.

CW: Wie groß ist die Infrastruktur, die Sie für AWS aufgebaut haben?

SELIPSKY: Der Speicherdienst S3 verwaltet derzeit 29 Milliarden Objekte. Ein Objekt kann eine E-Mail, ein Podcast oder ein Foto sein. Vor drei Monaten waren es 22 Milliarden Objekte. Wir wachsen sehr schnell.

CW: Die Frage zielte eher darauf ab, zu erfahren, wie viele Speichersysteme, Server und Data Center Sie betreiben?

SELIPSKY: Zahlen kann ich nicht nennen. Wir betrieben pro Region mehrere redundante Einrichtungen, um mehrere Kopien der Objekte zu verteilen. Wir können garantieren, dass der Ausfall eines Data Centers oder eines Netz-Providers der Verfügbarkeit des Dienstes nichts anhaben kann.

CW: Dennoch ist der S3-Dienst mehrfach ausgefallen, zuletzt im Juli dieses Jahres. Was war geschehen?

SELIPSKY: Die Verfügbarkeit unserer anderen Dienste ist sehr gut, und generell sind unsere Kunden sehr zufrieden mit der Qualität von S3 und EC2. Beim Ausfall des Speicherdienstes im Juli war die Kommunikation innerhalb unseres Systems nicht in Ordnung. Kein Kunde hat Daten verloren. Jeder Ausfall ist inakzeptabel, allerdings gibt es keine 100-prozentige Sicherheit. Wir bemühen uns intensiv, diesem Ziel möglichst nahe zu kommen. Unterm Strich haben wir eine Verfügbarkeit, die jeder einzelne Kunde für sich allein nicht erreichen kann.

CW: Welche Verfügbarkeitsgarantien geben Sie?

SELIPSKY: Für S3 garantieren wir 99,9 Prozent Verfügbarkeit, bei EC2 sind es 99,95 Prozent. Verfehlen wir das Ziel, räumen wir den Kunden eine Kompensation in Form von Service-Gutschriften ein.

CW: Auf welchen Zeitraum beziehen sich die SLAs?

SELIPSKY: Sie gelten pro Monat.